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Adventszeit, Alpenpanorama und eine tote Bäuerin
Ende November 1963 erschüttert das Attentat auf John F. Kennedy die Welt. Während die Menschen auch in Südtirol vor den Fernsehern sitzen, muss Commissario Tasso einen spektakulären Bankraub aufklären. Seine ehemalige Praktikantin Mara Oberhöller studiert inzwischen in Mailand. Da ihr Vater nach dem Tod des amerikanischen Präsidenten Unruhen, gar Ausschreitungen auf den Straßen der Großstadt befürchtet, beordert er seine Tochter nach Hause. Und die stolpert, angestachelt von ihrer besten Freundin Veronika, prompt über eine neue Fährte beim Tod einer Bäuerin im Passeiertal ... Commissario Tasso hatte die Ermittlungen eigentlich schon abgeschlossen. Es war ein Unfall. Oder?
Frederick Schweigkofler fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, und das lag nicht an der Akne, die sein Gesicht wieder einmal mit teils schmerzhaften und nässenden Pusteln bedeckte.
Vielmehr sollte er hier nicht sein. Und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Aber er konnte gar nicht anders, denn seine ewig stichelnde Neugier trieb ihn dazu. Seine Mutter lag ihm ständig in den Ohren, dass ihn das noch eines Tages ins Verderben stürzen werde. Vielleicht hatte sie ja recht, und heute Nacht war es so weit .
Er wischte sich mit einem Stofftaschentuch über die feuchte Stirn. Es war so kalt, dass sein Atem zu sehen war, doch er trug nur ein dickes Flanellhemd. Die Gnade der Jugend - auch das ein Spruch seiner Mutter, die meist noch im Hochsommer über kalte Füße klagte. Frederick vermutete eher, dass es die Aufregung war, die ihn jetzt warm hielt. Er glaubte beinahe, das Blut in seinen Ohren rauschen zu hören. Wahrscheinlicher aber war es nur der Bach entlang des Zauns, der dieses Anwesen umfasste; ein winziger, namenloser Zufluss der Passer.
Behutsam pirschte Frederick näher, bis er die grob verputzte Mauer des weitläufigen Stalls erreichte. Der Hof von Lenka Jovanovic lag etwas außerhalb des Ortskerns, in einer Sackgasse ganz im Süden oberhalb der Pseirerstraße. Hier kam niemand ohne ein Anliegen hin, erst recht nicht weit nach Mitternacht.
Frederick war in der vorangegangenen Nacht auch schon einmal hier herumgeschlichen, da war aber rein gar nichts passiert, außer, dass der Hund im Wohnhaus angeschlagen hatte. Das hatte er dieses Mal zu verhindern gewusst, indem er sich vom Waldrand aus genähert hatte und somit nicht am Haus vorbeimusste.
Vielleicht hatte er ja heute mehr Glück. Frederick fasste endlich genug Mut. Er legte die schweißnassen Hände auf das raue Brett und zog sich zum Stallfenster hinauf. Und schalt sich sofort einen Narren. Da drinnen war es stockfinster, er erkannte hinter den verdreckten Butzenscheiben nicht einmal Schatten. Was hatte er erwartet? Dass dort noch Kerzen oder Fackeln brannten, nachdem das Ritual abgeschlossen war?
Das angebliche Ritual, verbesserte er sich rasch in Gedanken. Aber darum ging es ja. Die Jovanovic schlachte in jeder Vollmondnacht eine ihrer Ziegen, um sie dem Teufel zu opfern, behauptete der Pfitscher Gustav. Sie sei eine Hexe, hatte dessen Schwester Gertrud mit vor Aufregung glänzenden Augen ergänzt.
Das war natürlich Schmarrn, davon war Frederick überzeugt. Aber irgendetwas ging auf diesem Hof in manchen Nächten vor sich. Nur was?
Er ließ sich fallen und blickte sich in alle Richtungen um. Der Wald am Berghang reichte hier bis zu den Hausweiden. Die Lärchen, so schien es Frederick, streckten ihre Äste wie knochige Finger nach ihm aus und zeigten auf ihn.
Lenka Jovanovic war der Traum aller Jungen im Dorf, kurvig und blond, noch keine dreißig und alleinstehend. Und Letzteres war offenbar wiederum das, was einige der gestandenen Männer gegen sie aufbrachte. Sicher, im Passeiertal wurde spät geheiratet, das war nicht das Problem. Das Problem war vielmehr, dass die Jovanovic nicht heiraten wollte. Und dass sie irgendwelche Ideen umzusetzen gedachte, moderne Ideen.
Frederick steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte zur Stalltür.
Wenn er es recht bedachte, fanden alle die junge Frau irgendwie anziehend - verrucht, hörte er seine Mutter murmeln -, aber niemand wollte das zugeben. Und nicht nur die alten Bauern hatten etwas gegen sie, Bauern wie sein Vater Werner Schweigkofler oder der andere Nachbar, Alois Schwarz. Nein, auch der Pfarrer und der alte Dorflehrer wetterten gegen die Zugezogene. Warum, das erschloss sich Frederick nicht. Es sei denn, an den Gerüchten mit der Teufelsanbetung war doch etwas dran.
Inzwischen hatte sich Fredericks Herzschlag beruhigt, und er spürte die Kälte der sternenklaren Nacht. Für Anfang November war es noch nicht wirklich kalt, doch nur im Hemd einfach herumzustehen, das war sogar ihm zu frisch.
Vor der Stalltür sah er im fahlen Mondlicht etwas glänzen. Er hob es auf und betrachtete es enttäuscht. Keine Münze, sondern nur ein silberfarbener dicker Knopf. Unter den Fingerkuppen waren Verzierungen zu spüren, aber das konnte er sich später noch ansehen. Achtlos steckte er ihn in die Hosentasche.
Zögerlich stupste Frederick anschließend gegen die Klinke. Und erschrak zu Tode, als das hölzerne Türblatt mit einem Knarren nach innen schwang. Hastig machte er einen Satz nach hinten, erwartete halb, dass ihm jemand entgegensprang; Lenka Jovanovic oder der Teufel oder . Nicht einmal eine Geiß zeigte sich. Der Gang blieb leer. Er hörte das Rascheln von Stroh, Schnauben und Hufscharren. Kein Geräusch, das in einem Stall mit Huftieren nicht zu erwarten wäre.
Kurz zögerte Frederick erneut, bevor er hineinschlüpfte. Seine Neugier ließ überhaupt nichts anderes zu, als dass er sich wenigstens einmal umschaute. Vielleicht kam er dem Geheimnis der jungen Bäuerin ja auf die Spur?
Er blieb eine Weile stehen, damit sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnten, und schlug zur Sicherheit ein Kreuzzeichen. Doch schon auf den ersten Blick sah er, dass das nicht nötig gewesen wäre. Es gab keinerlei Hinweise auf irgendwelche Rituale, nicht einmal einen Kerzenstummel auf einer Fensterbank oder so etwas.
Dies war ein Stall wie jeder andere, ungewöhnlich groß vielleicht, da die erste Tat der neuen Besitzerin darin bestanden hatte, einen Durchbruch zum Nebengebäude zu schaffen, um mehr Tiere unterbringen zu können. Die gesamte Fläche wurde durch hüfthohe Holzwände in eine Reihe von Verschlägen aufgeteilt, in denen ungefähr achtzig Schafe und zwanzig Ziegen untergebracht waren. Frederick war einmal mit seinem Vater hier gewesen, im letzten Sommer, als Lenka Jovanovic die gesamte Nachbarschaft eingeladen hatte. Damals hatte sie noch geglaubt, sie könnte gut mit allen auskommen.
Soweit Frederick das beurteilen konnte, hatte es nicht an ihr gelegen. Aber wenn er ehrlich war, konnte er das kaum einschätzen. Er war den ganzen Tag in Meran in der Schule, übernachtete sogar hin und wieder bei einem Kumpel in der Stadt, wenn ihm die Fahrt mit dem Linienbus zu lästig war. Den Sommer hatte er die letzten zwei Jahre auf der Alm verbracht. Was wusste er schon, was Lenka Jovanovic den lieben langen Tag auf ihrem Hof trieb?
Jedenfalls keine verbotene Teufelsanbetung.
Während Frederick so dastand, grübelte und den Stallgeräuschen lauschte, stieg ihm ein vertrauter Geruch in die Nase. So roch es, wenn auf dem Hof seiner Eltern geschlachtet wurde - nach warmem Blut.
Frederick hob die Nase und schnüffelte. Das war der metallische Geruch von Blut, nur eine vage Note zwischen dem Ziegengestank, aber doch ganz eindeutig. Hatte sich vielleicht eines der Tiere verletzt? An den Quatsch mit dem Ritual glaubte er jedenfalls längst nicht mehr.
Er konnte inzwischen Einzelheiten ausmachen. Vorsichtig tastete er sich die Bretterwand entlang. Dabei fiel ihm auf, dass die Klapptüren zwischen den Verschlägen allesamt offen standen. Das war merkwürdig. Die Verschläge dienten schließlich keinem anderen Zweck, als bestimmte Tiere voreinander fernzuhalten. Ein Schaf reckte die Schnauze darüber und blökte ihn an. Beiläufig streichelte er das Tier und ging weiter.
Da, ganz hinten, an der schmalen Seitenwand lag ein dunkler Fleck im Stroh. Frederick neigte den Kopf. Das sah nicht nach einem Schaf aus, auch nicht nach einer Ziege. Den Umrissen nach schien es sich eher um einen . Menschen zu handeln?
»Verzeihung?«, fragte er halblaut. »Ist da jemand? Geht es Ihnen gut?«
Ein Schaf hob den Kopf und schnaubte. Ein anderes trat auf den leblosen Körper und sprang dann mit einem Satz darüber.
Was stimmte hier nicht? Frederick tastete herum, bis er einen Riegel in der Holzwand fand, die den Pferch vom Gang trennte. Hastig öffnete er die Tür und trat ein. Die Schafe stoben blökend auseinander. Erneut trat eines auf den Menschen, der dort lag. Frederick ging in die Hocke, ignorierte die Schafe und fasste an eine Stelle, wo er eine Schulter vermutete. Dabei hoffte er inständig, dass er sich irrte und doch nur einen Haufen alter Decken vor sich hatte. Der Blutgeruch war überwältigend.
»Hören Sie mich? Was ist passiert?« Er rüttelte sanft, spürte eindeutig Haut und Knochen unter dem Stoff. Nichts geschah. Er entdeckte einen wachsweißen Fleck im Stroh. Eine Hand. Zögernd streckte er die Finger aus, wollte nach dem Puls fühlen. Gerade berührte er die eiskalte Haut, als er Stimmen hörte. Er erstarrte.
Wer war da draußen? Seine Kumpel? Wohl kaum. Er war allein hergekommen in dieser Nacht. Die anderen hatten zu viel Angst. Sie gruselten sich nicht nur vor dem Ritual und seinen möglichen Folgen, sondern auch vor dem nahen Wald und dem abgelegenen Anwesen. Frederick hatte das lächerlich gefunden. Diese Teufelssache, ja, wegen der war ihm schon unbehaglich gewesen. Doch nachts auf einem Bauernhof herumzuschleichen, wofür brauchte es da Mut? Was sollte daran unheimlich sein? Und da es Gertrud offensichtlich imponierte, hatte er sich darauf eingelassen, in dieser Nacht allein zu gehen.
Wer auch immer da draußen war, näherte sich. Schon konnte Frederick zwei Stimmen ausmachen, Männer, die halblaut miteinander sprachen. Hatten die mit dem, was hier passiert war, etwas zu tun?
Er dachte nicht länger nach. Er sprang und drängte sich an den...
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