3.) 2-Extreme Filme machen
3.1.) Konventionelles Erzählen Hollywood erzählt
"Hollywood ist eine globale Industrie."29 Dieses Bestreben zwingt Sie dazu, Filme zu machen, die eine breite Masse international versteht. "Angesichts all dessen lohnt es sich zu fragen, was Hollywood so erfolgreich macht, dass es sich von seinen Krisen und Kritikern immer wieder erholen kann. Ist es das Know-how beim Geschichtenerzählen, die Spitzentechnologie bei Ton und Bild, sind es die Stars, oder ist es vor allem das investierte Geld?"30 Der Film bietet die Möglichkeit sich künstlerisch auszudrücken und im selben Moment bietet er die Möglichkeit, damit Geld zu verdienen. "Sie schaffen sich eine Existenz durch den Film, anstatt dass sie die Existenz des Kinos unterstützen."31 Betrachtet man das heutige Kino, kann man mit Sicherheit sagen, dass das gegenwärtige amerikanische Kino einen Großteil der Rezipienten in ihren Sehgewohnheiten dominiert.
"Spätestens, seit es Mitte der 1920er Jahre zu einer »Weltsprache« wurde, ist es ein extern anpassungsfähiges und intern stabiles System, dessen Formen der Bildlichkeit und der Narration sich über viele Jahrzehnte entwickelt und, dank mehrerer Generationen hochspezialisierte Profis, immer wieder flexibilisiert und optimiert haben."32
Die Nachfrage am Markt wird analysiert und man versucht ein Produkt zu erschaffen, das diesen Vorstellungen möglichst nahekommt. Dieses Produkt soll von einer möglichst breiten Masse gefallen bzw. verstanden werden, damit eine Vielzahl an Rezipienten angelockt werden.
"Aber die erste Voraussetzung der internationalen Popularität eines Films wird die internationale Lesbarkeit seiner Mimik und Gestik sein. Folklorische Eigentümlichkeiten wird man nur noch als exotische Eigentümlichkeiten zeigen dürfen. Auch wird eine gewisse internationale Angleichung der Gestik unerlässlich sein. Die Forderung des Filmmarktes duldet nur ein allgemeinverständliches Mienenspiel und allen geläufigen Bewegungen, die von der Herzogin bis zur Köchin, von San Franzisko bis Smyrna jedermann begreift. Und es ist heute schon so, dass der Film die einzige, überall verständliche gemeinsame Weltsprache redet."33
Hollywood Filme bedienen sich einer Filmsprache die International verstanden wird.
"Manchmal werden einzelne Filme durch volkskundige Eigenheiten und nationale Spezialitäten farbiger und stilisierter; diese aufgesetzten Lichter werden jedoch niemals zu vorwärtstreibenden Motiven der Handlung, denn jede Geste, die Fluss und Sinn der Handlung entscheidet, muss für sämtliche Zuschauergruppen gleichermaßen verständlich sein, sonst verliert der Filmproduzent sein Geld."34
Man versucht einen Film, eine Serie zu produzieren, der einer breiten Masse gefällt bzw. verstanden wird und letztendlich möglichst viel Geld einspielt.
"William Castle, der legendäre Produzent und Regisseur, verteilte schon bei der Premiere von »Sardonicus« (USA 1961) >Daumen-rauf oder Daumen-runter<-Karten, (.)."35 Der Rezipient hat einen Vertrag mit Hollywood unterschrieben, doch nur die wenigsten wissen etwas davon. Es werden bewusst vergangene funktionierende Hebel bedient, um das Publikum zu den emotionalen Punkten zu führen, die in ihrem Unterbewusstsein abgespeichert sind.
"Er vergleicht den Spielfilm mit einem Fließband, das den Zuschauer zu einer fortlaufenden, emotionalen Wertung der Ereignisse veranlasst. Das Publikum verkoppelt sich demnach mit der >Affektstruktur< des Spielfilms, und lässt sich in seinem Erleben von Stimulusband des Films bis zu jenem Punkt führen, wo die Erwartungen, für die es bezahlt hat, präzise und vollständig eingelöst sind."36
Der Kunde wird nach seinen Bedürfnissen möglichst perfekt abgefertigt. Doch wie kommt es, dass man erkennt, was der Rezipient sehen will?
"Man kann Massenkommunikation als gigantisches evolutionspsychologisches Feldexperiment ansehen. Alles was man tun muss, ist die Reaktionen auf Medien zu beobachten. Ein Messinstrument dafür ist seit langem bewährt: Einschaltquoten bzw. Reichweitenanalysen ermitteln nicht nur die Vorlieben und Zuwendungen, sondern auch die soziodemografischen Eigenschaften der jeweiligen Rezipienten."37
Durch die Vormachtstellung von Hollywood wird der Rezipient berechenbarer und die Filmindustrie weiß sehr viel darüber, was Sie dem Zuschauer vorsetzen müssen, damit dieser Ihre Filme konsumiert.
Dementsprechend ist die Filmindustrie in ihren Schemata festgefahren. "Sie geht davon aus, dass sich der subjektive Unterhaltungswert eines Films nicht nur aus seinen formalen Qualitäten ergibt, sondern wesentlich auch aus der Kommunikation über das Erfahrene (oder Erwartete)."38 Der Rezipient sieht im Laufe seines Lebens diverse Filme. Hollywood-filme werden nahezu perfekt vermarktet und ihre Erreichbarkeit (Cineplex, Fernsehen, Werbung,.) scheint nahezu grenzenlos. Dieses Kino hat sich den bestehenden Marktstrukturen perfekt angepasst und liefert ein Produkt, dem man nur schwer aus dem Weg gehen kann. Der durchschnittliche Rezipient, der nicht bewusst nach Filmen sucht, wird sehr stark mit diesen Filmen konfrontiert und ist somit nahezu immer, anderen Erzählweisen nicht gerade positiv gesonnen, da es dem Erfahrenen nicht entspricht. Das Comic-Heft steht im Rampenlicht und wirft einen sehr großen Schatten.
3.2.) Alternatives Erzählen?
"Sind europäische Filmemacher zu individualistisch, und mangelt es ihren Werken an mythologischer Resonanz? Sind ihre Filme der Selbstausdruck eines Individuums und daher zu hermetisch für ein breites Publikum?"39 Diverse Filmemacher haben es sich zur Aufgabe gemacht ihre Geschichten so zu erzählen, so wie sie es für richtig halten. Der Inhalt steht im Vordergrund, die Form entsteht durch den Inhalt. "Verkörperung des Geistes. - Wenn einer viel und klug denkt, so bekommt nicht nur sein Gesicht, sondern auch sein Körper ein kluges Aussehen."40 Sie schreiben das nieder, was sie erzählen möchten, und ordnen sich den Mainstreamstrukturen nur bedingt unter und fallen oft durch Regelbrüche auf. Diese Geschichten haben oftmals eine eigene Dynamik und eine ganz persönliche Handschrift.
Was ist unter persönlicher Handschrift zu verstehen? Ein wahrhaftiger Filmemacher hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Er visualisiert, was er nicht aussprechen kann. Er drückt sein Innerstes über Bilder aus. Somit schreibt er auch sein eigenes Drehbuch, er lässt es nicht schreiben, er muss es selbst schreiben. Jeder Mensch erzählt Geschichten auf seine individuelle Art und Weise. Natürlich kann man vergleiche ziehen und man wird immer jemanden finden, der ähnlich erzählt. Doch letztendlich ist jede Erzählung einzigartig, dass sollte man immer vor Augen haben. Schreibt man nun an einer Geschichte, sollte man sich niemanden zum Vorbild nehmen, keinen Filmemacher, kein Buch, das irgendwelche Regeln beschwört. Egal welche Geschichte man erzählt, solange sie einem selbst berührt, einem zum Lachen oder Weinen bringt, solange sie dem eigenen bzw. vorgefundenen Weltbild entspricht. Sieht man Filme von Jacques Tati, Alfred Hitchcock, Charles Chaplin, Orson Welles, Stanley Kubrick, Federico Fellini, Francois Truffaut, Ingmar Bergman, Rainer Werner Fassbinder, Billy Wilder,. an, erkennt man einen ganz persönlichen Erzählstil. Natürlich sind Elemente in ihren Filmen zu finden, die in kommerziellen Filmen umgesetzt wurden, doch Sie unterscheiden sich im Wesentlichen vom Hollywoodkino dadurch, dass Sie etwas zu erzählen hatten und das mit ihrem Talent, das ihnen zur Verfügung gestanden ist, umgesetzt haben. Natürlich ist jeder von seinem Umfeld beeinflusst. Man sieht die Filme anderer Filmemacher, man beginnt diverse Filmemacher zu bewundern. Doch sie zu analysieren und dann versuchen ihre Erzählweisen zu kopieren, sollte nicht das Ziel eines Filmemachers/Künstler sein. "Wir sind mehr an der «Stimme» eines Filmes interessiert: Ist der Filmemacher bei seiner Arbeit aufrichtig? Spricht er uns direkt an? Hat er eine Manipulationsmaschine entworfen? Oder spricht der Film ehrliche Sprache?"41 "(.), ein »guter Film« sollte nicht auf die Autonomie eines Kunstwerks abzielen, sondern »Irrtümer in sich bergen wie das Leben, wie die Menschen«."42
Alternative Erzählen bedeutet, eine weitere Alternative zu dem bereits vorhandenen zu bieten. Der Anspruch etwas Eigenes zu schaffen, sollte das Ziel sein.
"Ich beharre auf der Idee, dass die Welt sich nicht wirklich ändern oder verbessern kann, wenn die Filme nicht besser werden. Das ist der Ort auf der Welt, wo die Dinge sich ändern können. Ein Film ist wie das Leben einer Zelle. Man kann Dinge ändern, ohne jemanden zu verletzten, ohne zu töten oder zu vergewaltigen. Ich habe aber leider den Eindruck, dass der Film der Ort der geringsten Veränderungen sein wird. Woanders gibt es Vorstöße, Veränderungen oder Dramen, aber...