Schweitzer Fachinformationen
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Eine begabte junge Frau, ein faszinierendes Handwerk und finstere Machenschaften, die sie in Todesgefahr bringen - Reisen Sie mit Rebecca Michéle ins mittelalterliche Wales!
Wales, um 1300. Überall im Land werden Burgen gebaut und Befestigungsanlagen instandgesetzt. Es ist ein goldenes Zeitalter für Steinmetze, und der Vater der jungen Roisin zählt zu den Besten seines Fachs. Als er verunglückt und nicht mehr arbeiten kann, steht die Existenz der ganzen Familie auf dem Spiel. Roisins Bruder Edward fehlt das Geschick seines Vaters, doch er weiß, dass Roisin nachts heimlich Skulpturen angefertigt hat, die an Schönheit nicht zu übertreffen sind, und gibt sie als seine aus. Fortan muss sich Roisin nicht nur um den kranken Vater und die zänkische Stiefmutter kümmern, sondern auch in der Werkstatt arbeiten. Sie mag ihre Arbeit, aber sie sehnt sich auch nach Freiheit - und Liebe ...
Im November wurden die Tage kürzer und immer kälter. An diesem Nachmittag prasselten Graupelschauer gegen die geschlossenen hölzernen Fensterläden. Dadurch war es im Haus so dunkel, dass Roisin mehrere Talglichter angezündet hatte. Sie saß neben dem Feuer in der Küche und flickte das einzige Kleid, das sie besaß und nur an den Sonntagen trug, wenn sie den Gottesdienst besuchte. Lavinda hatte ein weiteres Mal über Kopfschmerzen geklagt und war nach dem Mittagsmahl wieder zu Bett gegangen. Glücklicherweise schlief sie tief und fest, so hatte Roisin jetzt etwas Ruhe. Edward war bereits am Morgen verschwunden, ohne zu erklären, wohin er gehen wollte, und am Nachmittag hatte Elian mit einem Sack voll steinerner Kunstwerke das Haus verlassen.
»Ich bin mit der Ausschmückung des Gemachs der Königin fertig«, hatte er erklärt, »und will die Figuren noch heute einsetzen. Wenn ich zurückkomme, werde ich einen prallen Beutel mit Münzen haben.«
»Nächste Woche ist Wollmarkt in der Stadt.« Lavindas Augen hatten erwartungsvoll gefunkelt. »Der letzte in diesem Jahr, bevor der Schnee die Wege versperrt. Ich brauche unbedingt Stoffe für neue Gewänder.«
»Du wirst dir alles kaufen können, was dein Herz begehrt. Zum Abendessen bin ich zurück.« Der Vater sah zu Roisin. »Da ich heute ein so gutes Geschäft tätige, möchte ich keine Gemüsesuppe, sondern ein ordentliches Stück Fleisch auf dem Teller haben. Und Bier! Ich erwarte einen großen Krug Bier. Den habe ich mir redlich verdient!«
»Selbstverständlich, Vater«, hatte Roisin erwidert und dem großen, breitschultrigen Elian nachgesehen, wie er beschwingt in Richtung des westlichen Stadttores schritt. Den Sack hatte er sich über die Schultern geworfen, als beinhaltete er Entendaunen und keine schweren Steinarbeiten.
Die Bauarbeiten an der gewaltigen Außenanlage der Burg Conwy waren vor acht Jahren beendet worden. Ursprünglich als uneinnehmbare Festung geplant und dementsprechend schmucklos errichtet, hatte der König dann doch entschieden, die Innenräume auszuschmücken. Die Lage der Burg über der Bucht des Conwy schützte vor allzu heftigen Unwettern, und das Klima war für die Gegend angenehm. Besonders für die Königin sollten prachtvolle Gemächer entstehen. Leider hatte Eleonore von Kastilien die Fertigstellung der Innenräume nicht mehr erlebt. Sie starb vor fünf Jahren.
»Der König trauert aufrichtig«, hatte Lavinda gesagt. »Die Ehe galt als besonders glücklich.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, hatte Elian gebrummt. »Könige und Königinnen heiraten aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, nicht aus Liebe.«
»Das schließt nicht aus, dass zwischen dem Paar auch gegenseitige Zuneigung entsteht«, hatte Roisin eingeräumt.
»Mädchen, was weißt du denn von solchen Dingen?«, hatte Lavinda von oben herab gemeint. »Du solltest nicht alles glauben, was die Leute reden.«
Roisin hatte geschwiegen. Eben noch hatte die Stiefmutter gemeint, der König habe Eleonore geliebt. Kaum jedoch sagte sie, Roisin, etwas zu dem Thema, verbot Lavinda ihr den Mund. Egal, was sie tat - der Frau würde sie es wohl nie recht machen können.
Inzwischen verhandelte König Edward mit dem spanischen König Philipp IV. über eine Vermählung mit dessen Schwester. Allerdings drangen nur wenige Informationen über den Stand der Dinge in den Norden von Wales. Tatsache war, dass König Edward angewiesen hatte, den Innenausbau der Burg voranzutreiben, für Roisin das Zeichen, dass England bald eine neue Königin haben würde.
Elian hatte berichtet, dass selbst die kleineren Kammern in den acht nahezu identischen Wehrtürmen mit Ornamenten verziert, die Simse der Kamine nicht schlicht, sondern geschnörkelt gearbeitet und die Deckengewölbe mit Rosetten und kleinen Steinfiguren geschmückt wurden. Vom Baumeister James of St. George war Elian mit den Arbeiten betraut worden. Zufrieden hatte der Vater sich die Hände gerieben. Der Auftrag bedeutete Arbeit, Lohn und Brot für viele weitere Jahre. Elian hatte die Räume, Kammern und Gemächer der Burg nie gezählt, schätzte aber, es mussten mindestens einhundert sein. Während die anderen Steinmetze bei Wind und Wetter an der gigantischen, ringförmigen Stadtmauer arbeiten mussten, konnte Elian in seiner warmen Werkstatt sitzen und in aller Ruhe jede Figur aus dem Stein hauen. Wohl bemerkte Elian die neidvollen Blicke der anderen, aber er ignorierte sie. Er hatte sich die Privilegien durch stetigen Fleiß, absolute Zuverlässigkeit und Können verdient. Einzig, dass Edward sich nach wie vor schwertat, auch nur annähernd die Fertigkeit des Vaters zu zeigen, bereitete ihm Sorge. Der Sohn war aber noch jung. Ebenso wie der Vater glaubte auch Roisin, dass Edward bald erkennen würde, welch wundervolle Tätigkeit und damit gute Zukunftsaussichten sich ihm boten.
Roisin seufzte und hielt mit der Näharbeit inne. Es war an der Zeit, das Abendessen zuzubereiten. Die Speckseite in der Speisekammer war eigentlich für den kommenden Sonntag gedacht gewesen, der Vater hatte aber allen Grund, sich heute ein kräftiges Mahl vorsetzen zu lassen. Roisin würde morgen wieder in die Stadt gehen und versuchen, frisches Fleisch zu einem vernünftigen Preis zu bekommen. Um diese Jahreszeit war Fleisch selten und daher teuer, jedenfalls für die einfachen Bürger und Handwerker, die sich vorrangig von Fisch ernährten. Roisin bezweifelte nicht, dass der königliche Haushalt jeden Tag knusprige Braten auf den Tellern hatte. Ein Krug Bier war noch im Haus. Hoffentlich würde sich der Vater damit zufriedengeben.
Es pochte kräftig und mehrmals hintereinander. Roisin stand auf, hinkte zur Vordertür und öffnete sie. Im strömenden Regen stand ein Junge, kaum älter als acht Jahre und klatschnass.
»Ein Unfall in der Burg«, rief er mit geröteten Wangen. »Ihr müsst kommen.«
Der Junge drehte sich um und wollte davonlaufen. Schnell hielt Roisin ihn am Ärmel fest und fragte: »Was ist passiert?«
»Weiß nichts Genaues, es sind aber wohl welche tot. Ein Mann hat mich geschickt, Euch das zu sagen. Muss weiter zu den anderen.«
Er befreite sich aus Roisins Griff und stob davon.
Roisin ging in die Küche, um ihren Umhang zu holen, da erschien Lavinda auf dem Treppensturz. »Was war das eben für ein Lärm? Nimmt denn hier niemand Rücksicht auf meine Beschwerden?«
»Auf der Baustelle scheint etwas passiert zu sein«, erklärte Roisin. »Man hat einen Jungen geschickt, damit wir kommen.«
»Bei dem Wetter?« Lavindas schüttelte sich. »Beim Fußmarsch zur Burg werde ich mir das Fieber holen. Du weißt doch, wie leidend ich bin, Tochter.«
»Der Junge hat gesagt, es gäbe Tote. Wenn nun was mit Vater -«
»Ach was«, schnitt Lavinda ihr das Wort ab. »Was soll ihm schon passiert sein? Elian wollte nur ein paar Figuren in einem Gemach anbringen. Andere Männer kümmern mich nicht. Aber von mir aus geh und sieh nach.«
Roisin war es ganz recht, dass die Stiefmutter sie nicht begleitete. Sie glaubte zwar nicht, dass dem Vater etwas geschehen war, trotzdem hatte sie ein drückendes Gefühl im Magen. Sie kam nur langsam voran und rutschte immer wieder auf dem von Regen und Schnee durchgeweichten Boden aus. Erst als sie das Stadttor passierte, wurde es besser, denn die Straße, die zur Burg führte, war gepflastert. Bereits aus der Ferne sah sie, dass sich rund um die Burg Dutzende von Frauen und Männern versammelt hatten, viele hielten Fackeln in den Händen. Roisin drängte sich durch die Menschen hindurch.
»Was ist passiert?«, fragte sie einen älteren Mann.
»Es heißt, ein Deckengewölbe sei eingestürzt«, erhielt sie zur Antwort, »und mehrere Männer wurden darunter begraben.«
»Weiß man, wer?«, fragte Roisin, aber der Mann beachtete sie nicht länger und eilte weiter.
Roisin trat durch das große, der Stadt zugewandte Haupttor der Anlage. Auch der Burghof war voller Menschen mit Fackeln. Aus einem der Seitengebäude trugen Männer andere heraus und legten sie nahe einer Mauer zu Boden. Alle waren sie mit Staub und Schmutz bedeckt, hatten blutige Wunden, manche husteten.
Niemand hielt Roisin auf, als sie sich zu den Männern durchdrängte. Im flackernden Lichtschein erkannte sie in einem der Verunglückten Genthin, den jüngsten Sohn ihres direkten Nachbarn, einen Zimmermann. Die Familie hielt zwei Kühe und verdiente sich durch den Verkauf der Milch ein paar Pennys hinzu. Eine klaffende, blutige Stirnwunde entstellte Genthins sonst hübsches Gesicht, seine weit geöffneten Augen waren starr.
»Wo ist Elian?«, rief sie laut, ohne jemand Bestimmtes anzusprechen. »Elian Talwyn, der Steinmetz.«
»Den kenne ich. Er liegt dort drüben.« Ein Mann deutete vage nach rechts und hastete wieder in das Gebäude. Offenbar waren noch nicht alle Opfer geborgen worden.
Roisin fand ihren Vater schnell. Nicht darauf achtend, dass ihr Kittel und Umhang beschmutzt wurden, kniete sie sich neben ihn auf die schlammige Erde. Elians Gesicht war zwar staubbedeckt, aber ohne Blut, und auf den ersten Blick konnte Roisin keine Wunden entdecken. Als sie ihn an der Schulter rüttelte, schlug er die Augen auf.
»Tochter .« Roisin legte ihr Ohr an seinen Mund, um seine Worte verstehen zu können. »Die Decke brach plötzlich in sich zusammen, und Steine fielen herab.«
»Bist du verletzt, Vater? Hast du Schmerzen?«
»Meine Brust .« Elians Atem rasselte unnatürlich. »Und meine Hände .« Er versuchte, sich aufzurichten, stöhnte und sank wieder zu Boden. Speichel trat auf seine Lippen. Erleichtert...
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