Schweitzer Fachinformationen
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Potenziale für qualitative Forschungsmethoden in der Versorgungsforschung
Eine Besonderheit der Versorgungsforschung ist, dass Versorgung neben einem klinischen Feld auch ein politisches, ökonomisches sowie ein gesellschaftliches Feld darstellt - Versorgung ist daher soziales Handeln. Wie kann vor diesem Hintergrund die methodische und theoretische Vielfalt qualitativer Forschung die Versorgungsforschung verändern und ihr Potenzial noch erweitern?
Erst durch offene Forschungsmethoden wird die Einbettung von Versorgung in multiplen Kontexten und Prozessen sichtbar und als Prozess wissenschaftlich fassbar. Auch Kontext und Komplexität von Versorgung können so angemessen erfasst und theoretisiert werden. Diese sind für eine Versorgungswissenschaft von höchster Relevanz. Dieses Lehrbuch setzt sich daher mit ausgewählten Anwendungen qualitativer, offener Forschungsmethoden für die Versorgungsforschung auseinander:
Studierende und Forschende der Gesundheitswissenschaften und Sozialwissenschaften können durch dieses Lehrbuch ihre methodischen Kenntnisse erweitern und Schritt für Schritt nachvollziehen, welchen Beitrag diese Ansätze zur Versorgungsforschung leisten können und so wichtige Impulse zur Antragstellung, Projektdurchführung und Publikation finden
Maren Stamer, Corina Güthlin, Christine Holmberg, Ute Karbach, Thorsten Meyer-Feil und Christiane Patzelt
"Bunt ist meine Lieblingsfarbe"
(Walter Gropius)
Kennzeichnend für qualitative Forschung sind unter anderem eine große Methodenvielfalt, kleine Stichproben und mikrosoziologische Analysen, anhand derer im Detail liegende, gesellschaftsbezogene Unterschiede rekonstruierbar werden (Meyer et al., 2012; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2021).
Die Herausgeber*innen des Lehrbuchs - also wir - sind zugleich die Gründungsmitglieder der Arbeitsgruppe Qualitative Methoden, die sich im Oktober 2008 im Rahmen des 7. Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung konstituiert hat. Inzwischen ist die Arbeitsgruppe Qualitative Methoden deutlich gewachsen, es sind verschiedene Untergruppen - zum Beispiel zu Themen wie Forschungsethik in der Qualitativen Versorgungsforschung und Neue Medien in der Qualitativen Versorgungsforschung - entstanden (Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung, 2023). Wir, die Gründungsmitglieder, arbeiten nach wie vor - inzwischen als Untergruppe - zusammen, und haben in den vergangenen Jahren drei Diskussionspapiere zu qualitativer Versorgungsforschung veröffentlicht (Karbach et al., 2012; Meyer et al., 2012; Stamer et al., 2015). Im Rahmen dieser Publikationsarbeit haben wir die Denk-Freiräume während unserer Arbeitsgruppentreffen umso mehr schätzen gelernt, als uns allen eine zunehmende Arbeitsverdichtung und ein damit u.?a. einhergehender Publikationsdruck im wissenschaftlichen Alltag vertraut war und gegenwärtig ist. Denk-Freiräume im Arbeitsgruppenkontext eröffnen die Möglichkeit zum gemeinsamen, (selbst-)kritischen Denken, letztlich zum dialogischen Denken im Sinne einer reflexiven Weiterentwicklung von Gedanken in der Begegnung mit Anderen (Bloch, 1985, 1963; Dausien, 2019; Gadamer, 1990/1960; Thomssen, 1992) und darüber hinaus auch im gemeinsamen Schreiben. Gemeinsam nach Formulierungen für den zu gestaltenden Text zu suchen, mag sehr zeitaufwendig klingen, der Prozess ermöglicht aber zugleich ein intensives Voneinander- und Miteinander-Lernen in einem kooperativ entwickelten akademischen Kontext. Zugleich stellt dieser Prozess auch eine Würdigung von Detailorientierung im qualitativen Denken dar. Während wir die drei oben genannten Ar16tikel (Karbach et al., 2012; Meyer et al., 2012; Stamer et al., 2015) durchgehend gemeinsam geschrieben haben, ist dieses Vorgehen bei einem Lehrbuch - aufgrund des Umfangs - nicht gänzlich praktikabel. Wohl aber ist jedes Kapitel im Verlauf seines Entstehungsprozesses mehrfach im Rahmen der Herausgeber*innen- und Autor*innenrunde diskutiert und entsprechend weiterentwickelt worden.
Mit diesem Lehrbuch knüpfen wir an die in der Versorgungsforschung seit Längerem bekannte Schwierigkeit an, dass aus dem vorhandenen qualitativen Methodenspektrum - das es gegenstandsangemessen immer weiter zu entwickeln gilt - schwerpunktmäßig nur wenige Methoden, wie zum Beispiel teilstrukturierte Interviews und qualitative Inhaltsanalysen, in Forschungsprojekten zum Einsatz kommen, während von anderen Methoden, wie zum Beispiel Narrationsanalysen oder auch Analysen gemäß der Dokumentarischen Methoden, deutlich seltener auf Kongressen zu hören und in Fachartikeln zur Versorgungsforschung zu lesen ist (Karbach et al., 2012; Ullrich et al., 2022).
Damit einher geht die Problematik, dass Erkenntnisse, die anhand eines diverseren Methodeneinsatzes - und damit verbundener vielfältigerer Forschungs- und Untersuchungsfragen - generiert werden könnten, nicht gewonnen werden und somit zukünftiger Versorgungsforschung und vor allem auch zukünftiger Versorgungsgestaltung nicht zur Verfügung stehen. Wie könnte Versorgung anders gestaltet werden, wenn entsprechende Erkenntnisse bereits vorliegen würden? Und was würde das für die Weiterentwicklung von Methoden im Gebiet der Versorgungswissenschaften bedeuten? Dabei verstehen wir das Lehrbuch zu qualitativer Versorgungsforschung als einen Baustein zur Weiterentwicklung qualitativer Methodenkompetenz, die wiederum eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung qualitativer Versorgungsforschungsprojekte darstellt.
Im Kontext qualitativer Forschung gilt, dass Methoden gegenstandsangemessen ausgewählt, ggf. auch gegenstandsangemessen weiterentwickelt werden (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2021). Dieses schlicht erscheinende Vorgehen setzt jedoch fundierte Einblicke in das vielfältige qualitative Methodenspektrum voraus, um überdacht abwägen zu können, welche Methoden und vor allem auch welche Kombinationen qualitativer Methoden am geeignetsten sind, um die entsprechende Forschungsfrage bzw. Untersuchungsfragestellung beantworten zu können. Vor diesem Hintergrund haben wir uns gegen eine Auflistung einzelner Methoden (z.?B. aller denkbaren qualitativen Erhebungsmethoden, Auswertungsmethoden, Stichprobenbildungsmethoden usw.) und für eine exemplarisch ausgewählte Darstellung unterschiedlicher qualitativer Forschungsdesigns mit entsprechender Bezugnahme auf ebenfalls exemplarisch ausgewählte Themen der Versorgung bzw. Versorgungsforschung entschieden. Ergänzt werden die Forschungsdesigns um Kapitel, die Einblicke geben in das praktische Vorgehen im Rahmen von Auswertungsprozessen. Forschungsdesigns implizieren in diesem Sinne eine zum jeweiligen Gegenstand passende Kombination aus Erhebungs- und Auswertungsmethode(n) sowie deren methodologische Grundlagen, verbunden mit einem Vorgehen der Stichprobenbildung und daran gekoppelter Wege der Suche nach potenziellen Forschungsbeteiligten und einer passgenauen Berücksichtigung von Ethik und Datenschutz.
Nicht alle theoretisch denkbaren und aus der Forschung verwandter Gebiete, wie z.?B. der Soziologie und der Sozialarbeitswissenschaften, bekannten qualitativen Forschungsdesigns kön17nen im Rahmen des Lehrbuchs vorgestellt werden. Das liegt zum einen an den methodischen Kompetenzen und damit auch Grenzen der beteiligten Herausgeber*innen und Autor*innen, zum anderen aber auch an der Entscheidung "weniger ist mehr", verbunden mit dem Anspruch einer intensiven gemeinsamen Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Kapitel im Lehrbuch. Ein Anspruch, der unserer Erfahrung nach nur in einer Runde mit einer begrenzten Anzahl an Autor*innen umsetzbar ist. Bei der Entstehung der Texte orientieren sich die Autor*innen einerseits an gemeinsam verabredeten Eckpunkten, zum Beispiel an einer jeweils ähnlichen Struktur der Darstellung der verschiedenen Forschungsdesigns, anderseits bleibt aber auch der Freiraum für jede*n Autor*in, auf ihre*seine Art und Weise zu schreiben. Das bringt mit sich, dass nicht alles vereinheitlicht ist, zeigt aber zugleich auch die Unterschiedlichkeit der Autor*innen und Herausgeber*innen. Ziel ist, eine Parallelität von Struktur und Vielfalt zum Ausdruck zu bringen.
Nach der Einführung in das Lehrbuch Qualitative Versorgungsforschung, das sich schwerpunktmäßig (aber nicht nur) an Nachwuchswissenschaftler*innen, an Studierende, Dozent*innen und Forscher*innen im Kontext von Versorgungsforschung, Gesundheitswissenschaften und Public Health richtet, folgt eine Einleitung, in der einerseits zentrale Aspekte von Versorgungsforschung und andererseits von qualitativer Forschung entfaltet werden. Dem schließt sich eine Auseinandersetzung mit Schnittmengen von Versorgungsforschung und qualitativer Forschung an. Im Anschluss an die Einleitung werden verschiedene Forschungsdesigns vorgestellt: Gruppendiskussionen und Dokumentarische Methode (Ute Karbach), Narrative...
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