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Mastodon
Das dezentrale Anti-Twitter (X)
Mastodon ist eine freundliche, nichtkommerzielle Alternative zu Twitter (X) und erfindet nebenbei Social Media neu.
Digitale Erfolgsgeschichten beginnen oft im Silicon Valley oder in den großen europäischen Metropolen. Eines der wichtigsten Projekte des nichtkommerziellen Internets jedoch ist im beschaulichen Jena in Thüringen entstanden: Mastodon.
Der Kurznachrichtendienst funktioniert ähnlich wie Twitter (X). Man verfasst kurze Botschaften. Bei Twitter (X) sind es maximal 280, bei Mastodon maximal 500. Man kann anderen Usern folgen, ihre Posts liken, teilen und sich Nachrichten schreiben. Das Logo von Twitter war bis zur Umbenennung zu «X» im Sommer 2023 ein blauer Vogel, das Mastodon-Maskottchen ist ein Mammut. Setzt man Botschaften ab, tweetet («zwitschert») man nicht, sondern «trötet».
Viele einzelne Instanzen
Mastodon ist allerdings nur auf den ersten Blick ein reiner Klon. Der fundamental andere technische Ansatz könnte einige Probleme der zentralisierten Social-Media-Welt lösen. Mastodon setzt auf verteilte Strukturen. Bei Twitter (X), genauso ist es bei Facebook, YouTube, Instagram oder TikTok, legt man sich bei einem Anbieter ein Profil an, der dann über ein digitales Reich von Hunderten Millionen oder gar Milliarden Usern herrscht.
Anders bei Mastodon: Es gibt potenziell unendlich viele Einzelanbieter, die «Instanzen» heißen. Auf allen läuft die von dem Mastodon-Gründer Eugen Rochko entwickelte Software. Rochko selbst betreibt mit Mastodon.social die erste und eine der größten Instanzen mit nach Eigenangaben mehr als 200.000 aktiven Usern. Auch der Chaos Computer Club (chaos.social) und der Verein Digitalcourage (digitalcourage.social) haben eigene Mastodon-Angebote. Es gibt thematisch ausgerichtete Instanzen (wie mastodon.art) und regionale (nrw.social). Die Zahl der monatlichen aktiven User im gesamten Mastodon-Netzwerk schätzt das Projekt im Juli 2023 auf 1,6 Millionen, und es gibt 9100 aktive Instanzen.[1]
Kurz bevor im Oktober 2022 bekannt wurde, dass der Verkauf von Twitter an Musk endgültig abgeschlossen war, rief der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann auf Twitter dazu auf, zu Mastodon zu wechseln: «Es ist die Zukunft! Kommt alle! Es ist free und funktioniert wie Twitter!» Er verlinkte seinen eigenen Account und stellte mit det.social auch gleich eine eigene Instanz vor.
Die meisten Instanzen stehen allen offen. Bei anderen muss man eine Anfrage stellen und zugelassen werden. Und wiederum andere sind für einen festen Kreis reserviert. Social.bund.de, vom Bundesdatenschutzbeauftragten betrieben, kann von allen Bundesbehörden und sonstigen staatlichen Akteuren genutzt werden. Die Bundesregierung trötet dort beispielsweise, das Auswärtige Amt, das Social-Media-Team des Bundestags und der Deutsche Wetterdienst.
Ein Mastodon-Profilname sieht wie eine verunglückte E-Mail-Adresse aus. Er beginnt mit einem @, es folgt das gewählte Pseudonym, ein weiteres @ und der Name der Instanz. @Bundesregierung@social.bund.de heißt beispielsweise der Account der Bundesregierung, der des Mastodon-Gründers Eugen Rochko heißt @Gargron@mastodon.social.
Das E-Mail-Prinzip auf Social Media übertragen
Die verschiedenen Instanzen formen gemeinsam das Mastodon-Netzwerk und können miteinander kommunizieren. Die User von chaos.social oder det.social sehen auch die Tröts anderer Instanzen und können diese liken, kommentieren und teilen.
Das verteilte Prinzip hinter Mastodon ähnelt dem von E-Mails: Man legt sich bei einem frei gewählten Anbieter eine Adresse zu. Damit kann man Usern des gleichen Anbieters Mails schicken, aber auch mit Nutzer*innen aller anderen Mailanbieter kommunizieren.
Das sorgt für eine Verteilung von Daten-Macht. Daten fallen nicht mehr zentral an einer Stelle an, sondern verteilen sich auf die Instanzen. Man kann frei wählen, wem man seine Daten anvertraut. Auch die Regulierungsmacht ballt sich nicht an einer Stelle. Jede Instanz entscheidet autonom, ob und wie sie moderiert. Verteilung bedeutet außerdem, dass die Kosten für den Betrieb der Server und für die Moderation nicht an nur einer Stelle entstehen. Wenn irgendwann einmal Dutzende oder gar Hunderte Millionen Menschen regelmäßig Mastodon nutzen, verteilen sich auch die Lasten auf viele Schultern.
Inhaltliche Selbstregulierung
Als freie Software kann Mastodon von allen für alle Zwecke eingesetzt werden. Auch Rechte nutzen die Technologie. Das lässt sich technisch nicht verhindern. Das von Donald Trump gegründete Truth Social basiert auf Mastodon, ebenso das Onlineportal Gab, das einige US-Medien als «Twitter für Rassisten» bezeichnet haben.
Eine Antwort auf dieses Problem ist eine Art Verfassung, die der Mastodon-Gründer Rochko 2019 geschrieben hat. Das «Mastodon Server Covenant» definiert technische und organisatorische Grundstandards, etwa dass Instanzen täglich Backups erstellen, um Datenverlust zu vermeiden, und dass Dienste, die schließen, dies mindestens drei Monate im Voraus ankündigen müssen. Die erste und wichtigste Regel aber schreibt eine aktive Moderation gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und Transphobie fest.
Viele Instanzen schließen sich diesem Regelwerk an und kappen die Verbindungen zu Instanzen, die Hassbotschaften nicht moderieren oder sie gar explizit befördern. Deren Inhalte kursieren dann zwar im Internet, tauchen aber nicht im großen, gemeinsamen Netzwerk der Mastodon-Instanzen auf. Dass alle Instanzen miteinander kommunizieren, ist Standard, aber kein Muss. Instanzen können auch nur ausgewählte Verbindungen pflegen oder sich sogar komplett abkapseln.
Eine Antwort auf Elon Musk
Gegründet wurde Mastodon von Eugen Rochko, einem öffentlichkeitsscheuen Informatikstudenten. Kurz nach seinem Studienabschluss an der Uni Jena hat er begonnen, an dem Projekt zu arbeiten. 2016 war Mastodon fertig - und lange Zeit ein in der IT-Szene geachtetes Nischenprojekt. Seine plötzlich gestiegene Bekanntheit im Jahr 2022 hat Mastodon Elon Musk zu verdanken. Der politisch unberechenbare Multimilliardär, der die Bekämpfung von Hassrede für Zensur hält, hatte Twitter für 44 Milliarden US-Dollar gekauft. Das wirkte ein bisschen so, als hätte sich ein großer Junge ein neues Spielzeug zugelegt, mit dem er machen kann, was er will, und genau das auch vorhat.
In Mastodon sahen viele verunsicherte Nutzer*innen des kommerziellen, zentralisierten Kurznachrichtendiensts eine Antwort. Es begann ein langsamer Abwanderungsprozess.
Die Twitter/X-Alternative sitzt mittlerweile nicht mehr im thüringischen Jena, sondern ist jetzt doch in einer der großen europäischen Tech-Metropolen ansässig. Seit 2021 entwickelt Rochko die Mastodon-Software über die in Berlin sitzende gemeinnützige Firma Mastodon gGmbH, die zu 100 Prozent in seinem Besitz ist. Das Projekt arbeitet mit bescheidenen Mitteln. Die gGmbH lebt von Spenden und Sponsorengeldern von Firmen. Spendet man monatlich 500 US-Dollar, erscheint man mit einem Logo und einem Link auf der Startseite von Joinmastodon.org. Für 200 US-Dollar bekommt man einen Platz auf der Sponsor*innen-Unterseite. Und Mastodon hat öffentliche Fördergelder erhalten, über den deutschen Prototype Fund und das Programm Next Generation Internet der EU.
Laut Jahresbericht für die zweite Hälfte 2021 (das Unternehmen wurde erst im Juni des Jahres gegründet), hat die Mastodon gGmbH 55.000 Euro an Spenden und Sponsorengeldern eingenommen. Rochko gibt an, dass er sich ein Monatsgehalt von überschaubaren 2400 Euro ausgezahlt hat.[2] Auf der Team-Seite listet das Projekt im Juli 2023 (inklusive Gründer) elf Personen ...
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