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Kapitel 7
Um 18.45 Uhr, gerade als die Beatles I feel fine zum Besten gaben, unterbrach Radio Bremen seine Sendung »Musikwünsche« mit einer Sondermeldung:
»Wie wir soeben erfahren, ist der Bremer Senator für Inneres, Stefan Leisewitz, bei der Eröffnungsveranstaltung des Bremer Freimarktes im Bayernzelt kollabiert und konnte trotz sofort eingeleiteter Erstversorgung nicht reanimiert werden. Leisewitz, der sich erst seit wenigen Monaten im Amt befand, gehörte zur Wählervereinigung >Wir Hanseaten<, die nach der letzten Wahl völlig überraschend in die Bremische Bürgerschaft eingezogen war und bei der Regierungsbildung das Zünglein an der Waage spielte. Er hatte das Amt von seinem politischen Weggefährten Dietmar Bommelkamp übernommen, der es auf Druck der beiden Koalitionspartner abgeben musste.
Vor Ort ist unser Kollege Lutz Möhlenstedt. Hallo Lutz, was können Sie uns berichten?«
»Ja, wir sind hier auf der Bürgerweide und zwar im Bayernzelt. Hier spielt man gerade das Kufsteinlied. Während in einem mit Flatterband abgesperrten Bereich etliche Kriminalbeamte damit befasst sind, nach Erklärungen für den plötzlichen Tod des Innensenators zu forschen, arbeitet die Festzeltbesatzung offenbar mit einer >Happy Hour< an der möglichst raschen Wiederherstellung von Normalität.
Wir wissen bislang nur wenig - ich kann aber bestätigen, dass Bremen in der Tat seit heute Abend keinen Innensenator mehr hat. Von Stefan Leisewitz wurde gegen 18 Uhr der Freimarkt mit einer kurzen Rede eröffnet. Dabei soll er bereits unkonzentriert und recht angegriffen gewirkt und den Freimarkt mit dem Oktoberfest verwechselt haben. Auch das obligatorische Anzapfen des ersten Bierfasses misslang ihm. Wenig später ist er wohl an seinem Tisch zusammengebrochen.«
»Können Sie uns etwas über die genaue Todesursache sagen?«
»Nein, aber hinter vorgehaltener Hand wird hier jedoch die Information verbreitet, dass es sich nicht um eine natürliche Todesursache gehandelt haben soll. Näheres erfahren wir in einer für 19.30 Uhr angesetzten Pressekonferenz. Fest steht nur, dass es unmittelbar nach dem Tod des Senators turbulente Szenen gegeben hat. Dabei soll es auch zu Übergriffen gegenüber Journalisten gekommen sein. Hier aber geht das Volksfest weiter (Lorenz Möhlenstedt versuchte, sich gegen den anschwellenden Musikpegel durchzusetzen, was seinem Bericht etwas Dramatisches, aber zugleich auch Unwirkliches gab.) und man darf sicher gespannt sein, welche Folgen der Tod des Senators für den Freimarkt, aber auch für die politische Landschaft in Bremen haben wird. Wir halten Sie jedenfalls auf dem Laufenden.«
Die Moderatorin im Funkhaus dankte ihrem Kollegen und setzte das Programm fort. Dabei war ihr etwas unbehaglich zumute, denn die Musik in ihrem Programm wollte nicht so recht zum Ableben eines Regierungsmitgliedes des kleinsten Bundeslandes passen. Gleichzeitig bastelten die Kollegen der Nachrichtenredaktion an einem Lebenslauf des Verstorbenen.
Normalerweise lag für jede Person des öffentlichen Lebens ein entsprechender Text parat und konnte im Fall der Fälle ohne Zeitverzug verwendet werden. Bei Stefan Leisewitz war dies jedoch anders - niemand hatte ihn als Mitglied einer spontanen Wählergemeinschaft ernsthaft wahrgenommen, zudem befand er sich in einem Alter, in dem sich kein plötzliches Ableben erwarten ließ. Diese Faktoren sorgten gemeinsam dafür, dass für dieses Regierungsmitglied kein nachruffähiges Material zur Verfügung stand.
Da sich die kurzfristig einzuberufene Pressekonferenz verzögerte, beschränkte sich die ARD in der Tagesschau zunächst auf eine kurze Meldung. Doch noch vor Beginn der »Tagesthemen« um 22.30 Uhr lief im unteren Drittel des Bildschirms eine aktuelle Meldung, die von den Geschehnissen des übrigen Fernsehprogramms ablenkte:
Mordanschlag auf Bremer Innensenator bei Eröffnung des Freimarktes. Mehr in den Tagesthemen um 22.30 Uhr.
Kriminalrat Strelitz und sein Team waren in den sofort eingerichteten Krisenstab berufen worden, den Polizeipräsidenten Schröter umgehend eingerichtet hatte.
Bis zur Pressekonferenz, an der im Rathaus auch Bürgermeister Wolfgang Sprottenbach, der Vorsitzende der Wählervereinigung »Wir Hanseaten«, sowie der Sprecher des Schaustellerverbandes, Ronald Pachulke, teilnehmen sollten, versuchte man, organisatorische Fragen in den Griff zu bekommen. So wurde im Zimmer des Bürgermeisters mit großer Leidenschaft darüber diskutiert, ob der Freimarkt abgebrochen werden solle oder zumindest ein Ruhetag in Erwägung zu ziehen sei.
Ronald Pachulke argumentierte sofort dagegen: »Für unsere Mitglieder gehörte der Freimarkt zur einnahmestärksten Zeit des Jahres. Jeder Tag zählt am Ende in der Bilanz.«
Der Bürgermeister machte moralische Bedenken geltend. »Mein Herren, man kann angesichts eines solchen Vorfalls nicht einfach zur Tagesordnung übergehen«, appellierte er an den Schaustellerboss.
»Für unsere Mitglieder ist das eine Existenzfrage«, beharrte Pachulke. »Und außerdem möchte Bremen zum Abschluss des Volksfestes doch wohl für siebzehn Tage Standgebühr einnehmen - oder? Von der anteiligen Übernahme der Stromkosten will ich hier erst gar nicht sprechen!«
Bevor der Bürgermeister etwas entgegnen konnte, erinnerte der Sprecher der Schausteller zusätzlich an das von seinem Verband alljährlich gesponserte Feuerwerk, auf das doch mit Sicherheit niemand verzichten wolle.
Der verbale Schlagabtausch bewegte sich weiter auf dem schmalen Grat zwischen ethischen Bedenken und wirtschaftlichen Erwägungen. Es war schließlich der Bürgermeister, der einen von allen akzeptierten Kompromiss vorschlug: Am kommenden Montag, für den ohnehin Dauerregen vorhergesagt war, solle der Freimarkt geschlossen bleiben. Gleichzeitig entfalle das Feuerwerk.
Ronald Pachulke willigte ein. Dem alten Fuchs war klar, dass in irgendeiner Weise auf den Tod des Innensenators reagiert werden musste, und er war bei weitem nicht so abgebrüht, als dass er den Hardliner spielen konnte. Im Gegenteil, er wusste um die Bereitschaft der Schausteller, Spielraum für soziales Gedankengut einzuräumen, und war daher auch zuversichtlich, für den mit dem Bürgermeister ausgehandelten Kompromiss genügend Akzeptanz in den eigenen Reihen zu finden.
Bürgermeister Sprottenbach bedankte sich mit Handschlag bei ihm und schaute auf seine Armbanduhr. »So, nun wäre es schön, wenn uns die Gerichtsmedizin noch vor der Pressekonferenz ein erstes, vorläufiges Untersuchungsergebnis signalisieren könnte.«
Polizeipräsident Siegmund Schröter war versucht, darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen Wahlabend handele, bei dem man um diese Uhrzeit schon über die ersten Hochrechnungen diskutieren konnte. Aber ein Blick in das angespannte Gesicht des Bürgermeisters ließ ihn schweigen.
Stattdessen zögerte man den Beginn der Pressekonferenz noch über eine halbe Stunde hinaus. Bedienstete des Rathauses reichten den Journalisten kannenweise Kaffee.
Während dessen huschte ein Mitarbeiter aus dem Stab des Bürgermeisters in dessen Büro und reichte dem Regierungschef ein Fax. Dieser las es mit gerunzelter Stirn, erblasste und reichte es an den Polizeipräsidenten weiter.
Eine Viertelstunde später betraten sie den Raum, der im Rathaus für größere Pressekonferenzen genutzt wurde. Hier hatte bereits eine große Schar von Medienvertretern Position bezogen.
»Meine Damen und Herren«, ergriff Bürgermeister Sprottenbach mit belegter Stimme das Wort, »wir haben Sie heute aus einem ungewöhnlichen wie traurigen Anlass ins Rathaus gebeten. Wie Sie sicher bereits wissen - und einige von Ihnen werden sogar dabei gewesen sein - haben wir heute unseren Senatskollegen Stefan Leisewitz verloren. Ich darf an dieser Stelle sagen, dass wir alle tief betroffen sind und mit seiner Familie trauern. Unser Polizeipräsident wird Sie jetzt über die Hintergründe informieren, soweit dies zu diesem Zeitpunkt schon möglich ist. Bitte, Herr Schröter.«
Ein Blitzlichthagel folgte und der Polizeipräsident schaute über den Rand seiner Lesebrille in die Runde, mit dem Ergebnis, dass er im Anschluss frei sprechen musste, da er direkt in die Blitzlichter gesehen hatte und das vor ihm liegende Fax nicht mehr ablesen konnte.
»Meine Damen und Herren, der Sachverhalt stellt sich in aller Kürze wie folgt dar: Der Innensenator eröffnete gegen 18 Uhr mit einer kurzen Rede den Freimarkt und nahm danach an seinem Tisch Platz. Unmittelbar darauf kollabierte er und konnte trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen nicht reanimiert werden.
Der Notarzt hielt es für richtig, den Leichnam in die Gerichtsmedizin zu überführen. Von dort haben wir soeben ein erstes vorläufiges Ergebnis erhalten. Demnach ist davon auszugehen, dass Innensenator Leisewitz einem Giftanschlag zum Opfer gefallen ist.«
Man hätte die berühmte Stecknadel hören können, wenn sie denn jemand hätte fallen lassen. Stattdessen kamen erneut die Blitzlichter zum Einsatz - ganz so, als habe der Polizeipräsident während des kurzen Vortrages sein Aussehen verändert.
Nun kamen die Medienvertreter zu Wort: intelligente und weniger kluge, sachliche und sensationsgierige Fragen zerrten an den Nerven der Podiumsmitglieder. Insbesondere Ronald Pachulke, der im Umgang mit Öffentlichkeitsarbeit noch unerfahren war, litt für alle Anwesenden deutlich erkennbar.
»Denken Sie, dass der Freimarkt jetzt abgebrochen werden sollte?«, fragte ein Boulevardjournalist, der aufgestanden war...
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