Schweitzer Fachinformationen
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Gipfelaufbau des Cerro Torre, von Osten gesehen (RM)
»Der Torre erhebt sich als eindrucksvolle Felsnadel, auf der ein Eispilz sitzt. Seine Granitwände fallen vertikal auf die Gletscherflächen an seinem Fuß.«
Padre de Agostini
»Das Problem einer Besteigung gibt es am Cerro Torre nicht . Allein der Gedanke an einen Versuch wäre irre. Lächerlich.«
Marc Antonini Azéma (Expeditionsarzt am Fitz Roy 1952)
»Die unmenschlichen atmosphärischen Verhältnisse haben viele Expeditionen hier erschöpft und entmutigt, bevor noch der eigentliche Kampf aufgenommen worden war.«
Lionel Terray
»Terrays Urteil begründete den Mythos Cerro Torre.«
Reinhold Messner
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfährt auch das Bergsteigen eine Erneuerung. Die erfolgreichsten Alpinisten der Zwischenkriegszeit - Riccardo Cassin und Anderl Heckmair - sind zwar noch aktiv, junge Kletterer aber übernehmen die Führung im Alpinismus: In Italien sind es Walter Bonatti und Cesare Maestri; in England Joe Brown und Don Whillans; in Österreich Hermann Buhl und Toni Egger; in Frankreich Jean Couzy und Gaston Rébuffat, vor allem aber die Seilschaft Louis Lachenal und Lionel Terray, denen die zweite Begehung der Eiger-Nordwand gelingt, damals die größte Herausforderung im alpinen Bergsteigen.
Diese französischen Bergsteiger, viele von ihnen in der Résistance zu mutigen Könnern herangereift, sind es jetzt, die den Alpinismus bestimmen. Unter der Führung von Maurice Herzog gelingt ihnen nicht nur die Erstbesteigung des ersten Achttausenders, der Annapurna im zentralen Himalaja, auch in den Alpen und in den Anden wachsen sie über ihre Vorgänger hinaus.
Lionel Terray, ein sympathischer Haudegen aus Grenoble, ist und bleibt einer der ganz großen Bergsteiger seines Jahrhunderts. Bergführer in Chamonix und immerzu aktiv, gilt er als stark und risikofreudig. Er und Lachenal bilden ein einzigartiges Team, die beste französische Seilschaft der Nachkriegszeit. An der Annapurna stecken sie in einer Falle. Es ist zuletzt Terray, der nach dem Gipfelgang von Herzog und Lachenal, die irre geworden sind, die Situation rettet. Obwohl alles zum Verzweifeln ist, rennt Terray, dieser Kraftmensch, ein Naturereignis, in die Nebel hinein, bricht nieder und steht verstört wieder auf. Er tobt wie ein Rasender. Als wolle er die Mauern des Gefängnisses einreißen, in dem die Freunde stecken. Er gestikuliert mit dem Pickel. Wie ein Blinder im Nebel. In einer solchen Situation aber ist auch er machtlos, ohne Plan, wie lahm. Der kranke Lachenal schilt Terray einen Narren und hockt sich auf den Schnee. Der Lästerer aber ist noch weniger bei Verstand als der Helfer. Lachenal will ein Loch in den Schnee graben und besseres Wetter abwarten. Immerfort beschimpft er Terray und die anderen als Versager. Plötzlich packt Terray Lachenal, schleppt ihn hinter sich her. Rücksichtslos! Seine Kräfte und sein Wille sind wie ein Wutausbruch. Er hält den Kranken am Seil, redet einmal beruhigend, dann befehlend auf ihn ein. Wie auf ein krankes Tier. Und Lachenal folgt. Als wäre er gezwungen zu tun, was Terray sagt, trottet er hinter ihm her. So rettet Terray seinem Freund das Leben.
Lionel Terray, der mit Louis Lachenal 1947 also die zweite Begehung der Eiger-Nordwand gemeistert hat und danach mit der Erstbesteigung des Fitz Roy in Patagonien und des Makalu im Himalaja als Alpinist Weltruf erlangen sollte, äußerte sich später niemals angeberisch über seine Heldentaten. Er war ein feiner Charakter und genau mit seinem Urteil. Seine Aussage - »Kein einziger Aufstieg in den Alpen hat uns je so viele Schwierigkeiten entgegengestellt wie der Fitz Roy.« - hat also Gewicht. Wie auch manch andere damals haben er und seine Kameraden 1950 an der Annapurna und zuvor am Dhaulagiri Akrobatenstücke fertiggebracht. Der Fitz Roy aber hat Terray 1952 beinahe umgebracht. Die letzte heldische Periode des Bergsteigens hatte gerade erst begonnen.
Von René Ferlet angeregt, organisieren Pariser Freunde von Lionel Terray 1952 eine Expedition zum Fitz Roy in den Anden Patagoniens. Dieses »Matterhorn der südlichen Hemisphäre«, eine einzigartige Granitspitze, ist zwar nur 3450 Meter hoch, aber ein verführerisches Ziel. Keiner Expedition war es bis dahin gelungen, auch nur über den Sockel des Berges hinauszukommen. Darüber baut sich senkrecht der Gipfelturm auf. Seine Wände, in ihrer geringsten Höhe etwa 750 Meter hoch, sind schwieriger als die damals härtesten Klettereien in den Alpen. Die Schwierigkeiten am Fitz Roy aber werden durch das Klima Patagoniens noch potenziert: schlechtes Wetter; Kälte; Wassereis, das die Wand überzieht; jähe und unerhört heftige Sturmstöße. Das alles macht den Fitz Roy zu einem der schwierigsten Berge der Welt. Vielleicht ist er unmöglich. 1952!
Dieser Fitz Roy, das Urbild eines Gipfels, wird für Terray rasch zu einer Herausforderung. Ein solches Ziel gibt es weder in den Alpen noch im Himalaja, und Terrays Alpinismus, den er als eine Art Kunst versteht, ist experimentell. Eine Reise nach Patagonien aber ist teuer. Terray legt den größten Teil seiner Ersparnisse in die gemeinsame Expeditionskasse. Ein Gast bittet, sich der Expedition anschließen zu dürfen, und verspricht, die fehlende Summe aufzubringen.
Trotzdem müssen zuletzt Schulden gemacht werden, um die Reise zu sichern. In Argentinien angekommen, erleben die Franzosen eine Liebenswürdigkeit und ein Entgegenkommen ohnegleichen. Selbst der Diktator Juan Perón empfängt sie und hilft weiter. Trotzdem gerät die Expedition bald in Bedrängnis. Beim Überqueren eines angeschwollenen Wildbachs ertrinkt Jacques Poincenot, ein hervorragender Kletterer. Sein jähes Ende verwirrt die Männer. Die Bergsteiger verlieren ihr Selbstvertrauen, und einige von ihnen wollen abziehen, zurück in die Zivilisation. Nach langer Beratung wird die Expedition fortgesetzt. Eile ist geboten: Jeder verlorene Tag kann den Erfolg kosten.
Jetzt aber behindern Schneefälle und Stürme das Vorankommen. Drei Wochen lang kämpfen Terray und seine Freunde gegen widrigste Wetterbedingungen: Höhlen werden ins Gletschereis gehauen; die Spur, die die Lager verbindet, muss jeden Tag neu getreten werden. Es herrschen abscheuliche Bedingungen. Dennoch sind in zwanzig Tagen drei Lager eingerichtet und mit Lebensmitteln versorgt. Die Strecke vom Lager II zum Lager III ist auf einer Länge von 300 Höhenmetern mit fixen Seilen und Strickleitern abgesichert. Die Bergsteiger aber müssen alle Lasten selbst tragen, in Patagonien gibt es keine Sherpas. Fast eine Tonne Material wird nach oben gebracht. Lionel Terray und Guido Magnone aus Paris, der zweite energiegeladene Kletterer im Team, hocken dabei fünf Tage lang im Sturm fest. Der Brennspiritus für die Kocher droht auszugehen. Während einer Aufhellung gelingt ihnen die Flucht ins Basislager.
Dann klart es auf, der Himmel strahlt, das Wetter ist prächtig. Noch am selben Tag steigen die beiden Spitzenkletterer wieder auf bis ins Lager III. Anderntags, in der Morgendämmerung, ist der Himmel trüb, die Kälte beißend. Sie wagen trotzdem einen Versuch: Die Kletterei ist von Anfang an äußerst schwierig; Felshaken setzend und in freier Kletterei schaffen sie 120 der 750 Meter hohen Wand. Am Abend kehren sie zum Lager zurück, lassen die fixen Seile aber hängen, um sich so den neuerlichen Aufstieg zu erleichtern. Am Morgen des nächsten Tages völlige Windstille, kein Wölkchen am Himmel. Jetzt gilt es! Terray und Magnone klettern schnell, lassen viele Felshaken stecken. In abwechselnder Führung kommen sie höher. Von jedem Standplatz kann Terray auf den kleineren Nachbarn des Cerro Fitz Roy, den Cerro Torre, hinabsehen, der noch viel schwieriger aussieht als ihr Berg. Sicher viel schwieriger zu besteigen, denkt Terray, vielleicht sogar unmöglich! Wie der Fitz Roy auch? Die Wand über ihm macht Terray Angst. Sie klettern dennoch weiter. Bei Einbruch der Dunkelheit haben sie knapp die Hälfte der Wand hinter sich. Sie biwakieren auf einem schrägen Band. Am folgenden Tag aber klebt Wassereis auf dem Fels. Zurück? Nein, sie versuchen, mit Steigeisen zu klettern. Die Aktion ist riskant.
Terray verliert den Mut, will absteigen. Magnones Entschlossenheit aber, der Einsatz des Kameraden macht auch ihn stolz. Schließlich ist er ebenfalls bereit, das Wagnis einzugehen. Sie klettern also weiter. Der Vorrat an Felshaken ist bald erschöpft, und sie müssen sich mit Tricks weiterhelfen. Als sie den Gipfel erreichen, ist es vier Uhr nachmittags: Wind, Nebel, wenig Sicht. Es beginnt zu schneien. Der Abstieg wird zur Verzweiflungstat. Zum Sturm kommen die Angst, vereister Fels, Schneerutsche. Trotzdem wagen sie sich weiter in den Abgrund. Die fixen Seile retten zuletzt Magnones und Terrays Flucht. Bis in die Arme ihrer Freunde.
Die Erstbesteigung des Fitz Roy wird anschließend nicht nur von der argentinischen Regierung gewürdigt, sie löst weltweite Begeisterung aus. Und die Frage kommt auf, ob der kleinere Nachbar des Fitz Roy, der Cerro Torre, je bestiegen werden kann.
»Wir sahen den Cerro Torre - eine frei stehende, fast unwirkliche Riesensäule«, schreibt Lionel Terray 1952 im Bericht über seine Fitz-Roy-Expedition. Er schreibt auch von wilden Flüssen beim Anmarsch, über sintflutartige Regenfälle und metertiefen Schnee. Er beschreibt die Wühlarbeit, die Voraussetzung war, um überhaupt an den Fuß des Berges zu gelangen. Er schreibt über eisige Stürme, die es unmöglich machten, Zelte aufzustellen, sodass man in Schneehöhlen hausen musste. »Eines wissen wir genau«, schreibt Terray zuletzt, »wenn eine Seilschaft mitten in der Wand...
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