Schweitzer Fachinformationen
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Tod ohne Todfeind
1 Mit der Fram nach Osten
2 Zum nördlichsten Punkt der Alten Welt
3 Im höchsten Norden
4 Mit den letzten Hunden nach Süden
5 Eine lange Winternacht
6 Ein neues Leben
7 Wettlauf zum Nordpol
8 Wettlauf zum Südpol
9 Unsere Schlittenreise
10 Gefesseltes Leben
Die Parabel der Auflösung
Fridtjof Nansen: Wissenschaftler, Polfahrer, Schriftsteller, Nobelpreisträger. Der große Pionier der Arktisforschung
»Nansen war in seinem Denken über die Arktis und durch sein Verhalten dort seiner Zeit weit voraus.«
Børge Ousland
»Herrn Doktor Fridtjof Nansen, Lysaker!
Wie Sie mir gestatteten, als ich die Ehre hatte, Ihnen am 28. des vorigen Monats auf Ihrem Heimweg zu begegnen, erlaube ich mir hiermit, meinen Antrag auf Aufnahme unter die Teilnehmer Ihrer bevorstehenden Expedition zu übersenden.«
Hjalmar Johansen
»Ich verfüge über einen kräftigen Körperbau, bin als guter Skiläufer bekannt und gelte als praktisch veranlagt. Ich glaube, Ihnen sowohl als Landvermesser als auch als Jäger gute Dienste leisten zu können.«
»Hjalmar Johansen sollte dank seiner praktischen Fähigkeiten vom Heizer bald zum Assistenten und dann zu Nansens Polbegleiter aufsteigen.«
Reinhold Messner
»Sie wollen, dass ich mir Bedenkzeit nehme? Doch meine Meinung wird sich nicht ändern.«
»Wenn Sie ernsthaft über alle Möglichkeiten, denen Sie sich aussetzen, nachgedacht haben, darüber, dass vielleicht keiner von uns je wieder einen Menschen sieht . fordere ich von Ihnen keine Bedenkzeit.«
Fridtjof Nansen
Der kleine Militärrevolver, den ich, Hjalmar Johansen, vor der Abreise vom Vorschuss meiner Heuer - 240 Kronen! - kaufe, ist vermutlich das Letzte, was ich brauche. Aber man kann nie wissen. Sorgfältig lege ich ihn und ein paar Patronen dazu in die kleine Schiffskiste, die ich eigens habe anfertigen lassen. Irgendwo muss ja auch ein Heizer seine privaten Dinge - Tagebuch, ein Foto der Liebsten, Briefe - aufbewahren.
Am 24. Juni 1893, einem trüben Tag, ist es so weit: In der Bucht von Piperviken werden die Anker gelichtet, und die Reise ins Eismeer beginnt. Fridtjof Nansen steht auf der Brücke und kann im Fernglas Eva, seine geliebte Frau, sehen. Ich bin nur für diesen kurzen Moment oben und schaufle dann wieder Kohlen. Der Kessel der Fram muss unter Dampf gehalten werden. »Halt!« Im allerletzten Augenblick zögert der Chef, es fehlt etwas: Eis? Eis für die Küche? Oder ist Nansens »Halt!« nur eine Ausrede? Hat ihn die Sehnsucht gepackt? »Eis bekommen wir später umsonst und genug«, meint der Koch. Das Warten ist also vergeblich, wie Nansens trauriger Blick auch, und wir reisen ohne . ab: ohne Eis und ohne Trost.
Ruhig und majestätisch gleitet die Fram durch den Fjord von Kristiania. Ihre Maschine arbeitet hervorragend, was mir eine Art Trost ist. Musik und Hurrarufe sind zu hören. Von einem Schwarm Dampfern und Segelbooten flankiert, geht es volle Kraft nach Norden. In vier Stunden legen wir 37 Kilometer zurück, und in Horten, dem Haupthafen der norwegischen Marine, nimmt unser Schiff Pulver und Kanonen auf. Zum Salutschießen! In Raekvik dann kommen die Großboote an Bord.
Seit Frühling 1893 sind wir, die zwölf Teilnehmer der Nansen-Expedition, ein Team. In Kristiania waren wir zuerst noch Fremde, bald aber wurden wir eine Mannschaft, die »Fram-Leute« genannt. Es ist der Glaube an den Erfolg unserer Mission, der uns verbindet. Auch wenn die Meinungen über die Dauer der Expedition auseinandergehen, untergehen werden wir nicht. Wir können auch nicht verhungern. Proviant und Brennstoff reichen für fünf Jahre.
Es ist schon erstaunlich, wie viel in dieses Schiff hineingeht: Im unteren Raum, zu beiden Seiten der Maschine, auch im Zwischendeck sowie an Deck sind Kohle und schwere Eisentonnen mit Teeröl gelagert. Im Großraum befindet sich der meiste Proviant. Die Hohlräume zwischen den Kisten sind mit Holzkloben ausgefüllt, die unsere Fram bei Eispressungen stützen sollen. Nansen wollte den gesamten Raum genutzt sehen. Sogar ein Windrad zur Stromgewinnung gibt es an Deck, und das ganze Schiff ist bestens isoliert. Uns allen ist klar, welche Bedeutung die erstklassige Ausrüstung hat: Niemand soll sich Sorgen machen.
In den Jahren der Vorbereitung stand dem Expeditionsleiter Nansen Kapitän Sverdrup zur Seite. Sowohl beim Schiffbau als auch bei der Wahl des Proviants. Dieser ruhige Mann geht nun an Bord umher: Meist ist er still. Aber er sieht alles und richtet umso mehr aus. Er will nur unser Bestes.
Ich weiß, Kapitän De Long hat eine ähnliche Reise gewagt wie die unsere und ist untergegangen. Sein Schiff, eine Schönheit, hieß Jeannette und kam aus Amerika. Sie segelten damals durch die Beringstraße, durchquerten auf dem Weg nach Norden die Sibirische See und gerieten dort ins Packeis. Zwei Winter später sank die Jeannette mit eingedrückten Bordwänden. Kapitän De Long stand mit seiner Mannschaft zuerst nur stumm da. Sie marschierten dann über das Eis zurück, südwärts, immer südwärts, der rettenden Küste Sibiriens zu. Am Ufer der Lena aber war nichts: Das größte Stück Leere, das man sich vorstellen kann. Das verschneite Land erschien weiter als der freie Himmel darüber, und bald gab es nichts mehr zu essen. Die unbegrenzte leblose Tundra vor sich, taumelte De Longs Mannschaft zwischen Hoffnung und Verzweiflung dahin, fast alle starben.
Ich habe mich trotzdem für die Fram-Expedition beworben. Dreimal sogar. Zuerst schriftlich, dann in einem kurzen Gespräch mit Nansen - er trug einen Bart, ich sah in diese stahlblauen Augen! - und nochmals schriftlich: Als Proviantverwalter und Heizer bot ich mich an. Alles war ich bereit zu tun! Wenn ich nur mitkommen könne. Als ich mich endlich vorstellen soll, bin ich genommen. Ich bin dabei! Als Letzter zwar, aber nicht als Ersatzmann. Und ich bin glücklich, nur glücklich! Als habe ich meine Bestimmung gefunden. Mein dumpfes Gefühl der Untauglichkeit, seit damals ist es weg. Ich bin als Heizer auf der Fram! Auf meinem Posten! Ich bin bereit, alle geforderten Dienste zu leisten.
26 Jahre bin ich jetzt alt. Von kräftigem Körperbau, als guter Skiläufer und Turner auch praktisch veranlagt, glaube ich im Notfall auch als Jäger, Hundeschlittenführer oder Messgehilfe Nansen nützlich sein zu können. Ich kann alles lernen.
Beim ersten starken Seegang sind bei einigen von uns Symptome der Seekrankheit zu beobachten, ich aber bleibe gesund. Die Stimmung an Bord ist bald wieder gut, die anderen Männer sind lebhaft und alle auf ihren Posten. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten musiziert Nansen manchmal, allenthalben ist Zuversicht zu spüren. Nur der Koch schimpft: »Gott steh mir bei«, klagt er, »der Kaffee reicht nicht länger als bis Tromsø!«
Während der Reise entlang der nördlichen Küste Norwegens wohne ich meist im Grand Hotel, einem der beiden Großboote, die wir mithilfe von Rentierfellen und Schlafsäcken zu gemütlichen Schlafplätzen umfunktioniert haben.
Überall, wo die Fram hinkommt, zeigen die Menschen großes Interesse an unserer Expedition. Nur einmal, in Bergen, fragt mich ein Schiffer nach unseren Plänen:
»Woher?«
»Kristiania«, ist die Antwort.
»Und die Last?«
»Essen und Kohlen.«
»Wofür?«
»Forschungsreise.«
»Wohin?«
»Ins Eismeer, zum Nordpol.«
»Wozu?«
Keiner von uns gibt eine Antwort.
In Tromsø hagelt und schneit es. In Vardø, dem letzten Ort, den wir anlaufen, wird uns zu Ehren sogar ein Fest gegeben. Am 21. Juli, um vier Uhr morgens, verlassen wir Norwegen. Verstohlen klettere ich in den Ausguck. Vielleicht nur, weil ich nicht weiß, ob oder wann ich mein Vaterland wiedersehen werde.
Drei Tage später wird der Geburtstag von Scott-Hansen gefeiert. Mit Marmelade zum Frühstück, Tischreden zu Mittag und ausgewählten Gerichten am Abend. Seine Hündin Kvis, der Liebling aller an Bord, feiert mit und verspeist alles, was sie erwischen kann.
Manchmal frage ich mich, was Nansen mit seiner Expedition eigentlich will. Die Engländer sagen doch, sein Plan sei der reine Wahnsinn: das Schiff einfrieren lassen und mit dem Packeis über den arktischen Ozean treiben sehen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ihm das genug ist. »Was will der Chef wirklich?«, frage ich in die kleine Runde, als er draußen bei seinen Messungen ist.
»Wissenschaft«, sagen die einen.
»Und die Schlittenhunde an Bord?«, fragt einer.
»Die gehören in der Arktis dazu.«
»Aber sie leiden doch nur.«
»Vielleicht leidet Nansen noch mehr.«
»Woran?«
»An Fernweh, ein unerträglicher Gedanke, dass noch niemand am Nordpol war.«
»Unerträglich?«
»Ja, für einen, der seine Chance sieht.«
»Die Möglichkeit muss ihn doch freuen«, meine ich.
»Seine Lieblingsvorstellung könnte es wirklich sein, dass der Nordpol mit dieser Expedition entdeckt wird.«
»Am Nordpol gibt es nichts zu entdecken«, sagt einer der Skeptiker.
»Das ist auch meine Meinung.«
»Der Nordpol ist nur eine Vorstellung, eine Erfindung von uns.«
»Nansen aber genügt die Vorstellung nicht!«
»Für ihn bleibt es eine persönliche Blamage, dass der Pol nicht erreicht ist?«
»Deshalb also gilt es, ihn endlich zu finden.«
»Und noch etwas, wir Norweger, denen der Norden ja gehört, dürfen uns den Pol nicht nehmen lassen.«
»Als ginge es dabei um Land.«
»Was sonst?«
»Ja, Raum, seit der Entdeckung Amerikas muss der Nordpol nicht nur als...
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