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Als die fanfarenartige Musik verstummte, presste Corrie Nielsen die Fäuste zusammen. Die Fingernägel bohrten sich in ihre Handballen.
Dumpfe, den Herzschlag imitierende Drumbeats dröhnten durch die Lautsprecher. Die Bühne war abgedunkelt, nur ein einzelner Spot war auf die beiden Finalisten gerichtet und blendete sie.
"Gleich wissen wir's", flüsterte Antonio, aber Corrie antwortete nicht. Sie versuchte, ihren Konkurrenten auszublenden.
"Und der Sieger ist ..."
Corrie hielt die Luft an, doch Lukas, der Moderator, brach mitten im Satz ab. Er durfte die Spannung nicht vorschnell beenden. Genau dieser Nervenkitzel brachte Einschaltquoten und Geld. Corrie wusste das - eigentlich. Aber jedes Mal wieder hoffte sie, dass es diesmal schneller gehen würde. Diese künstliche Pause war so überflüssig, so quälend.
Rede weiter, flehte sie Lukas innerlich an. Und bitte, nenn meinen Namen. Ich muss gewinnen!
Die Pause zog sich in die Länge. Im Zuschauerraum herrschte atemlose Stille. Zum ersten Mal, seit die Liveshows dieser Castingstaffel begonnen hatten, schrien die Fans bei der Verkündung des Votingergebnisses nicht dazwischen.
Die Stille zerrte an Corries Nerven. Es war, als würde ihr Leben für einige Minuten angehalten, als würde alles aussetzen, sogar ihr Herzschlag. Sie wagte nicht zu atmen, nicht mal zu blinzeln, als könnte sie den entscheidenden Augenblick während eines Wimpernschlages verpassen.
Lukas' Blick war starr auf den geöffneten, goldenen Umschlag in seiner Hand gerichtet. Wer war das beste Gesangstalent dieses Jahres?
Corrie brauchte langsam Sauerstoff! Rede!
"Der Sieger ist ..." Lukas riss die Hand hoch. "... Cooorriieee!"
Das Publikum tobte, doch Corrie bewegte sich nicht. Ihr Körper war wie gelähmt. Tränen brannten in ihren Augen. All ihre Kraft hatte sie für dieses eine Ziel investiert. Sie wollte ihren Vater auf sich aufmerksam machen, ihn endlich kennenlernen. Und jetzt stand sie hier, hatte es geschafft und hatte plötzlich nur noch Angst, dass ihr Vater trotzdem nicht kommen würde.
"Unser blonder Engel hat gewonnen!", wiederholte Lukas und schaffte es gerade so, das Getrampel des Publikums zu übertönen.
Immer noch rührte Corrie sich nicht. Wie auch? Sie brauchte alle Kraft, um ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Wenn nur eine Träne floss, würde sie zusammenbrechen. Dann würde die ganze Anspannung der letzten Monate wie eine Flutwelle über sie hinwegschwappen. Noch immer wagte sie es nicht zu atmen. Sie merkte, wie es anfing, sich in ihrem Kopf zu drehen.
Verzweifelt suchte Corrie unter den Zuschauern das Gesicht ihrer Mutter. Wie bei jeder Show saß sie in der ersten Reihe. Ihr Blick spiegelte das wider, was sie Corrie von klein auf eingetrichtert hatte: Du musst stark sein! Nimm dich zusammen! "Du musst jubeln", befahlen ihre Lippen lautlos.
Zaghaft hob Corrie einen Arm und machte eine Siegesfaust.
"Ja", flüsterte sie. Damit hatte sie die letzte Atemluft verbraucht, doch nun strömte endlich wieder Sauerstoff in ihre Lungen.
"Ja!" Dieses Mal schrie sie und reckte die Faust nach oben, ganz wie es erwartet wurde. Sie funktionierte wieder.
Auch Antonio löste sich aus seiner Starre, schlang die Arme um Corrie und wirbelte sie herum. Als ihre Füße wieder den Boden berührten, wollte sie ihn wegdrücken, aber er ließ sie nicht gehen. Sein Griff war eisern.
"Wir müssen reden", rief er, um den Lärm zu übertönen. "Es gibt da etwas, das ich dir unbedingt ..." Weiter kam er nicht.
Lukas trat zu ihnen, um Corrie ebenfalls zu gratulieren. Sie war dem Moderator dankbar für die Rettung. Ihre Mutter hatte sie gewarnt, dass Antonio bestimmt versuchen würde, ihr ein Duett abzuquatschen. Doch das entsprach nicht Corries Plan für ihr erstes Album.
"Herzlichen Glückwunsch", sagte Lukas und lächelte breit. Dann beugte er sich vor und raunte ihr ins Ohr. "Wenn dein Vater die Möglichkeit gehabt hätte, heute hier zu sein, wäre er stolz auf dich gewesen."
Corrie erstarrte. Was sagte Lukas da? Aber es blieb keine Zeit für Fragen. Alle Kandidaten, die bei dieser Staffel mitgemacht hatten, stürmten auf die Bühne, um ihr zu gratulieren und wenigstens noch einmal zusammen mit der Gewinnerin vor der Kamera zu stehen.
Während Corrie zig Mal umarmt wurde, überschlugen sich ihre Gedanken. Wusste Lukas etwas über ihren Vater? Kannte er ihn?
Aber schließlich drängte sie diese Gedanken entschlossen zurück. Die Show ging weiter. Jetzt war es erst einmal wichtig, eine strahlende Gewinnerin zu sein und mit den Kameras zu flirten.
Corrie lächelte, warf Kusshände ins Publikum, hielt ihre spontan klingende Dankesrede und performte schließlich den Siegertitel ein weiteres Mal. Nach dem Ende der Sendung folgten Interviews für Radiosender und Klatschblätter. Erst als das Pflichtprogramm beendet war, erlaubte Corrie sich, wieder an den sonderbaren Kommentar von Lukas zu denken.
Die After-Show-Party war in vollem Gange, als sie den Festsaal betrat. Ihre Augen scannten den Raum ab. Wo war Lukas? Sie sah die anderen Casting-Teilnehmer mit ihren Verwandten und Bekannten, dann die Leute, die sie während der Show betreut hatten, und in einer Ecke ihren neuen Arbeitgeber, Herrn Rubens. Der Chef des Labels, bei dem sie nun unter Vertrag war, sprach gerade mit einem alten Mann, den Corrie noch nie zuvor gesehen hatte.
Als ob der Alte ihren Blick gespürt hätte, drehte er sich in ihre Richtung. Er deutete eine leichte Verbeugung an. Obwohl Corrie ihn aus dieser Entfernung nicht richtig erkennen konnte, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Der Mann machte einen sonderbaren Eindruck, er gehörte nicht hierher. Was wollte er auf ihrer Feier?
Doch dann sah sie Lukas und vergaß den komischen Alten sofort wieder. Der Moderator stand mit seiner Freundin Evie, einer der Maskenbildnerinnen, in einer Ecke. Als Corrie sich den Weg zu ihm bahnte, zog sich ihr Magen vor Anspannung zusammen. Lukas musste irgendetwas über ihren Vater wissen, sonst hätte er nicht so einen Spruch rausgehauen. Die brennende Frage war nur: Was?
Corrie hatte bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt, als jemand sie am Arm festhielt und herumdrehte. Antonio! Er zeigte sein breitestes italienisches Lächeln.
"Hallo, du Siegerin. Ich hab dir noch gar nicht richtig gratuliert."
"Soweit ich mich erinnern kann, warst du der Erste", entgegnete Corrie knapp.
Sie wollte sich aus dem Staub machen, doch Antonio packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. Seine Stimme wurde plötzlich ernst. "Ich muss mit dir reden."
"Ich bin müde", wehrte Corrie ab. "Und außerdem wollte ich gerade ein paar Worte mit Lukas wechseln."
"Fünf Minuten", sagte Antonio, "dann kannst du zu Lukas gehen. - Lass uns tanzen." Er zog sie mit sich fort. Sein Griff war so fest, dass ihr Handgelenk zu schmerzen begann.
"Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du mich ordentlich aufgefordert hättest", zischte sie. "Und noch weniger, dass ich mit dir tanzen will."
"Ich sagte ja schon, dass ich mit dir reden muss."
Corrie gab es auf, höflich zu sein. Sie riss ihre Hand los. "Aber ich nicht mit dir! Auf mein Album kommt kein Duett. Fertig. Siehst du? So schnell kann man alles Wichtige sagen."
Antonio lachte auf. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und strich ihr mit dem Daumen zärtlich über die Wange. Tief blickte er ihr in die Augen. "Bambina, ich will nicht auf dein Album. Aber mit deinen süßen 17 bist du blauäugiger, als es ein blondes, hübsches Mädchen mit blauen Augen sein sollte. Du brauchst ein paar Informationen, und die will ich dir geben. Danach verschwinde ich und vermutlich sehen wir uns nie wieder."
Irritiert schaute sie ihn an. Sie merkte, wie sich ihre Stirn in Falten zog. Ihre Mutter würde schimpfen, wenn sie sie so sehen würde, schoss es Corrie durch den Kopf. Aber sie war gerade dermaßen verwirrt, dass es ihr egal war.
"Meine Nonna würde es mir nie verzeihen, wenn ich meine Sorellina nicht warnen würde", fuhr Antonio fort.
"Ich kann kein Italienisch."
"Du bist wie eine kleine Schwester für mich. Und meine Oma hat mir eingetrichtert, dass ich mich um meine Geschwister zu kümmern habe. Aber keine Angst, ich werde Deutsch mit dir reden. Es ist wichtig."
Was wusste Antonio, das so wichtig für Corrie war? Es konnte nicht wichtiger sein als das, was sie von Lukas zu erfahren hoffte.
"Fünf Minuten", wiederholte Antonio, aber diesmal griff er nicht wieder nach ihrem Handgelenk, sondern streckte ihr abwartend die Hand entgegen.
"Und das muss beim Tanzen sein?", seufzte Corrie.
"Es muss nicht jeder wissen, dass wir eine ernste Unterhaltung führen. Vertrau mir."
Ich vertraue niemandem, wollte Corrie sagen, aber sie verkniff es sich. Sie hatte keinen Grund, ihm zu vertrauen, aber auch keinen, misstrauisch zu sein. Er war zehn Jahre älter als sie und hatte sich während des Wettbewerbs ihr und den anderen jungen Mädchen gegenüber wirklich wie ein großer Bruder verhalten. "Na gut, aber nur ein Tanz."
Sie betraten die Tanzfläche in der Nähe des DJs und Antonio nickte ihm zu. Sofort ließ er den stampfenden Rhythmus eines Songs im Upbeat-Tempo ausklingen und spielte einen langsamen Kuschelsong ein.
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