Allgemeine Prognosemethoden.- Prognoserechnung - Einführung und Überblick.- Einführung in die kurzfristige Zeitreihenprognose und Vergleich der einzelnen Verfahren.- Einführung in die Prognose saisonaler Zeitreihen mithilfe exponentieller Glättungstechniken und Vergleich der Verfahren von Winters und Harrison.- Prognose bei unregelmäßigem Bedarf.- Ein gemischt deterministisch-stochastisches Prognoseverfahren.- Prognose mithilfe von Verweilzeitverteilungen.- Punkt-, Intervallprognose und Test auf Strukturbruch mithilfe der Regressionsanalyse.- Prognose mit Paneldaten.- Prognose mit nichtparametrischen Verfahren.- Adaptive Einflussgrößenkombination (AEK) - Prognosen mit schrittweiser Regression und adaptivem Gewichten.- Mittel- und langfristige Absatzprognose auf der Basis von Sättigungsmodellen.- Indikatorprognosen.- Lineare Filter und integrierte autoregressive Prozesse.- Prognose uni- und multivariater Zeitreihen.- Die Input-Output-Rechnung als Hilfsmittel der Prognose.- Prognose mithilfe von Markovprozessen.- Der Beitrag der Künstlichen Intelligenz zur betrieblichen Prognose.- Monitoring von Prognosemodellen.- Evaluation, Kombination und Auswahl betriebswirtschaftlicher Prognoseverfahren.- Spezielle Prognosemethoden für betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Anwendungsfelder.- Modellgestützte Marktanteilsprognose auf Basis von Paneldaten.- Die Verbindung von Absatzplanung und Prognoserechnung - ein Beispiel aus der Praxis.- Kundenwertprognose.- Qualitätsvergleiche bei Kreditausfallprognosen.- Beratung mithilfe von statistischen Prognosen. Welches Instrument ist das sinnvollste?.- Prognose von Softwarezuverlässigkeit, Softwareversagensfällen und Softwarefehlern.- Kooperative Vorhersage in Unternehmensnetzwerken.
14 Prognose uni- und multivariater Zeitreihen (S. 239)
von Manfred Deistler und Klaus Neusser
14.1 Einführung
Zeitlich ablaufende zufällige Vorgänge können durch stochastische Prozesse modelliert werden. Insbesondere ist es in diesem Rahmen möglich, Unsicherheit über die Zukunft zu beschreiben. Für stationäre Prozesse wurde bereits vor ca. 60 Jahren eine elegante Prognosetheorie von Kolmogorov [26] und Wiener [39] entwickelt. Ein weiterer wesentlicher Beitrag geht auf Kaiman [25] zurück. Diese Theorie behandelt die lineare Kleinst-Quadrate-Prognose unter der Voraussetzung, dass die zweiten Momente des zugrunde liegenden Prozesses bekannt sind. In den meisten Fällen sind diese zweiten Momente jedoch nicht bekannt und müssen geschätzt werden, sodass das Prognoseproblem mit einem Identifikationsproblem einhergeht.
Die Theorie der linearen Kleinst-Quadrate-Prognose stationärer Prozesse bei bekannten zweiten Momenten und die Theorie der Identifikation von AR-, ARMA- und Zustandsraumsystemen stellen die beiden Herzstücke der theoretischen Analyse des Prognoseproblems dar. Unsere Darstellung beschränkt sich auf diese lineare Kleinst-Quadrate-Prognose und die Identifikation von linearen dynamischen Systemen. Nichtlineare Prognosefunktionen und von den quadratischen abweichende Kostenfunktionen werden demnach nicht behandelt, wenn es nicht ausdrücklich erwähnt ist. Die Praxis hat gezeigt, dass diese linearen Ansätze auch bei offensichtlich nichtlinearen Mechanismen erstaunlich erfolgreich sind.
In der Praxis müssen bei der Entwicklung von Prognosealgorithmen der Verwendungszweck, die vorhandenen a priori Informationen und die spezifischen Besonderheiten der Daten berücksichtigt werden. Was die Verwendung betrifft, so sind unter anderem zu überlegen: die Fristigkeit, die gewünschte Genauigkeit, die sich auch im Aufwand für die Modellierung niederschlägt, und der erforderliche Rechenaufwand. Im Speziellen kann man zwei Extremfälle unterscheiden: zum einen schnell verfügbare, relativ ungenaue Prognosen, bei denen auf eine detaillierte Modellierung der Daten weitgehend verzichtet wird. Solche Verfahren könnte man als "automatisierte Kurvenlineale" bezeichnen. Sie finden z. B. in der Absatzprognose Verwendung (siehe Abschnitt 14.8). Zum anderen Prognosen, bei denen eine möglichst hohe Genauigkeit erwünscht und daher eine detaillierte und zeitaufwändige Modellierung der Daten angezeigt ist. Ein Beispiel hierfür liefert die Prognose der Industrieproduktion (vgl. Abschnitt 14.7). In vielen Fällen stehen zusätzlich a priori Informationen zur Verfügung, die aber im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, im Gegensatz zu vielen Anwendungen in den Naturwissenschaften oder den technischen Wissenschaften, oft unpräzise oder schwer quantifizierbar sind. Andererseits ist die Information aus den Daten in vielen Fällen alleine nicht ausreichend. In der Entscheidung über Art und Ausmaß der verwendeten a priori Information zeigt sich ganz wesentlich die Kunst des Prognostikers. Abschnitte 14.7 und 14.8 bieten konkrete Beispiele für die bei der Prognose auftretenden Überlegungen und Vorgangsweisen.