Schweitzer Fachinformationen
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Die Erde vibrierte unter gewaltigem Stampfen. Aus den Steilwänden der berghohen Düne lösten sich feine Sandbäche, die als sanfte Lawinen ins Dünental glitten. Langsam, aber stetig rieselte der rote Sand über den schlafenden Mann am Boden der Senke und begrub ihn, ohne dass er es merkte. Erst als das Geriesel seinen Mund erreicht hatte und dann über die Nase in seine Atemwege drang, erwachte er und rang jäh nach Luft. Mit einem Satz befreite er sich aus seiner misslichen Lage und sprang auf. Vom Schlaf noch verwirrt, wischte er sich den Sand aus seinem gesunden Auge. Seine scharfen Ohren nahmen gleichmäßige Erschütterungen und Schnauben wahr. Sehen konnte er nichts. Um ihn herum herrschte das neblige Grau der ersten Morgendämmerung. Irgendwo über ihm kämpfte die Sonne ihren morgendlichen Kampf gegen die dichte Nebelwand. Nur zögerlich verwandelte ihr erstes Licht die nachtfeuchte Luft in ein sanftes, wärmendes Orange. Der junge Buschmann versuchte die Richtung auszumachen, aus der das Stampfen kam. Eilig fasste er nach seinem Lederumhang, in dem er die Nacht verbracht hatte. Seine Glieder waren noch steif von der eisigen Wüstennacht. Um sich zu wärmen, sprang der Buschmann einige Male mit den Armen um sich schlagend auf und ab. Dann lauschte er nochmals. Argwöhnisch blickte er auf den Kamm der Düne hoch über sich. Seine Hände griffen nach dem Speer, dem Beutel und dem kleinen Bogen mit den Giftpfeilen.
Von welcher Seite würden sie kommen?
Der Nebel, der von der Atlantikküste weit in die Namib waberte, bildete nach wie vor einen undurchdringlichen Vorhang. Behände kletterte der kleinwüchsige Mann die Düne hinauf, um einen besseren Überblick zu bekommen. Der weiche, tiefrote Sand erschwerte jede Vorwärtsbewegung, doch er hatte eine Technik entwickelt, auf allen vieren wie ein Käfer voranzukommen. Als er die ersten zwei Drittel der Düne geschafft hatte, warf sich plötzlich ein riesiger, dunkler Schatten über ihn. Daneben tauchten ein zweiter und schließlich ein dritter auf. Ohne eine Sekunde zu zögern, machte der Buschmann kehrt. Mit großen Schritten rannte er den Dünenabhang hinab, ließ sich fallen, überschlug sich und schlidderte bäuchlings mit rudernden Armen weiter, rappelte sich wieder auf, spurtete auf die abflachende Seite der Düne zu und warf sich hinter ihrer Kante flach auf den Boden.
Keinen Augenblick zu früh.
Als er schließlich keuchend seinen Kopf hob, bekam er ein gleichermaßen komisches wie beeindruckendes Schauspiel zu sehen. Mit einem lauten Trompetensignal machte sich ein gewaltiger roter Elefant an den Abstieg der Düne. Dort, wo der Buschmann nur wenige Augenblicke vorher gelegen hatte, verwandelte sich der Steilhang der Düne in eine riesige Rutschbahn. Zwölf Elefantenkühe und sieben Jungtiere versuchten sich nacheinander an dem steilen Abstieg. Auf dem Hinterteil sitzend, die Rüssel hoch in die Luft gestreckt, glitten die ersten wie Kinder auf einer Rutsche den Abhang hinab. Während die älteren Tiere den Abstieg routiniert und mit sichtlichem Vergnügen bewältigten, verlief bei den Jungtieren die Rutschpartie nicht immer reibungslos. Manch eines verlor das Gleichgewicht und purzelte kopfüber den Abhang hinab. Ihre roten, staubbedeckten Körper vermischten sich mit dem aufgewirbelten Sand zu einer immensen Staubwolke. Der Buschmann konnte nun gar nichts mehr erkennen. Aber er roch die Elefanten, und er spürte ihre Unruhe, als sie sich, unten angelangt, wieder zu einer Gruppe versammelten. Während sich der Sandstaub langsam senkte, tauchten die massigen Körper der Wüstenelefanten wie eine geisterhafte Erscheinung vor ihm auf. Noch war alles schemenhaft, doch mit einem Mal gelang es der stärker werdenden Sonne, ein Loch durch den Nebel zu fressen, und innerhalb weniger Augenblicke weitete sich der Himmel zu einem tiefen, klaren Blau. Die sandroten runzligen Leiber der Elefanten waren nun deutlich zu erkennen. Sie waren keinen halben Speerwurf weit von ihm entfernt. Die Leitkuh lief aufgeregt um die anderen herum, als wolle sie nachzählen, ob alle heil angekommen waren. Dann witterte sie den Buschmann. Argwöhnisch spreizte sie ihre großen Segelohren ab und blickte ihn aus kleinen, dicht bewimperten Augen prüfend an. Der Buschmann hielt den Atem an. Er war sich der Gefahr durchaus bewusst. Langsam stand er auf und stellte sich der Situation. Jede falsche Bewegung konnte sein Ende bedeuten. Die Herde hatte Jungtiere und war deshalb überaus nervös. Der Rüssel der Leitkuh schlug ärgerlich in den Sand und wirbelte ihn meterhoch auf. Mit einem Mal lehnte sie sich zurück, dann schnellte sie wie ein Katapultgeschoss nach vorn und stürmte mit weit ausholenden Schritten und aufgestellten Ohren auf ihn zu. Noch bevor der Buschmann sich regen konnte, war sie bei ihm. Der kleine Mann schloss angstvoll die Augen und wartete darauf, überrannt oder in die Luft geschleudert zu werden. Keine zwei Menschenlängen von ihm entfernt blieb die Leitkuh jedoch abrupt stehen, stieß einen ohrenbetäubenden Warnruf aus und drehte dann überraschend ab. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, setzte sie sich gemächlichen Schrittes an die Spitze der Elefantengruppe und führte sie durch das Dünental fort.
Das Herz des Mannes raste wie das eines Hasen. Er stieß einen tiefen Seufzer der Dankbarkeit aus. Mochte Kauha verhüten, dass er den großen Tieren noch einmal so nahe kam! Dennoch musste er ihnen folgen. Sie waren die Rettung, auf die er so lange gewartet hatte. Einige Tage und genauso viele Nächte hatte er nun schon in der Einsamkeit der Namib verbracht, bis er endlich auf die Tiere gestoßen war. Wie oft hatte er an seinem Erfolg gezweifelt. Es war nur eine vage Vermutung gewesen, dass auch den Elefanten am Ende dieser dürftigen Regenzeit das Futter in der Wüste knapp werden würde und dass sie deshalb mit ihren Jungtieren die Namib durchqueren würden, um in fruchtbarere Gebiete zu gelangen. Leider war ihr Revier unendlich groß, und die seltenen Tiere waren nur schwer aufzuspüren.
Die Buschmänner kannten einige der verborgenen Wasserstellen in dieser augenscheinlich so lebensfeindlichen Wüste, aber die Elefanten kannten sie alle. Die Trockenheit hatte die meisten Quellen versiegen lassen. Die Menschen seiner Gruppe hatten Mühe, genug Wasser zu finden. So war das Leben in den letzten Monden besonders hart und entbehrungsreich gewesen. Es hatte viel zu wenige von den nahrhaften und wasserreichen Tsamma-Melonen gegeben, und die essbaren Gräser, Knollen und Pflanzen waren dürr und wenig nahrhaft geblieben. Einige der Jäger hatten versucht, am großen Wasser Robben zu erlegen, aber sie mussten unverrichteter Dinge wieder umkehren, weil die Robbenkolonie sich einen neuen, unbekannten Platz an der Küste gesucht hatte. Außer ein paar ausgemergelten Küstenwölfen und einem Rudel hungriger Löwen waren sie keinem Tier begegnet. Den Buschmännern blieben die Echsen, Schlangen und kleinen Säugetiere, die nachts aus ihren heißen Sandverstecken krochen. Die Tiere warteten auf die Kühle der Nacht, die mit dem abendlich aufziehenden Küstennebel auch Feuchtigkeit mit sich brachte. Das Wasser, das auf den Wüstenpflanzen kondensierte, genügte ihnen zum Überleben. Für die Buschmänner waren die kleinen Tiere in guten Jahren eine willkommene Zwischenmahlzeit. Doch jetzt musste das wenige Fleisch als Hauptnahrung reichen. Vergeblich hatten sie nach den großen Oryxantilopen Ausschau gehalten. Die wehrhaften Tiere mit ihren lanzenähnlichen Hörnern waren dieses Jahr überhaupt nur vereinzelt durch ihr Gebiet gezogen. Das war ein schlechtes Zeichen, denn gerade diese Tiere waren auf besondere Weise an das harte Leben in der Wüste angepasst.
Es war seine Idee gewesen, die Elefanten aufzuspüren. Über kurz oder lang würden die Tiere die Menschen dorthin führen, wo es Wasser gab. Das hatte innerhalb der Gruppe zu großen Diskussionen geführt. Die meisten waren gegen seinen Vorschlag gewesen.
»Wir haben nicht die Kraft für eine lange Suche«, hatte Kwi, einer der erfahrenen älteren Männer eingewandt.
»Ich werde dir kein Wasser geben«, bestimmte gar N!ore, der in ihm nur einen Konkurrenten sah. Allein sein Freund Twi hatte ihm nicht abgeraten, sondern ihm stillschweigend etwas von seinem Wasservorrat abgegeben. So war er, allen Warnungen zum Trotz, eines Morgens losgezogen.
Und jetzt hatten die Elefanten ihn gefunden!
Mit neuer Energie machte er sich an ihre Verfolgung. Den ganzen Tag ließ er sie nicht aus den Augen. Die schwerfälligen Tiere kamen erstaunlich rasch voran. Der Buschmann war ein hervorragender Läufer, doch die Hitze sowie die Anstrengungen und Entbehrungen der letzten Tage forderten ihren Tribut. Er hatte kaum noch Wasser. Nur einmal hielt er kurz inne. Mit großer Bedächtigkeit zog er das Grasbüschel aus der kleinen Öffnung in dem Straußenei, schloss die Augen und trank einen winzigen Schluck. Das musste reichen. Während er weiterlief, schlich sich der Zweifel säende Geist Gwi in seine Gedanken. Wie lange waren die Elefanten wohl unterwegs? Wer sagte ihm, dass sie überhaupt Wasser suchten? Was, wenn sie eben erst an einer Wasserstelle gewesen waren? Dann würden sie ohne Mühe die nächsten Tage ohne Wasser auskommen. Er zwang sich, diese Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, doch der schalkhafte Geist Gwi ließ sie weiterhin wie Schreckgespenster in seinem Kopf kreisen. Seine Kräfte begannen ihn schon jetzt zu verlassen. Wurden seine Schritte nicht immer langsamer und der Abstand zu den Elefanten immer größer?
»Lass mich in Ruhe, Gwi!«, schimpfte er laut.
Der Widerhall seiner Stimme holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Er würde die Elefanten nicht verlieren. Solange kein Wind aufkam, konnte er leicht ihre Spuren verfolgen. Die...
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