Schweitzer Fachinformationen
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Ein Silvesterabend in New York: Cleo, Mitte zwanzig, britische Kunststudentin, Bohémienne a.k.a. ewig pleite, trifft Frank, Mitte vierzig, Amerikaner, Inhaber einer Werbeagentur und ungleich gesettleter, im Aufzug einer Partylocation. Es ist die vielbeschworene Liebe auf den ersten Blick. Hals über Kopf stürzen Cleo und Frank sich in eine amour fou, mit der sie selbst kaum Schritt halten können - geschweige denn die, die ihnen nahestehen.
Eine absolut süchtig machende New-York-Romanze, herzzerreißend und beglückend zugleich - und ein ungewöhnlich reifer Debütroman. Mit Coco Mellors lernen wir eine unverwechselbare neue literarische Stimme kennen, von der noch viel zu hören sein wird.
Sie stand schon im Fahrstuhl, als er einstieg. Er nickte ihr zu und schloss das Eisengitter mit einem Rattern. Das ehemalige Fabrikgebäude in Tribeca war eines der seltenen Exemplare, in denen noch die alten Lastenaufzüge fuhren. Seite an Seite standen sie da, als der Fahrstuhl sich ächzend in Bewegung setzte. Hinter dem metallenen Zickzack des Gitters glitt die Betonmauer der Fabrik vorbei.
»Und, was sollst du holen?« Er blickte geradeaus ins Leere.
»Wie bitte?«
»Mich hat man Eiswürfel holen geschickt«, sagte er. »Was brauchst du?«
»Ach so, nichts. Ich gehe nach Hause.«
»Um halb elf? An Silvester? Das ist entweder das Traurigste oder Schlauste, was ich je gehört hab.«
»Tun wir mir doch den Gefallen und sagen das Schlauste«, erwiderte sie.
Er lachte großzügig, dabei fand sie ihre Bemerkung gar nicht sonderlich geistreich. »Du bist Britin, oder?«
»Aus London.«
»Du klingst genauso, wie es sich anfühlt, in einen Granny-Smith-Apfel zu beißen.«
Jetzt musste sie lachen, wenn auch nicht ganz so überschwänglich. »Wie fühlt sich das denn an?«
»Mit einem Wort? Knackig.«
»Im Gegensatz zu Pink Lady oder Golden Delicious?«
»Mit Äpfeln kennst du dich aus.« Er nickte beifällig. »Aber zu behaupten, du würdest klingen wie ein Golden Delicious, wäre kompletter Irrsinn. Golden Delicious ist eindeutig Mittlerer Westen.«
Mit einem sanften Ruck erreichten sie das Erdgeschoss. Er schob die Gittertür auf und ließ sie vorbei.
»Du bist echt ein komischer Vogel«, sagte sie über die Schulter nach hinten.
»Stimmt.« Er lief voraus, um ihr die Eingangstür aufzuhalten. »Lust, den komischen Vogel zum Deli zu begleiten? Ich muss unbedingt noch ein bisschen Oxford-Englisch von dir hören.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Alu.«
»Aluminium?«
»Ah, dachte ich's mir doch!« Entzückt hielt er die Hand hinters Ohr. »Da wird keine einzige Silbe gespart. A-lu-mi-ni-um. Hinreißend.«
Sie setzte einen skeptischen Blick auf, war aber belustigt, das sah er.
»Du bist leicht hinzureißen«, sagte sie und war überrascht, als er stehen blieb und mit ernster Miene darüber nachdachte.
»Nein«, sagte er schließlich. »Bin ich nicht.«
Sie standen auf der Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite warf ein Geschäft für Neonschilder gelbe, pinke und blaue Tupfer auf den Gehweg. MILLER LITE. STRIPSHOW. VIER HAARESZEITEN.
»Wo ist das Deli?«, fragte sie. »Ich bräuchte noch Zigaretten.«
»Ungefähr zwei Blocks in die Richtung.« Er zeigte nach Osten. »Wie alt bist du?«
»Vierundzwanzig. Jedenfalls alt genug, um zu rauchen, falls du das meinst.«
»Das perfekte Alter, um zu rauchen«, sagte er. »Ein Vorrat an Zeit, um im Reinen, zufrieden zu sein. So geht doch das Larkin-Gedicht, oder?«
»Oh, bitte keine Gedichte zitieren, sonst reißt du womöglich noch mich hin.«
»>Den elektrischen Leib sing ich!<«, rief er. »>Die Heere jener, die ich liebe, umgürten mich, und ich umgürte sie
»Lalala! Ich höre gar nicht hin!«
Sie hielt sich die Ohren zu und rannte vor ihm über die Straße. Ein fröhlicher Popsong dröhnte aus einem vorbeirasenden Auto. An der Ampel holte er sie ein, und sie ließ zögernd die Hände sinken. Sie steckten in pinken Lederhandschuhen. Ihre Wangen waren genauso pink wie die Handschuhe.
»Keine Angst, mehr Gedichte kenne ich eh nicht«, sagte er. »Du bist in Sicherheit.«
»Ich bin beeindruckt, dass du überhaupt welche kennst.«
»Ich bin älter als du. Meine Generation musste so was noch in der Schule auswendig lernen.«
»Wie alt?«
»Älter. Wie heißt du eigentlich?«
»Cleo«, sagte Cleo.
Er nickte.
»Das passt.«
»Wieso?«
»Cleopatra, Hinreißerin aller Männer.«
»Eigentlich nur Cleo. Und wie heißt du?«
»Frank«, sagte Frank.
»Kurzform von?«
»Kurzform von nichts. Wovon sollte Frank auch die Kurzform sein?«
»Weiß nicht.« Cleo lächelte. »Frankfurter, Frankophilie, Frankenstein .«
»Frankenstein wär passend. Erschaffer von Monstern.«
»Du erschaffst Monster?«
»Irgendwie schon«, sagte Frank. »Ich bin in der Werbung.«
»Ich hätte schwören können, dass du Schriftsteller bist.«
»Knackig .« Cleo zog eine Augenbraue hoch.
»Ich habe eine Agentur gegründet«, sagte Frank. »Zu uns kommen die gescheiterten Schriftsteller.«
Sie gingen weiter, bis ihnen von der Straßenecke eine Bodega entgegenleuchtete, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Frank hielt ihr die bimmelnde Tür auf, die von eimerweise rüschigen Nelken und Rosen mit hängenden Köpfen flankiert war. Im Neonlicht des Ladeninneren betrachteten sich die beiden zum ersten Mal richtig.
Frank, schätzte sie, war Ende dreißig, Anfang vierzig. Freundliche Augen, war ihr erster Gedanke. Sie legten sich automatisch in Fältchen, als ihre Blicke sich begegneten. Lange, fedrige Wimpern, die seine Brillengläser streiften und seinem kantigen Gesicht eine überraschende Weichheit verliehen. Dunkles, lockiges Haar, kraus wie Lammwolle, vorne schon etwas schütter. Als er ihren Blick spürte, fuhr er sich verlegen durchs Haar. Seine Handrücken und sein Gesicht waren trotz Winter sommersprossig und gebräunt. Passend dazu trug er einen braunen Kaschmirschal, der unter dem Kragen seines gut geschnittenen Mantels hervorlugte. Sein schlanker, drahtiger Körperbau erinnerte an einen ehemaligen Tänzer, ein Körper, aus dem Effizienz und Intelligenz sprachen. Cleo lächelte anerkennend.
Er lächelte zurück. Wie den meisten Menschen war ihm als Erstes ihr Haar ins Auge gestochen. Es fiel ihr über die Schultern wie ein goldener Vorhang, der sich für den mit Spannung erwarteten ersten Akt öffnet: ihr Gesicht. Und ja, dieses Gesicht war wirklich ein Schauspiel. Er wusste instinktiv, dass er es stundenlang hätte betrachten können. Ihre Augen hatte sie mit breiten schwarzen Schwüngen betont, sechzigerjahremäßig, und jeden Lidstrich am Ende mit einem goldenen Sternchen gekrönt. Auch auf ihren Wangen schimmerte es golden, prickelte wie Champagnerbläschen im Licht. Ihr Körper war in einen dicken Schaffellmantel gehüllt, dazu trug sie die pinken Lederhandschuhe, die ihm schon vorhin aufgefallen waren, und eine weiße Baskenmütze aus Wolle. Ihre Füße steckten in cremefarbenen bestickten Cowboystiefeln. Alles an ihr war bewusst in Szene gesetzt. Frank war sein Leben lang von schönen Menschen umgeben gewesen, aber er hatte noch nie jemanden getroffen, der so aussah wie sie.
Um seinem direkten Blick auszuweichen, inspizierte Cleo das Regal neben sich, das unpassenderweise mit Katzenfutter gefüllt war. Sie trug zu viel Make-up und fürchtete, im grellen Licht wie ein Clown zu wirken.
»Bruder«, begrüßte Frank den Mann hinter der Kasse. »Frohes neues Jahr.«
Der Mann löste den Blick von seinem Zeitungsartikel über weitere von der Regierung abgesegnete Folterungen in seinem Land. Er fragte sich, wie dieser weiße Mann darauf kam, dass sie Brüder seien, lächelte jedoch.
»Danke, gleichfalls«, sagte er.
»Wo finde ich Eiswürfel?«
»Kein Eis.« Er zuckte mit den Schultern.
»Was für ein Deli verkauft bitte kein Eis?«
»Das hier«, entgegnete der Mann.
Frank hob kapitulierend die Arme.
»Okay, also kein Eis.« Er drehte sich zu Cleo um. »Brauchst du noch Zigaretten?«
Cleo hatte die Preisschilder am Tabakregal überflogen. Sie zog ihr Portemonnaie aus der Tasche, das, wie Frank auffiel, gar kein richtiges Portemonnaie war, sondern ein Samttäschchen voller Bonbon- und sonstiger Papiere. Mit ihren langen Fingern blätterte sie zögerlich hindurch.
»Ach, weißt du«, sagte sie, »ich habe noch Blättchen hier drin. Ich nehme bloß eine Packung Tabak. Eine kleine. Wie viel kostet die?«
Frank beobachtete, wie die gesamte Körperspannung des Mannes nachließ, als er sich Cleo zuwandte. Es war, als würde ein Gletscher lawinenartig ins Meer rutschen - er schmolz dahin.
»Schöne Frau«, murmelte er. »Wie viel willst du zahlen?«
Eine zarte Röte wanderte ihren Hals hinauf Richtung Kinn.
»Ich übernehme das«, sagte Frank und knallte seine Kreditkarte auf den Verkaufstresen. »Und .« Er nahm einen Schokoriegel aus dem Regal. »Noch den hier. Falls du Hunger bekommst.«
Cleo warf ihm einen dankbaren Blick zu, ohne zu widersprechen.
»Eine Packung Capris, bitte«, sagte sie. »Die magentafarbenen.«
Draußen vor der Tür blickte Cleo suchend in beide Richtungen.
»Ein Taxi kannst du heute Abend vergessen«, sagte Frank. »Wo wohnst du?«
»East Village«, antwortete sie. »In der Nähe vom Tompkins Square Park. Aber ich kann auch zu Fuß gehen, so weit ist es nicht.«
»Ich begleite dich«, bot er an.
»Nein, nicht nötig«, protestierte sie. »Es ist viel zu weit.«
»Ich dachte, es ist nicht weit.«
»Aber dann verpasst du den Countdown.«
»Scheiß auf den Countdown«, sagte Frank.
»Und das Eis?«
»Stimmt. Das Eis ist wichtig.«
Cleo entglitten die Gesichtszüge. Frank lachte. Dann marschierte er Richtung Norden, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen. Als er merkte, dass sie...
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