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Eingehende Rückblende auf das Leben der königlichen Familie
So großzügig das riesige europäische Reich in jener Zeit auch angelegt war, so entsprach dies der Gesinnung von König Sandanger und seiner Gemahlin Lalande. Auf großem Fuße lebten sie jedoch nicht, obwohl Krapp diesen Vorwurf in seiner hinterhältigen Art verbreitete.
Selbstredend liebte Lalande es, "sich fein zu machen", wie das Volk es umschrieb. Entsprechend war ihre Garderobe ausgestattet - mit eleganten Kleidern, Morgen- und Nachtgewändern, vieles aus Seide, dazu angemessener Fußbekleidung und was Königinnen sonst noch zu tragen pflegen. Ein großes Thema war auch ihr Geschmeide. Ihrem Wesen entsprechend, trat sie vornehm auf, aber nicht protzig, sondern dezent, und dezent schminkte sie sich auch mit einem Hauch von Puder und leichtem Lippenrot. Eine Vorliebe hatte sie indes für Perlen, und so schmückte sie sich mit Halsketten, Ringen, Ohrringen, auch mit einzelnen Kügelchen aus Perlmutt, mit denen sie ihre zierlichen Ohrläppchen erstrahlen ließ.
Irgendwann kursierte bei Hofe eine kleine Anekdote: Ein zwölfjähriges Mädchen, das zum Hofstaat gehörte, hatte ein großes Frauenohr gezeichnet, das - sogar im Innern des Ohres - mit lauter kleinen Perlen bestückt war. Die Mutter fürchtete, ihr Töchterchen wollte sich über die Königin lustig machen, doch die Kleine stellte richtig: "Warum sollte ich? Ich habe die Königin doch gern." Dann erklärte sie ihr buntes Bildchen: "Die inneren Ohren werden auch Ohrmuscheln genannt, nicht wahr, Mutti? Woher stammen Perlen? Aus Muscheln, und so ist mein kleines Bild zu verstehen."
Als Lalande diese Geschichte zu Ohren kam, staffierte sie die Ohren der kleinen Künstlerin mit je einer Perle aus, woraufhin die Königin noch weiter an Ansehen gewann .
Nicht lange danach überreichte König Sandanger seiner Lalande zum Anlass ihres Geburtstags feierlich ein kleines schwarzes Kästchen. Als sie es öffnete, wurden ihre blauen Augen noch größer, als sie ohnehin waren. In dem Kästchen ruhte, weich eingebettet, ein doppelreihiges Perlenarmband, das mit einem tiefdunkelblauen Juwel verfeinert war. Zunächst strahlte Lalande mit dem Perlenarmband um die Wette; doch dann verdüsterte sich ihr Antlitz wie die Sonne, wenn sie plötzlich von einer dunklen Wolke verdeckt wird. Ihr Gemahl fragte erschrocken: "Warum schaust du so enttäuscht in die Welt? Gefällt dir das Armband nicht?"
Lalande antwortete: "Doch, es ist ein Traum, aber wegen der Engpässe in unserer Kasse darf ich es nicht annehmen. Mit deiner Großzügigkeit bringst du uns noch tiefer in Teufels Küche, sodass Krapp seine Wolfskrallen noch tiefer in unsere Seelen schlagen kann."
Da erwiderte der trotz seiner Würde charmante und humorvolle König Sandanger lächelnd: "Gemach, liebste Gespielin - verzeih, ich wollte selbstverständlich Gemahlin sagen -, aber das Armband ist nicht im Entferntesten so wertvoll, wie es den Anschein erweckt. Die Perlen sind nur Zuchtperlen, und das Juwel ist ein Lapislazuli, also nur ein Halbedelstein. Und dennoch spiegelt er die Aura deines Augenlichtes wider."
Da umarmte sie ihn, bedankte sich überschwänglich und erwiderte: "Auch wenn sich der reelle Wert des Armbands in Grenzen halten mag, durch die Liebe, mit der du es ausgewählt hast, ist der ideelle Wert unermesslich."
Ihre Lieblingszofe erlaubte sich im Zusammenhang mit der Vorliebe, welche die Königin für Perlen hatte, einen Scherz, indem sie eine Freundin fragte: "Ist dir schon einmal das perlende Lachen unserer Herrin aufgefallen?"
Just in diesem Augenblick fiel den beiden etwas anderes auf, und sie fühlten sich blamiert: Sie vernahmen eben dieses perlende Lachen - und zwar von Königin Lalande persönlich. Sie hatte das Wortspiel ihrer Zofe mitbekommen, war aber nicht gekränkt oder bedrückt, sondern vergnügt .
Auch sonst zählte Sandangers Gemahlin nicht zu den Königinnen, wie sie im Buche stehen. König Sandanger hatte lange um ihre Gunst freien, sogar kämpfen müssen, bevor Lalande bereit war, ihre Bedenken zurückzustellen und seine Gemahlin zu werden.
Wegen ihrer Eigenwilligkeit fühlte sie sich den Anforderungen nicht gewachsen, die bei Hofe an eine Königin gestellt werden. Doch es gelang König Sandanger, sie davon zu überzeugen, dass die Aufgaben einer Königin in einem so unermesslich großen Reiche wie dem neu zu gestaltenden Europa nicht mit bisherigen Königreichen zu vergleichen seien und großzügigere Maßstäbe angewendet werden sollten. Seine Begründung lautete: "Du bist so liebenswürdig, sogar im Umgang mit völlig Fremden, dass deine Eigenheiten dich nicht zu Fall bringen werden; und solltest du ins Straucheln geraten, werde ich dich auffangen."
Als er dies sagte, dachte er daran, dass sie wie ein junger Springinsfeld auf dem Rücken ihres Lieblingshengstes Wildbolz alle Hürden mühelos überwunden hatte. Schließlich war sie einverstanden und gewann auch schnell die Herzen ihrer Untertanen. Wie einfühlsam die Königin war, zeigte sich daran: Als Wildbolz sich bei einem Sprung über eine Hecke die Fußfessel verletzte, ersparte sie ihm künftig zu springen .
Bei Hofe wahrte sie zwar die Etikette, sowohl mit ihrem Verhalten, ihrer Ansprache als auch mit ihrer Bekleidung, ansonsten war ihr Umgang jedoch leger, und wenn sie es mit gütiger Unterstützung ihres Gemahls glaubwürdig vermitteln konnte, dann blieb sie Staatsakten, Festivitäten und Banketten fern. Aber wenn sie es nicht umgehen konnte oder wollte oder auch wenn ihr danach zumute war, gab sie, zumal sie eine elegante Tänzerin war, mit ihrem Gemahl auf dem Parkett eine gute Figur ab - nicht nur, wenn die beiden eine rauschende Ballnacht eröffneten .
Zum Königsschloss gehörte ein Gestüt. Wie erwähnt, besaß Lalande einen Lieblingshengst, und sie war in ihn so vernarrt und er in sie, dass sie oft schon vor dem Frühstück miteinander ausritten. Aber die Ausgaben für das Gestüt hielten sich in Grenzen. Auch sonst stellte Lalande an ihren Gemahl keine unerfüllbaren finanziellen Anforderungen; andererseits machte sie sich zumindest in der ersten Zeit ihrer Ehe keine Gedanken hinsichtlich von Beschränkungen. So lebte ihr Gemahl über seine Verhältnisse und überhäufte sie mit Präsenten, und nicht immer fand sie die Kraft, diese zurückzuweisen, zumal er nach ihren Verweigerungen wie ein kleiner Junge das Gesicht verzog wie hundert Tage Regen.
Irgendwann führten beide miteinander ein Gespräch, das munter begann, sich aber verheerend auswirken sollte, zumal das Ergebnis von einer bei Hofe spionierenden Gesellschafterin ihrem Hintermann Krapp zudem verzerrt zugetragen wurde .
Der König liebte seine Lalande so sehr, dass er es nicht übers Herz brachte, ihre Wünsche abzulehnen oder sogar in den Wind zu schlagen. Als es ihr bewusst wurde, zügelte sie ihre Wünsche. Aber ihr Gemahl ließ sich immer wieder etwas einfallen, um sie zu zerstreuen und ihr Herz zu erfreuen. Auch an jenem Tag, von dem nunmehr die Rede sein wird.
Viele Männer versprechen der Liebsten, ihr die Sterne vom Himmel zu holen - auch Könige bilden in dieser Hinsicht keine Ausnahme, aber weil Könige in der Regel betuchter sind als Männer von der Straße, kann dies verheerende Folgen nach sich ziehen. Als König Sandanger seiner Lalande die Sterne zu Füßen legen wollte, war sie zunächst zu Freudentränen gerührt, zog aber dann, als sie die Auswirkungen bedachte, die Stirn kraus und erwiderte in ihrer schelmischen, bisweilen oberflächlich scheinenden Art: "Liebster, lass die Sterne dort, wo sie sich befinden, am Himmel, da sind sie zu Haus." Dann beging sie einen verhängnisvollen Fehler, denn sie fügte hinzu: "Einige kleine Burgen und Schlösser - etwa an der Donau, der Loire oder am Rhein - wären natürlich nicht zu verachten - und sei es nur zum Betrachten ."
Ihr Gemahl war irritiert, merkte aber in seiner verliebten Verblendung nicht, dass sie ihren Gegenvorschlag nicht wörtlich gemeint und, wie sich später herauskristallisierte, nicht auf Lustschlösser, sondern auf Luftschlösser angespielt hatte. Ihren einschränkenden letzten Halbsatz, mit dem sie, zumal in Reimform, ausdrücken wollte, sie zähle zu jenen Frauen, die lieber schauen als besitzen, hatte er nicht mitbekommen. So hatte er ohne zu zögern seiner innig geliebten Frau - ohne deren Wissen und sogar gegen ihren Willen - in verschiedenen Abschnitten des riesigen Kontinents Europa etliche Schlösser und Burgen gegen Unsummen erstanden, einige sogar errichtet und sich auf diese Weise finanziell nicht nur übernommen und...
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