Spiegelbildlich steht hierzu die Perspektive der Kollegin bzw. des Kollegen:
- "Ich werde heute die Gelegenheit nutzen, um deutlich zu machen, was in unserem Arbeitsverhältnis verbessert werden kann!"
- "Es interessiert mich, wie meine Schulleitung meine Arbeit und mein Engagement sieht und schätzt!"
- "Ich werde heute meine Schulleitung aus einer neuen Perspektive kennenlernen."
- "Ich werde erfahren, wo ich stehe und wie meine Stärken und Schwächen von meiner Schulleitung gesehen werden."
c. Es geht um die grundsätzlichen Anliegen und Inhalte, nicht um die aktuellen Aufreger!
Das Mitarbeitergespräch soll möglichst frei von aktuellen tagespolitischen Bezügen, Beschwerden und Ärgernissen sein. Gleichwohl werden aktuelle Befindlichkeiten die Rhythmik des Gesprächs beeinflussen. Die besondere Kunst in diesem Gespräch ist es, über diese Begrenzungen hinauszuwachsen und sich über das Grundsätzliche der Beziehungen und der Arbeitssituation auszutauschen. Wem etwa Zahnschmerzen quälen, wird wohl kaum frei von diesen Schmerzen sich über seinen ansonsten robusten Gesundheitszustand äußern. Wenden wir uns dem Beispiel "Die verpasste Beförderung" zu. Betroffener ist Herr Welke. Er hat sich, wie aufgezeigt,{45} wiederholt für eine Beförderung zum Oberstudienrat ins Gespräch gebracht hat. Häufiger hat er nachgefragt, wann er mit einer Beförderung zum Oberstudienrat rechnen könne. Andere sind an ihm vorbeigezogen und das beschäftigt ihn, zumal er dabei eine Gerechtigkeitslücke ausmacht.
Als Schulleitung muss man nicht über prophetische Eigenschaften verfügen, um zu wissen, welchen Schwerpunkt Herrn Welke bei dem anstehenden Jahresgespräch thematisiert wird. Beiden Gesprächspartnern dürfte klar sein, dass diese für Herr Welke schmerzliche Entscheidung enggültig gefallen und nicht mehr zu ändern ist. Der Blick zurück verlängert daher wohl das Leid und in der Sache bringt es die beiden Gesprächspartner keinen Schritt weiter. Das ist die kognitive Seite des Problems. Doch es gibt auch eine emotionale Sicht bei dieser Story. Denn diese als ungerecht empfundene Entscheidung legt sich bei vielen auf das Gemüt. Diese psychische Energie muss je nach Temperament mal mehr, mal weniger vertiefend aufgearbeitet werden. Es ist daher häufig in einer solch vorherrschenden Gemütslage für den Gesprächspartner schwer, mit einem forschen Statement diesen emotional bewegenden Aspekt abzuhaken und in sachlich lohnendere Themen umzusteigen. So gesehen kann es lohnend sein, zunächst den Frust ein Ventil zu geben und im Gespräch auf eine katharische Wirkung zu hoffen.
Eine kompetente und erfahrene Schulleitung wird diese herausfordernde Situation als Chance nutzen, um als Coach gemeinsam herauszuarbeiten, wie man mit der als persönlich erlebten Ungerechtigkeit professionell ohne nachhaltige Verbitterung umgehen kann.
d. Die drei Phasen des Mitarbeiter- Jahresgesprächs
Wer beim Jahresgespräch auf Nachhaltigkeit setzt, konzentriert sich nicht nur auf die Vorbereitungsphase. In einer lernenden Verwaltung sind es drei Phasen, auf die ein gutes und auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Gespräch ausmachen: Es ist die Phase der Vorbereitung auf das Gespräch, das Gespräch selbst und die Phase der Nachbereitung.
Eine wichtige Grundlage zur Vorbereitung des Gesprächs ist die Themenauswahl etwa anhand der Stichwortliste oder anhand der möglichen Alternativen wie etwa den strukturierten Fragen oder den Leitlinien. Welchen Weg die Gesprächspartner auswählen, stimmen sie im Vorfeld des Gesprächs ab. Die ausgewählten Gesprächsthemen werden dann einige Tage vor dem Gesprächstermin zwischen den Gesprächspartnerinnen ausgetauscht. Damit legen sie fest, welche Themen sie in diesem Gespräch ansprechen und vertiefen wollen.
Zur Vorbereitung des Gesprächs gehört, wie aufgezeigt, auch der organisatorische Rahmen, in dem die Gespräche stattfinden sollen. Neben der Terminplanung und Terminabsprache geht es um die Raumplanung und die Raumgestaltung. Da es sich hierbei um grundsätzliche Überlegungen handelt, die für alle anstehenden Mitarbeiter- bzw. Jahresgespräche gleichermaßen Gültigkeit haben, ist in dieser Frage die Schulleitung gefordert, für diese Gespräche einen ruhig gelegenen Besprechungsraum mit guter Anbindung an Servicebereiche auszuwählen. Mit der Wahl eines neutralen Raumes gibt die Schulleitung die Sicherheit des eigenen Reviers bewusst auf und setzt damit ein besonderes Zeichen: Die Wahl des Raumes steht für einen partnerschaftlichen Dialog ohne Rollenattitüden. Tisch, Stuhl, Medien und die sonstige Ausstattung sind auf diese Gespräche hin anzuordnen.
Zur mentalen Vorbereitung ist vor allem die Schulleitung gut beraten, sich grundsätzlich mit ihrer spezifischen Rolle, dem Auftrag und dem Anliegen dieses auf Partnerschaftlichkeit ausgerichteten Gesprächs vor allem auch im Kontext und in bewusster Abgrenzung zu ihrer gewohnten Führungsrolle auseinanderzusetzen. Dabei ist ein Rollenkonflikt zwischen den sachlichen Forderungen der Führungsverantwortung und einer partnerschaftlichen Gesprächsführung offensichtlich. Letztlich geht es um die Frage, wofür die Schulleitung bezahlt wird und wie dieses auf Partnerschaftlichkeit ausgerichtete Jahresgespräch in den Gesamtkatalog dieser Führungsaufgaben einzuordnen ist.
Ein großer Konzern bringt die sachliche Kompetenz einer Führungskraft auf den Punkt: Eine Führungskraft muss qualitative und quantitative Standards sowie Verhaltensstandards setzen. Quantität und Qualität der Arbeit und der Dienstleistungen müssen stimmen. Auch funktioniert eine Gruppe nur, wenn Verhaltensstandards eingehalten werden. Selbst der begnadete Fußballspieler muss daher am Training teilnehmen, wenn es ein begründetes, gemeinsam vereinbartes und akzeptiertes Regelwerk verlangt. Kurzum: Es gibt keine Ausnahmen von diesen Regeln. Eine Führungskraft ist aber auch für die physische und psychische Gesundheit und die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Das wird heute deutlicher herausgestellt. In ihrer Vorbildfunktion müssen selbst ehrgeizige und karrierebewusste Führungskräfte einen Gang runterschalten, wenn es die eigene oder die Gesundheit der zugeordneten Mitarbeiter*innen beeinträchtigt.
Als Gesundheitsmanager hat die Schulleitung vor allem auf eine gesunde Arbeit in einer gesunden Organisation hinzuwirken. Das ist nicht immer leicht. Denn wie bereits am Beispiel der Übermotivierten aufzeigt werden konnte{46}, gilt es, dieses überzogene und kräftezehrende Engagement auf ein gesundes Maß zu stutzen. Eine andere Qualität der Gesundheitsprävention zeigt sich, wenn es um häufige Krankmeldungen geht. Die Krankheitstage von Herrn Welke sind Anlass genug, die Beweggründe für das Fernbleiben herauszufinden. Wer von einem positiven Menschenbild als Schulleitung geleitet wird, geht zunächst einmal vorurteilsfrei an diese Frage heran. Hier steht die Diagnose vor der Therapie: "Ich will herausfinden, warum der Kollege Welke häufig fehlt." Denkbar ist eine krankmachende psychische Überforderung, aber auch ein Regelverstoß ist, wie ja bereits aufgezeigt wurde.
Jede Gruppe und vor allem jedes Team gibt sich Regeln. Nur, wenn jedes Mitglied diese Verhaltensstandards einhält, ist auf Dauer ein effizientes und effektives Zusammenwirken möglich. Aber wie kann ein Gesprächspartner auf das Einhalten von Regeln in einem auf Partnerschaft ausgerichteten Gespräch Einfluss nehmen? Sanktionen und/ oder Drohungen, Moralisieren oder gar Bagatellisieren helfen hier nicht weiter, zumal diese Art von Einflussnahme auch nicht systemkonform bei diesem Gesprächsformat sein kann.
Beim Thema "Entwicklung" ist die Schulleitung im Jahresgespräch als Coach gefordert. Wenn die Schulleitung als Coach etwas erreichen will, dann muss sie auf einen Grundsatz der Führung bauen: "Die selbst gefundene Lösung ist besser als der vorgedachte Weg!" Viele Führungskräfte neigen dagegen in heiklen Situationen dazu, als Vordenker und/ oder Richter aufzutreten. Dann werden Gebote und Verbote bemüht, statt durch eine einfühlende Fragentechnik den Gesprächspartner zum Nachdenken und zur Selbstreflektion zu bringen. Kontraproduktiv wären Aussagen wie: "Sie können sich doch nicht darüber wundern, dass sie Ärger mit den Eltern haben, weil . Denken Sie mal darüber nach." Zielführender ist es dagegen: "Wie empfinden sie es, wenn die Eltern so erregt auf Sie zukommen.Was geht in diesen Augenblicken in ihnen vor." Dieser Einstieg kann zu einer `selbst gefundenen Lösung` führen.
e. Die unterschiedlichen Rollen der Schulleitung
Die Schulleitung wird in den Jahres-/ Mitarbeitergesprächen neben der Rolle als Partner auch weitere Akzente setzen. So erweitert sich im Gespräch mit der "knorrigen Eiche" der partnerschaftliche Akzent hin zum Teamchef und Sozialingenieur. Wer dagegen ständig gegen Regeln verstößt, Abmachungen nicht einhält ständig einen Sonderweg geht, wird in dem Gespräch wohl kaum auf eine verständnisvolle kumpelhafte Akzeptanz hoffen können. Partnerschaftlich heißt nicht, alles zu tolerieren und die Probleme zu überkleistern, sondern mutig und konsequent herausstellen, was man nicht bereit ist hinzunehmen. Aber diese Kritik wird offen und respektvoll, unterlegt mit den ausgewogenen Argumenten vorgetragen und nicht von oben herab oder gar mit einem autoritären Gehabe. Die Kunst der Schulleitung liegt in der...