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Der Erfurter Dom, richtiger die Stiftskirche Beatae Mariae Virginis, und die Stiftskirche St. Severi sehen ihre Gründung im 8. und 9. Jh., die Peterskirche spätestens im 11. Jh.
Während die Schriftquellen fast sprudeln, kann die Archäologie keinerlei Funde vermelden.
»Vom Ende der römischen Kaiserzeit im 4. Jahrhundert bis etwa zum 10. Jahrhundert gibt es aus ganz Erfurt keine Siedlungsspur« sagt Karin Sczech, die Referentin des Landesamtes für Archäologie. ["Erfurts Wurzeln existieren bisher nur auf dem Papier" in Thüringer Allgemeine, 29.03.2014]
Eine bemerkenswerte Aussage und im Prinzip die Bestätigung der Phantomzeit. Natürlich halten sich die Archäologen ein Hintertürchen offen, indem sie immer ergänzen "noch nicht".
Am 11.07.2016, vermeldete die Thüringer Allgemeine, dass in Erfurt womöglich(!) erstmals(!) Spuren aus der Bonifatiuszeit gefunden wurden. Seitdem ist wieder Schweigen im Wald.
Die Stadt Erfurt führt seine Ersterwähnung auf Bonifatius zurück, der 742/743 einen Brief an Papst Zacharias gesandt haben soll, mit der Bitte, die Bistümer Würzburg, Erfurt und Büraburg gründen zu dürfen. Der Brief ist nicht im Original erhalten, sondern nur in der Vita des Mönchs Otloh erwähnt, der im 11. Jh. gelebt haben soll.
Die Stiftskirche Beatae Mariae Virginis (der heutige Dom) ist gemäß der Tradition eine Stiftung des Bonifatius' aus dem Jahr 752.
Die Stiftskirche St. Severi soll aus einer Paulskirche hervorgegangen sein, die nach der Übertragung der Reliquien des Hl. Severus im Jahr 836 zur Severikirche wurde.
Das Kloster St. Peter und Paul sieht seine Gründung im 11. Jh., wobei ein damals bereits existenter Kirchenbau vielleicht bis in das 8. Jh. zurückreichen soll.
Ich möchte mit dem Kloster St. Peter und Paul beginnen, das ich für die älteste Kirchengründung in Erfurt ansehe.
Das Benediktinerkloster St. Peter und Paul soll im Jahr 1060 durch Erzbischof Siegfried I. von Mainz (trad. 1060-1084) gegründet worden sein. In diesem Zusammenhang soll dieser die auf dem Petersberg ansässigen Kanoniker vertrieben und deren Kirche in eine Klosterkirche umgewandelt haben.
"Bei der Abschrift eines der damals wichtigsten hochmittelalterlichen Quellenwerke, der 1077/1079 verfassten Annalen des Hersfelder Mönches Lampert, für ihre eigene Bibliothek in der Zeit von 1110/1131 ... fügten die Mönche des Petersklosters in den vorgefundenen Annalentext zum Jahr 706 die Nachricht ein: "706: Gründung des Klosters des hl. Petrus in Erfurt, welches der Frankenkönig Dagobert errichtete auf dem Berg, der früher Merwigsburg hieß, aber von Dagobert selbst Berg des hl. Petrus genannt wurde."" [WERNER, 45]
"Gleichzeitig oder nur wenig später fälschten die Mönche von St. Peter eine Urkunde auf den Namen Dagoberts und auf das Jahr 706, in der sie diesen Bericht noch weiter ausschmückten und die Güterschenkungen genauer spezifizierten." [ebd., 47]
Da die traditionelle Geschichte im Jahr 706 keinen König Dagobert kennt, wird diese Nachricht von der Forschung mehrheitlich als Fälschung angesehen.
Konvertiert datieren die Annalen des Hersfelder Mönchs Lampert in die Jahre 1077+95=1172 bis 1174 und die Abschrift durch die Erfurter Mönche demzufolge in die Zeit von 1110+95= 1205 bis 1131+95= 1226.
Das Kloster St. Peter und Paul war ursprünglich ein Doppelkloster, das aus dem Mönchskloster St. Peter, das sich auf dem Petersberg befand, und dem zugehörigen Nonnenkloster St. Paul am Fuß des heutigen Severihügels bestand. Die Annahme eines Doppelklosters ist nicht neu.
Schon ZIESCHANG schreibt zur Severikirche Erfurt:
"Dieses Monasterium war das Benediktinerinnen-Kloster St. Paul, Schwesterkloster der Benediktinerabtei St. Peter auf dem benachbarten Petersberg." [ZIESCHANG, 55]
Da er die Bemerkung im Zusammenhang mit der Reliquientranslation im Jahr 836 macht, sieht er offensichtlich eine Klosterkirche im 9. Jh. auf dem Petersberg.
Auch ERTHEL erwähnt die Möglichkeit eines Doppelklosters in Erfurt. "Das prägende Organisationsmodell für die Hirsauer Reform seit dem späten 11. Jahrhundert bis in die Zwanzigerjahre des 12. Jahrhunderts bildete das Doppelkloster" [ERTHEL, 32]
Der heute auf dem Petersberg noch zu besichtigende Torso einer romanischen Kirche ist der Rest der Mönchskirche des ehemaligen Klosters St. Peter und Paul, die sog. Peterskirche.
Das zugehörige Nonnenkloster St. Paul war lange Zeit ein Phantom ? nur bekannt aus wenigen Schriftquellen -, bis im Jahr 2005 die Archäologen mehr zufällig die Reste eines "unbekannten" Kirchenbaus östlich der Severikirche entdeckten. Dazu mehr unten zur Nonnenklosterkirche St. Paul.
Zunächst zu dem Bau auf dem Petersberg, der Peterskirche.
Der in bedeutenden Resten noch stehende Bau soll nach aktueller Forschungsmeinung ab 1103 errichtet und 1147 geweiht worden sein. Der Bau ist damit das älteste in Erfurt erhaltene Zeugnis der romanischen Baukunst.
Grabungen 1920/21 ergaben, dass es vor dem heute sichtbaren geraden Chorschluss eine Bauphase (Bau I) gab, die apsidiale Schlüsse von Hauptchor und Nebenchören hatte [BECKER 1920, 91f und BECKER u. a., 607ff]. Der Ausgräber und die bisherige Forschung sahen darin eine Planänderung "wahrscheinlich unter Leitung des 1127 aus Hirsau gekommenen Abtes Werner" [DEHIO, 359].
Nach der Rekonstruktion von BECKER hatte der Ursprungsbau einen dreiapsidialen Chorschluss, etwas kleinere Querarme mit Nebenapsiden und ein breiteres Mittelschiff. Der Westbau war dreizellig, vermutlich für die Errichtung von Türmen konzipiert. Insgesamt folgte der Grundriss dieses Baus in etwa dem ab dem 12. Jh. üblichen quadratischen Schematismus.
Damit erscheint klar, dass Bau I frühestens um das Jahr 1100 errichtet wurde. Mit dem Baubeginn 1103 scheint die Forschung da zunächst richtig zu liegen.
Bei dem späteren Umbau (Bau II) wurde der Ostabschluss komplett geändert, indem die Apsiden des Mittelschiffs und der Nebenchöre einem geraden Chorschluss, möglicherweise in Anlehnung an St. Peter und Paul in Hirsau, weichen mussten, und das Mittelschiff zu Lasten der Seitenschiffe verbreitert wurde. Der Westbau wurde vermutlich weitgehend unverändert übernommen.
Die Seitenschiffswände einschließlich dem Anschluss der Westwände der Querarme und vielleicht die Außenwände der Nebenchöre wurden unverändert übernommen. Damit ging die Verbreiterung des Mittelschiffs zu Lasten der Breite der Seitenschiffe. Es wurde sogar die Pfeilerstellung der Mittelschiffsarkaden beibehalten, vermutlich wegen der Anordnung der Fenster in den übernommenen Seitenschiffswänden. Der Grundriss entsprach nach dem Umbau nur noch in Ansätzen dem gebundenen System.
2015 veröffentlichte HOPF eine neue Arbeit zur Peterskirche, in der er die Auffassung vertritt, dass "ab 1103 lediglich ein neuer Dreiapsidenabschluss an die Ostseite einer älteren Kirche" angefügt wurde [HOPF, 17]. Nach HOPF wurde ab 1127 die gesamte Altanlage niedergelegt und der heute noch stehende Bau in einem Zug errichtet. Die bei den Grabungen aufgefundenen Mauerzüge der älteren Kirche aus "unregelmäßig hammergerechtem Handquadermauerwerk" datiert HOPF noch in das 10. Jh.
Erfurt, St. Peter, Gegenüberstellung der Grundrisse: oben Bau I, unten Bau II. Entnommen aus [BADSTÜBNER, 69]
Erfurt, St. Peter, Grundriss des Westbaus mit Eintragung der ursprünglichen Achsen der Mittelschiffsarkaden. Grundriss (Ausschnitt) entnommen aus [BECKER u. a., 601]
Erfurt, St. Peter. Grundriss Bau II mit Einfügung der Rekonstruktion des Ostschlusses von Bau I (nach BECKER) im Nordosten und Eintragung des romanischen Rasters für Bau I (rot)
Die Konvertierung der traditionellen Datierungen:
Die konvertierten Datierungen liefern ein neues, aus meiner Sicht keineswegs unplausibles Bild:
Die Konvertierung der Jahreszahl 706 erscheint zunächst nicht eindeutig. Mit der Annahme einer Datierung in der christlichen Ära und dem Zuschlag von 323 Jahren führt diese Nachricht in das Jahr 1029 ? m. E. deutlich zu früh. Eher nachvollziehbar ist die Konvertierung mit 702 Jahren, die in das Jahr 1218 leitet. Es gäbe dabei jedoch eine Überschneidung mit der angeblichen Gründung des Benediktinerklosters im konvertierten Jahr 1155.
Die Bezugnahme auf König Dagobert ist natürlich ein späteres Konstrukt und irrelevant. Sie sollte die Bedeutung der Gründung...
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