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Kapitel 1
Trumps Griff nach Europa: Rechtspopulisten rücken vom Rand in den Mainstream
Hunderte Fallschirmjäger regnen auf die berühmte National Mall in Washington herab. Sie ziehen an der Kuppel des US-Kongresses und am weißen Obelisken des Washington Monument vorbei, der die amerikanische Hauptstadt überragt. Einige von ihnen landen in unmittelbarer Nähe des Weißen Hauses. Die Luft ist schwer von Sommergewittern, der Wind hat weißgraue Rauchschleier von Hunderte Kilometer entfernten Waldbränden herübergeweht. Mehrere Tausend Zuschauer bejubeln das Spektakel. Die First Family beobachtet es von einer Ehrentribüne aus hinter kugelsicherem Glas. Immer wieder steht Donald Trump auf, um zu salutieren. Drohnen und Militärhubschrauber kreisen über dem Gelände. Als zum Finale Kanonen abgefeuert werden, bebt der Boden.
Mit diesen Szenen sollte die Welt sehen, wie großartig die Vereinigten Staaten sind, beziehungsweise: wie großartig sie durch Donald Trump geworden sind. Als der US-Präsident am 14. Juni 2025 seinen 79. Geburtstag feierte, fiel das Datum mit dem Jubiläum zum 250-jährigen Bestehen der US Army zusammen. Trump ließ eine 45 Millionen Dollar teure Militärparade durch die Hauptstadt Washington auffahren - bezahlt von Steuergeldern und Sponsoren wie Amazon, Boeing, T-Mobile und dem Kryptowährungsanbieter Coinbase.1 In seiner ersten Amtszeit hatte Trump immer von einer solchen Parade geträumt. Damals wurde ihm wegen der hohen Kosten davon abgeraten, auch fürchtete man eine an Diktatoren und Autokraten erinnernde Optik. Nun, in seiner zweiten Amtszeit, sollte sich Trumps Wunsch nach einer ultimativen Machtdemonstration erfüllen. Niemand stellte sich Trump mehr in den Weg - kein Berater, keine Republikaner, keine demokratische Opposition. Zwar wurden am Tag der Parade im ganzen Land Proteste unter dem Motto »No Kings Day« abgehalten, was aber nichts daran änderte, dass Trump wieder einmal das bekam, was er wollte.
Nach diesem Muster - Fakten schaffen und immer neue Tabus brechen - funktioniert Trumps Präsidentschaft auf vielen Ebenen. Die institutionelle Krise, die viele Beobachter zu seinem Amtsantritt fürchteten, ist eingetreten. Das Fundament der einst als unerschütterlich geltenden Demokratie bröckelt. Es wird erschüttert, wenn Trump und sein Vize J.D. Vance für Massenabschiebungen das Kriegsrecht heranziehen und als Reaktion darauf, dass Richter dagegen Einspruch erheben, die Gewaltenteilung infrage stellen.2 Oder wenn Trump wegen Ausschreitungen in der kalifornischen Stadt Los Angeles Soldaten der Nationalgarde und des Marinekorps an die Westküste entsendet - ohne Zustimmung des dortigen Gouverneurs. Kaum ein Tag vergeht, an dem Trump nicht neuen Gegnern den Kampf erklärt: der Eliteuni Harvard, der Wissenschaft und Forschung, Einreisenden mit Touristenvisa, Medien, Anwaltskanzleien, der demokratischen Spendenplattform Act Blue und natürlich dem Regierungsapparat. Zwölf Prozent der 2,4 Millionen zivilen Bundesbediensteten wurden binnen weniger Wochen entlassen.3 In vielen Fällen preschte das Weiße Haus voran, ohne den Kongress einzubinden, oder man schwächte unabhängige Aufsichtsbehörden. Trumps Rache-Präsidentschaft richtet sich systematisch gegen jeden, der ihm im Weg stand und steht. Dieses Machtverständnis unterscheidet ihn von allen seinen Vorgängern.
Laut den Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, Autoren des Buchs How Democracies Die, und dem kanadischen Politikwissenschaftler Lucan Way stehen die USA mit Trump unter einem »neuen Regime« in der Grauzone zwischen Demokratie und Autokratie. »Für viele amerikanische Bürger und Organisationen sind die Kosten der Opposition deutlich gestiegen. Zwar sind diese Kosten nicht so hoch wie in Diktaturen wie Russland, wo Kritiker inhaftiert, ins Exil geschickt oder getötet werden. Doch ist Amerika mit erstaunlicher Geschwindigkeit in eine Welt abgeglitten, in der Regierungsgegner strafrechtliche Ermittlungen, Klagen, Steuerprüfungen und andere Strafmaßnahmen fürchten müssen und sogar republikanische Politiker vor Todesdrohungen Angst haben«, schrieben die Autoren in einem Warnbrief in der New York Times.4 »Wenn Bürger zweimal überlegen, bevor sie die Regierung kritisieren oder sich ihr widersetzen, weil sie mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen müssen, leben sie nicht mehr in einer vollständigen Demokratie.«
Es ist genau diese Furcht, die zum Teil erklärt, warum es - abgesehen von gut besuchten Kundgebungen um die Progressiven Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez - kein flächendeckendes Aufbäumen der Opposition gibt. Graswurzelorganisationen äußern Sorge, dass der Präsident Ausschreitungen zum Anlass nehmen könnte, über den »Insurrection Act« (zu Deutsch: Aufstandsgesetz) das Kriegsrecht zu verhängen5 - und damit dann nicht nur gegen illegale Einwanderer, sondern auch gegen seine eigenen Staatsbürger vorgehen könnte. Dass Trump damit während der Kalifornien-Ausschreitungen drohte, zeigt, dass diese Möglichkeit ständig im Raum steht. Zudem haben die Demokraten mit Altlasten zu kämpfen, die durch die Krebsdiagnose ihres Ex-Präsidenten Joe Biden kaum abgemildert werden. Wer hat was zu welchem Zeitpunkt vertuscht? Die Debatte über Bidens Altersschwäche im Amt reißt nicht ab und verhindert bislang einen Neustart der Demokraten, damit sie mit voller Kraft in den Wahlkampf für die Zwischenwahlen 2026 und die Präsidentschaftswahlen 2028 gehen können. Auch wenn Trump in Umfragen zwischenzeitlich der unbeliebteste Präsident aller Zeiten ist, scheint es den Demokraten nichts zu nutzen, weil sie ebenfalls kein Feuer der Zustimmung entfachen können.
Die Instabilität im Inland schlägt sich längst auf die außenpolitischen Beziehungen nieder. Das Oval Office droht bei Besuchen von Staats- und Regierungschefs zur Gefahrenzone zu werden. So brüskierte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa vor laufender Kamera. Den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz umschmeichelte Trump zwar bei dessen Antrittsbesuch im Juni 2025 (»Er ist ein angesehener Mann«), was die außenpolitische Gemengelage aber nicht weniger kompliziert macht. Über Monate hatte Trump dem Multimilliardär Elon Musk Zugang zu seinem innersten Machtzirkel, zu sensibelsten Daten und Informationen verschafft. Bevor sie sich wegen eines öffentlich ausgetragenen Streits über die Rekordverschuldung der USA entzweiten, war der Tesla-Chef bei Kabinettssitzungen dabei und begleitete den Präsidenten bei seiner ersten Auslandsreise nach Saudi-Arabien. Lange ging Musk in Trumps Luxusresort Mar-a-Lago ein und aus. Doch nach ihrem spektakulären Zerwürfnis, das ausgerechnet am Tag des Merz-Besuchs stattfand, attackierte Trump seinen einstigen »wundervollen Freund« als »völlig verrückt«.6 Im Juli 2025 verkündete Musk die Gründung einer eigenen Partei (»The America Party«), seitdem sind sie offiziell Feinde. Dass Trump ihn über Nacht verstieß, wirft Fragen auf, welchen »Freund« er als Nächstes abserviert und mit welchem Maß an Zurechnungsfähigkeit der US-Präsident Entscheidungen über Krieg und Frieden trifft.
Trump droht unter anderem damit, sich aus den Waffenstillstandsgesprächen zum Ukrainekrieg »zu verabschieden«, dazu könnten die USA Teile ihrer Truppen aus Europa abziehen. Seitens der US-Regierung wird zwar begrüßt, dass Nato-Staaten wie Deutschland ihre Verteidigungsbudgets massiv erhöhen wollen. »Das ist der Trump-Effekt«, frohlockte der externe Berater der Trump-Regierung, Nile Gardiner, von der rechtskonservativen Heritage Foundation bei einer Anhörung im Kongress. Die ehemalige Nato-Botschafterin Julianne Smith, die unter der Präsidentschaft Joe Bidens nach Brüssel entsandt worden war, saß direkt neben ihm. Sie widersprach Gardiner und sah eine »riesige Vertrauenslücke«, die an die Stelle der einstigen Finanzierungslücke gerückt sei. »Viele europäische Regierungen befürchten, dass die Unterstützung der USA für die Nato nun an Bedingungen geknüpft ist und sich plötzlich ändern könnte. Sie sind besorgt über die Abkehr der USA von der Unterstützung der Ukraine. Diese Unsicherheiten veranlassen die Verbündeten, sich abzusichern und sich zunehmend auf sich selbst zu konzentrieren.«
Mit anderen Worten: Dem größten militärischen Bündnis der Welt, das wie kein anderes für Friedenssicherung und die Westbindung Europas steht, droht der Bruch mit den USA - wenn nicht auf dem Papier, dann durch interne Neuausrichtungen und Strategiewechsel. Laut dem Chef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, habe Europa »drei Jahre Zeit«, bis es für seine eigene Sicherheit sorgen müsse, über ein modernes, mit künstlicher Intelligenz ausgestattetes Militär. »Zurzeit können wir uns nur eingeschränkt selbst verteidigen. Zudem ist die Bedrohung aus dem Osten größer und der Beistand aus dem Westen deutlich kleiner geworden«, mahnt Schularick.
Europa kann sich nicht mehr auf die schützende Hand der USA verlassen, spätestens das ist mit Trumps zweiter Amtszeit klar geworden. Impulse...
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