Deutsches Schimpfwörterbuch oder die Schimpfwörter der Deutschen.
Zum allgemeinen Nutzen gesammelt und alphabetisch geordnet, nebst einer Vorvor-, Vor- und Nachrede, von Mir. Selbst.
Arnstadt, Buchhandlung von F. Meinhardt. 1839. Vorrede zur Vorrede. In Gersdorf's Repertorium. 1838. 18. Bd. 1. H. p. 11. ist die Recension von einem Buche des Pfarrers Zorn: "Auswahl von Predigten etc." in welcher der Recensent den Verfasser deßhalb tadelt, daß er seinem Werke keine Vorrede vorgesetzt habe, und folgende Gründe seines Tadels angiebt:
"Kein wahrhaft gebildeter Leser überschlägt eine Vorrede und kann sie missen, wenn sie anders ist, was sie sein soll; vielmehr thut es ihm wohl, wenn der Verf. im Geiste zu ihm tritt, ihm das Wort gönnt und mittheilt, wie er die Frucht seines Geistes angesehen wissen will, und so vermittelt, daß der Leser nicht als Fremdling ihm gegenüber steht."
Denkt nun ein Recensent wie der andere, so müßte ich von meinem künftigen ebenfalls nichts anders als Tadel erwarten, wenn ich dieses Büchlein ohne Vorrede lassen wollte. Daher thue ich lieber ein Uebriges und schreibe dieses als Vorrede zur Vorrede. Vielleicht erwerbe ich mir auch dadurch sogar noch die Gunst meines künftigen Herrn Recensenten!
Vorrede. Dieses Büchlein enthält Schimpfwörter, oder Wörter, durch deren Gebrauch gegen einen Andern man der Ehre desselben zu nahe tritt, so daß sich derselbe nicht blos beleidigt, sondern auch, da man seine Fehler, Gebrechen und Schande damit bezeichnet und er dadurch der Verachtung Preis gegeben wird, schwer gekränkt fühlen muß.
Die Stichelwörter, Spitzwörter, Spottnamen, Scheltwörter, Schmähwörter gehören insgesammt hieher und können als Schimpfwörter betrachtet werden, wenn man die Umstände berücksichtigt, unter welchen und gegen wen man sie gebraucht. Es kömmt ja dabei nur auf die Verbindung, Verhältnisse, Ton und Miene an. - Manche Schriftsteller unterscheiden sie auch gar nicht von einander. So ist z. B. nach Bechstein (S. dessen Sagenschatz. 2r Thl. p. 11.) das Wort Heringsnase in der Ueberschrift seines Aufsatzes ein Spitzname, im Texte aber ein Spottname und Schimpfname genannt.
Die Schimpfwörter sind insgesammt entweder Substantiva oder Adjectiva, letztere werden entweder andern Substantiven beigefügt, oder auch selbst in Substantive verwandelt, so wie man auch wieder aus vielen Substantiven Adjective macht.
Der Titel Schimpfwörterbuch ist eigentlich nicht ganz richtig. Man weiß ja nicht: ob man Schimpf-Wörterbuch oder Schimpfwörter-Buch lesen soll. Es müßte heißen: Schimpfwörter-Wörterbuch. Das klingt aber nicht hübsch. Bediente man sich der musikalischen Wiederholungszeichen und Bindungszeichen, so könnte man schreiben: Schimpf||:Wörter:||Buch. Das sieht aber nicht gut aus und ist auch nicht gewöhnlich. - Indeß auf die Genauigkeit des Ausdrucks kann man verzichten und der Kürze wegen den: Schimpfwörterbuch annehmen, wenn man nur weiß, was es enthält, nämlich: ein Verzeichniß von Schimpfwörtern. Ueberdem ist der Bestimmtheit wegen nach dem "oder" der Titel genauer angegeben.
Wer aus dem Titel: "Deutsches Schimpfwörterbuch," schließen wollte, daß die angegebenen Wörter alle rein deutsch wären, der wird beim Nachschlagen sogleich sehen, daß dem nicht so ist, und gar viele vorkommen, die aus neuen oder alten Sprachen abstammen und nur germanisirt sind, oder die man geradezu aus den fremden Sprachen an- und aufgenommen hat. Diese fremden Wörter haben sich in unsere Sprache eingeschlichen dadurch: 1) daß unsere Groß-, Urgroß- und Ururgroßväter der Gewohnheit fröhnten, nicht rein deutsch zu sprechen und zu schreiben, und es für schön hielten, wenn sie recht viele fremde, besonders französische Wörter gebrauchten, mit den deutschen unter einander mischten und ein dem Heringssalat ähnliches Sprachgemengsel zurichteten. Die meisten dieser Fremdlinge sind von unsern Sprachreinigern schon verdrängt, viele sind aber doch noch zurückgeblieben. 2) Daß die Deutschen allenthalben zerstreut sind und von fremden Nationen, mit welchen sie in genauerm Verkehr stehen, nur zu leicht etwas an- und aufnehmen. So gebrauchen z. B. die Deutschen in den russisch-deutschen Ostseeprovinzen, selbst wenn sie auch kein Wort russisch verstehen, eine Menge russischer Ausdrücke, die bei ihnen ganz das Bürgerrecht erlangt haben. Dasselbe findet man bei den Deutschen, welche unter Franzosen oder in der Nähe derselben leben, so wie auch bei den deutschen Auswanderern in Amerika etc. Gelegentlich werde hier bemerkt, daß überhaupt diejenigen, welche eine fremde Sprache blos durch den Umgang, ex usu, erlernen, gewöhnlich zuerst die Schimpfwörter und Flüche aus dem fremden Idiom auffassen, sich aneignen und solche beim Sprechen in ihre Muttersprache einmengen. 3) Daß viele der Herren Gelehrten von einer wahren Sucht besessen sind, alles gräcisiren zu wollen. Dieses geschieht von ihnen vielleicht, um ihre tiefe Gelehrsamkeit an den Tag zu legen, vielleicht auch in der Meinung, daß es weit schöner und besser klinge, wenn sie einen Begriff, den sie doch rein deutsch ausdrücken könnten, mit einem griechischen oder aus dem Griechischen zusammengesetzten Worte bezeichnen. - Alle diese Wörter, so weit sie mir bekannt wurden, ob sie gleich ohne Erklärung nicht jeder versteht, so wie auch die blos in einer Provinz gebräuchlichen, mußte ich, da sie doch einmal von den Deutschen mündlich und schriftlich gebraucht werden, demnach hier mit aufnehmen, und daher kann ich auch wohl auf den Titel mit Recht sagen: Schimpfwörter der Deutschen.
Ob in den alten Zeiten schon ein Werk über diese Materie erschienen sein mag, kann ich nicht sagen. In einem alten Bücherkataloge fand ich blos ein Buch unter dem Titel: Henr. Linkens de scommatibus, von Stichelreden, angeführt, welches vor mehr als einem Jahrhunderte zu Erfurt in 4to gedruckt worden ist. Vielleicht enthält es einiges hieher Gehörige. Das Buch selbst ist mir noch nie und nirgends zu Gesicht gekommen. Ich mußte daher, ohne Vorgänger benutzen zu können, alles mühsam zusammentragen und zwar zuerst aus Wörterbüchern, in welchen viele, aber bei weitem nicht alle Schimpfwörter vorkommen. Mehrere findet man in den Schriften der Herrn Gelehrten, jedoch sehr zerstreut, besonders in den Streitschriften, auch in einigen Zeitschriften und in Werken der sogenannten schönen Literatur. Die Meisten aber kommen aus dem Munde des Volks, des gemeinen und vornehmen Pöbels.
Um jedes Wort leicht aufzufinden, ist die Anordnung derselben alphabetisch. Indessen ist zu einem andern Zwecke auch eine andere Anordnung möglich, wie ich weiterhin ganz kurz anzeigen werde.
Ohne Zweck und Nutzen ist wohl nichts in der Welt, nur springt letzterer nicht Jedermann und immer sogleich in die Augen. Daher glaube ich den Nutzen, welchen das Schimpfen und dieses Werkchen, nicht blos jedem Einzelnen, sondern auch der ganzen Menschheit gewähren kann und wirklich gewährt, kürzlich darlegen zu müssen.
Das Vermögen, schimpfen zu können, ist ein wesentliches Unterscheidungszeichen zwischen Menschen und Thier, und giebt dem erstern vor letzterm einen außerordentlichen Vorzug. Ein gewisser Gelehrter (Dr. Wiszniewski, jetzt Professor in Charkow) behauptet zwar, daß die Thiere wirklich Sprachen haben, hat auch ein Werk über die Sprachen der Thiere herausgegeben, und in einer Zeitschrift (wenn ich nicht irre, im Morgenblatte) sind daraus Pröbchen von der Hunde-, Gänse- und Hühnersprache, nebst einer deutschen Uebersetzung. Indessen scheint es, als wenn nur der Herr Verf. die schöne Gabe besitze, die verschiedenen Thiersprachen aufzufassen und zu verstehen. Schwerlich wird er aber beweisen, daß jedes Thier in seiner Sprache schimpfen kann, und, sollte es möglich sein, daß auch dieses Schimpfen der Thiere auf die Menschen einen Eindruck mache. Es ist zwar wahr, daß der Hund mit seinem Hau! hau! eben so wie der Franzos mit seinem Monsieur, gar Vieles zu verstehen geben kann, wenn man die lebhafte Mimik derselben dabei beachtet, als bei den Hunde seine ganze Stellung, seinen Kopf und die einzelnen Theile desselben, besonders die Stirn, Augen und Schnauze und seinen Schwanz, und auf die Modulationen des Tons dieses Hau! hau! aufmerksam ist. Jedoch wird dieses kein Mensch als ein Schimpfen betrachten, nach dem oben angegebenen Begriffe von diesem Worte. Ganz anders ist es aber mit dem Menschen. Dieser schimpft nicht blos seines Gleichen, sondern auch die Thiere, seine Pferde, Hunde etc., und jeder nur einigermaßen aufmerksame Beobachter kann tagtäglich durch eigene Erfahrung wahrnehmen, wie mächtig dieses Schimpfen auf die Thiere wirkt und wird dann gestehen müssen, daß sich der Mensch besonders durch die schöne Gabe zu schimpfen von den Thieren wesentlich unterscheidet.
Schon in den frühesten Zeiten hat man das Schimpfen als eine besondere Gabe betrachtet. Vater Gleim singt:
"Ihr Faunen und Nymphen!
Es gab euch ein Gott
Die Gabe zu schimpfen
Und Mienen zum Spott."
Daß diese schöne Gabe von manchen Menschen zuweilen recht cultivirt, und solchen das Schimpfen zur Gewohnheit worden ist, und zwar unter allen Ständen, daß das Schimpfen...