Schweitzer Fachinformationen
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Ich fahre den Schneepflug gern, besonders dann, wenn der Wind wie ein Geisterheer heult und der Schnee wie Schrotkörner gegen meine Windschutzscheibe klatscht. Ich bin für die fünfzehn Meilen Highway verantwortlich, die von Trinity in Richtung Süden nach Irving Station führen. In stürmischen Nächten gehört mir die Straße ganz allein - dann existiert nichts außer meinem mobilen Metallklotz und mir, während wir gegen die Naturgewalten ankämpfen.
In dieser Gegend muss man sich viel mit schlechtem Wetter herumschlagen. So ziemlich das ganze Jahr hindurch herrscht hier starker Wind, und im Sommer und Herbst gibt es oft Regen, der mal mehr, mal weniger stark fällt. Dann ist da noch der Februar, der hierzulande eine Unterart der Hölle ist, denn es ist ein unerbittlicher, verfrorener Monat, in dem es fast pausenlos stürmt und schneit . und das sind dann noch die schönen Tage. Dieser hier war definitiv keiner davon.
Das Unwetter hatte am Morgen begonnen. Zuerst waren es nur vereinzelte Schneeflocken gewesen, die aber auf so starken Böen daher gejagt gekommen waren, dass es sofort eindeutig war, was uns drohte. Im Laufe des Nachmittags war es dann immer schlimmer geworden, bis schließlich während des wütenden Sturms sechs Zentimeter Neuschnee pro Stunde fielen. Seit vier Uhr in der Früh war ich bereits mit dem Pflug unterwegs, inzwischen schon seit drei Stunden ohne Pause, damit zumindest eine einzige Fahrspur schneefrei blieb. Ich räumte den Schnee ohne Unterlass, aber kaum, dass ich kehrtmachte, wehte der Wind ihn wieder zurück, und dann wiederholten wir das ganze Spielchen. In manchen Nächten schaffte ich es, die Straße schneefrei zu halten, bis das Unwetter endlich vorbei ist, doch in anderen zwingt das Wetter mich irgendwann schmollend in den Betriebshof zurück. Im Moment stand es noch unentschieden zwischen uns, wobei ich langsam den Eindruck bekam, dass ich heute verlieren würde.
Am westlichsten Punkt meiner Route, dem Tankstellenparkplatz, wendete ich. In der Tankstelle selbst war alles ruhig. Es brannte zwar Licht, aber Kundschaft war nirgendwo zu sehen. Durch die wirbelnden Schneeflocken hindurch konnte ich nur Mary erkennen, die drinnen auf und ab ging. Ich zögerte kurz und fragte mich, ob ich auf einen Kaffee, einen Donut und ein kurzes Schwätzchen haltmachen sollte, denn Mary war in solchen Nächten stets eine gute Gesellschaft. Außerdem würde sie sich ebenfalls über ein freundliches Gesicht freuen. Aber es schneite immer noch ohne Unterlass und so, wie die Dinge momentan standen, konnten selbst zehn Minuten Pause zu großen Verwehungen führen.
Ich fuhr also schweren Herzens wieder in Richtung Norden und freute mich stattdessen auf die Pause, die ich irgendwann einlegen und dann den langersehnten Kaffee trinken würde. Wobei George und Jimmy an Marys Charme nicht annähernd herankamen. Während der Pflug dahindonnerte und am Straßenrand hinter mir einen großen Wall aus aufgetürmtem Schnee hinterließ, dachte ich weiter an Mary. Ich fuhr gerade mit sechzig durch die Haarnadelkurve und sang dabei in voller Lautstärke zur Musik aus meinen Kopfhörern mit.
I'm walking on sunshine.
Auf diese Art habe ich den Großteil meines Erwachsenenlebens zugebracht - na ja, zumindest die Winter. Die Jungs in der Bar sagen immer, dass es ihnen schleierhaft war, wie ich Nacht für Nacht bei Wind, Kälte und Schnee unterwegs sein könnte. Aber um ganz ehrlich zu sein, finde ich es irgendwie friedvoll. Außerdem - aber das ist natürlich etwas, das ich den Jungs nicht bei einem Bier erzähle -, ist es für mich eine Pflicht, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, auf diese Art etwas zurückgeben zu können. In der Witlow Road gibt es einen Jungen, der mich für einen Superhelden hält, eine Art dunklen Racheengel, der die Winterstürme daran hindert, sein Zuhause zu verschütten. Insgeheim gefällt mir diese Vorstellung irgendwie. Dies zuzugeben, würde allerdings besonders den Biertrinkern gegenüber, monatelanges Hänseln nach sich ziehen, das wahrscheinlich wohlverdient wäre.
Schließlich ist es ja nicht so, als würde ich gegen irgendwelche Erzfeinde kämpfen. Doch wenn der Sturm erst mal richtig loslegt, gibt es nur noch den Highway und mich. Manchmal sehe ich einen Elch oder einen Kojoten. Noch seltener entdecke ich einen PKW oder Pick-up, der mir vorsichtig in meiner Spur folgt. Jemand mit genügend Verstand, um nicht zu versuchen, den Pflug zu überholen, aber doch nicht mit so viel Verstand, um in einer solchen Nacht zu Hause zu bleiben.
Doch in dieser Nacht war bisher alles ruhig und ich hatte die ganze Straße für mich. Außer dem hypnotisierenden Tanz der fallenden Schneeflocken in meiner hellen Scheinwerferbahn und den reflektierenden Streifen der Leitpfosten, die mich auf gerader Strecke hielten, sah ich nichts Besonderes. Als ich den höchsten Punkt der Haarnadelkurve erreichte, fiel der Schnee noch stärker, aber das störte mich nicht. Ich hatte diese Strecke mittlerweile schon so oft geräumt, dass ich es im Schlaf tun könnte. In meinen winterlichen Träumen von dunklen Straßen und weißem Schnee tat ich das tatsächlich auch oft.
Ich war entspannt, und hatte alles so gut im Griff, dass ich es fast nicht bemerkte, als etwas Seltsames passierte.
Es geschah auf der letzten Steigung der Haarnadelkurve. Am linken Straßenrand erregte plötzlich etwas meine Aufmerksamkeit: ein hellerer Fleck in der Dunkelheit. Zuerst war es nur ein Nebelwölkchen, und es dauerte ein paar Sekunden, bis ich wahrnahm, dass es dort, wo die Scheinwerfer es erfassten, irgendwie zu glühen schien. Als ich weiter bergauf fuhr und die letzte Hügelkuppe passiert hatte, bevor es wieder nach Trinity Junction und auf Meereshöhe hinunterging, schien es sich auf einmal schnell zu bewegen und so den Abstand zwischen uns zu wahren.
Ich riss mir jetzt die Kopfhörer von den Ohren und mein Herz schlug wie wild. Ich trat so hart, wie ich es wagte auf das Gaspedal und hoffte verzweifelt, dass es sich bei diesem seltsamen Nebel nicht um das handelte, was ich befürchtete.
Doch der Nebel beschleunigte jetzt ebenfalls. Das glühende Wölkchen raste mit siebzig Sachen dahin und wurde auf dem Gefälle sogar noch schneller. Als wir den Fuß des Hügels erreichten, befand es sich ein Stück links vor mir. Bei dem Versuch, die rechte Abzweigung zur Trinity Road zu schneiden, krachte ich mitten in eine größere Schneewehe hinein. Der Pflug erzitterte und schickte eine Stoßwelle in meinen Rücken hoch, die meine Aufmerksamkeit einen Moment lang von der Straße ablenkte - es war nur eine Sekunde, aber es schien so, als hätte der Nebel nur darauf gewartet, denn er schlug jetzt zu wie ein angreifendes Tier; zumindest fühlte es sich genauso an. Binnen einer Sekunde hatte er den Schneepflug verschluckt, und plötzlich sah ich auf der anderen Seite der Windschutzscheibe nur noch undurchdringliches Weiß. Ich war also gezwungen, langsamer zu fahren. Anhalten würde ich aber auf keinen Fall, daher steuerte ich den Pflug in so gerader Linie, wie ich nur konnte, und betete dabei.
Kurz darauf kreischte Metall auf. Das Lenkrad zuckte unter meiner Hand und drohte, den Pflug nach links zu reißen. Die Straße war mir vertraut genug, dass ich den tiefen Straßengraben auf der linken Seite kannte, hinter dem ein Steilhang zur Bucht abfiel. Wenn ich hinunterstürzte, würde ich bis zum Frühling dort festsitzen. Ich riss das Lenkrad daher verzweifelt hart nach rechts und schaffte es auf diese Weise, den Pflug wieder gerade auszurichten. Aber dieses rätselhafte Ding hatte wohl immer noch nicht genug von mir, denn das seltsame diffuse Licht füllte weiterhin mein gesamtes Sichtfeld aus. Erneut hörte ich Metall aufkreischen, als hätte es qualvolle Schmerzen. Ein Sprung, der sich in der Enge der Fahrerkabine laut wie ein Schuss anhörte, erschien auf der Fensterscheibe meiner linken Tür, und als ich meine Hand darauflegte, begannen die Fingerspitzen meiner Handschuhe zu rauchen, so als stünden sie in Flammen. Das bleiche Glühen draußen wurde nun immer heller.
Ich riss den Pflug nach rechts, allerdings nicht zu weit, denn ich wusste, dass es auch auf dieser Straßenseite einen kleineren Graben gab. Dann steuerte ich wieder nach links und trat dabei das Gaspedal bis zum Boden durch. Mittlerweile machte ich mir mehr Sorgen darüber, von irgendetwas gefangen zu werden, als dass ich nichts sehen konnte. Unter der Fahrerkabine wurde Metall zertrümmert und einen schrecklichen Moment lang befürchtete ich, dass ich an einem gefallenen Ast festhing. Doch dann riss sich der Pflug mit einem lauten Kreischen wie aus frustrierter Wut endlich wieder los, und ich raste weiter die enge Straße entlang. Das bleiche Glühen wurde nun schwächer und ich konnte die Straße endlich wieder sehen. In meinem Rückspiegel wurde der glimmende Nebel immer kleiner, und mir wurde bewusst, dass ich dringend wieder Luft holen musste.
***
Mir war klar, dass ich in dieser Nacht nicht mehr viel aus dem Pflug herausholen konnte. Als ich an der Bonaventure-Kreuzung zu der Stelle abbog, wo der Campingplatz lag, begann der Motor plötzlich zu husten und zu stottern, und bei meiner Einfahrt in die Stadt kratzte unter mir irgendetwas lautstark über die Straße.
Ich schaffte es gerade noch so eben den Schneepflug wie mit Samthandschuhen auf den Betriebshof zu steuern und kam gleichzeitig mit George Hislop dort an, der das wuchtige Streufahrzeug von seiner Tour durch die städtischen Straßen zurückbrachte. Als ich ausstieg, winkte ich ihm zu, doch er beachtete mich überhaupt nicht, sondern starrte nur mit weit aufgerissenen Augen auf den Kühlergrill meines Pflugs. Ich schlug meine Tür zu, deren Scheibe einen deutlichen Riss...
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