Schweitzer Fachinformationen
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Was stimmt nicht mit der Q-Linie?
Andrew Gould und Natasha Brown
29. Dezember 2019
Wir in New York sind weit davon entfernt, Perfektion oder gar Pünktlichkeit von unserer Subway zu erwarten. Doch diese Woche gibt es ein weiteres Problem mit der Q-Linie: Elektrische Überspannungen sorgten dafür, dass Lichter ausgingen, Anzeigetafeln ausfielen und sich zahlreiche Züge verspäteten.
Am Montag verkündete die Manhattan Transit Authority (MTA), dass mit einer Stunde Verspätung in beide Richtungen zu rechnen wäre, während sie dem Problem auf den Grund gehe. Am selben Nachmittag wurde der Betrieb wiederaufgenommen, doch Berichten zufolge gibt es immer noch plötzliche Ausfälle.
[Die auf dem Foto abgebildeten Personen befinden sich in einem Wagen der Q-Linie, die auf der Manhattan Bridge in Richtung Brooklyn unterwegs ist. Im Vordergrund steht eine junge Frau mit kurzem Haar und Lederjacke, die mit gerunzelter Stirn zu einer flackernden Deckenlampe aufsieht.]
Die in Brooklyn lebende Jane Su fährt jeden Tag mit dieser Linie nach Manhattan und zurück.
Tyler Martin, New York Times
»Ich habe beschlossen, Detective Primeaux' Eier in Erdnussbutter zu tauchen und ihn in den Pontchartrain-See zu werfen«, sagt Augusts Mom. »Ich überlasse es den Fischen, ihn für mich zu kastrieren.«
»Das ist mal was Neues«, antwortet August, die hinter einem Wagen mit dreckigem Geschirr hockt - der einzigen Stelle im Billy's, wo ihr Handy mehr als einen Balken Signalstärke anzeigt. Ihr Gesicht ist knapp zwei Zoll von einem halb aufgegessenen Omelett entfernt. Das Leben in New York ist wirklich zutiefst glamourös. »Was hat er diesmal verbrochen?«
»Er hat seinem Sekretär aufgetragen, meine Anrufe abzufangen.«
»Das hat er dir gesagt?«
»Nein, musste er aber auch nicht. Kann ich mir schon selbst zusammenreimen.«
August kaut auf ihrer Wange herum. »Er ist halt ein Arsch.«
»Ja.« August hört, wie ihre Mom mit den fünf Schlössern an ihrer Haustür kämpft. Sie kommt gerade von der Arbeit heim. »Ist ja auch egal. Wie war dein erster Tag an der Uni?«
»Dasselbe wie immer. Ein Raum voller Leute, die sich schon kennen, und dann bin da noch ich - die Komparsin in einem College-Film.«
»Sind wahrscheinlich sowieso alles Ärsche.«
»Vermutlich.«
August stellt sich vor, wie ihre Mom mit den Schultern zuckt.
»Weißt du noch, als du die Videokassette von Teen Lover von unserer Nachbarin geklaut hast?«, fragt sie.
August kann sich ein Lachen nicht verkneifen. »Du warst stinksauer.«
»Und du hast eine Kopie davon gemacht. Du warst sieben und hast Filmpiraterie für dich entdeckt. Wie oft hab ich dich dabei erwischt, wie du den Film mitten in der Nacht geschaut hast?«
»Mindestens eine Million Mal.«
»Du hast immer Rotz und Wasser geheult, wenn der Song von Peter Gabriel lief. Du hast ein weiches Herz, Kind. Deswegen hab ich mir früher immer Sorgen gemacht. Aber du hast mich überrascht. Bist groß und tough geworden. Du bist wie ich - du brauchst niemanden. Vergiss das nicht.«
»Jap.« Eine peinliche Sekunde lang erinnert August sich an die Frau mit der Lederjacke in der Subway. Sie schluckt. »Du hast recht. Ich komm schon klar.«
Sie hält ihr Handy vom Ohr weg, um auf die Bildschirmuhr zu schauen.
Scheiße. Ihre Pause ist gleich vorbei.
Sie hat zwar Glück, diesen Job überhaupt bekommen zu haben, aber nicht genug Glück, um gut darin zu sein. Vielleicht war sie zu überzeugend, als ihre Chefin Lucie die Fake-Referenznummer auf ihrem Lebenslauf anrief und auf Augusts zweitem Handy landete.
Dank dieses genialen Tricks wurde sie an ihrem ersten Tag sofort ins kalte Wasser geschmissen: kein Welpenbonus, Learning by Doing.
»Ich hatte Bacon dazubestellt«, merkt der Typ an Tisch neunzehn an, als August seinen Teller vor ihm abstellt. Er ist Stammgast, wie Winfield ihr erklärt hat - ein ehemaliger Feuerwehrmann, der seit zwanzig Jahren jeden Tag zum Frühstück herkommt. Wenigstens liebt er das Billy's zu sehr, als dass er sich an dem plötzlich stark nachlassenden Service stören würde.
»Scheiße, tut mir leid.« August zuckt zusammen. »Sorry, dass ich Scheiße gesagt habe.«
»Das hast du wohl vergessen«, sagt eine Stimme mit starkem tschechischem Akzent hinter ihr. Lucie zaubert wie aus dem Nichts einen Teller mit Bacon für den Kunden herbei und zieht August am Arm hinter sich her in Richtung Küche.
»Danke.« August schreckt nur leicht vor den Nägeln zurück, die sich in ihren Ellbogen graben. »Woher wusstest du .?«
»Ich weiß alles«, erwidert Lucie. Ihr leuchtend roter Pferdeschwanz wirkt unter dem gedämpften Licht noch greller. An der Bar lässt sie August los und widmet sich wieder ihrem Sandwich mit Spiegelei und dem Schichtplan für nächste Woche. »Das solltest du nicht vergessen.«
»Sorry. Du hast mir echt den Arsch gerettet. Oder eher den Speck.«
Lucie verzieht das Gesicht, was sie wie einen gefährlichen Greifvogel mit Eyeliner aussehen lässt. »Du stehst auf Witze. Ich nicht.«
»Sorry.«
»Ich steh auch nicht auf Entschuldigungen.«
August verkneift sich ein weiteres Sorry und wendet sich der Kasse zu. Wie fügt man noch mal im Nachhinein etwas zu einer Bestellung hinzu? Sie hat eindeutig die Kartoffelpuffer für Tisch siebzehn vergessen und .
»Jerry!«, ruft Lucie durchs offene Küchenfenster. »Kartoffelpufferbeilage, aber ein bisschen plötzlich.«
»Fick dich, Lucie!«
Sie brüllt etwas auf Tschechisch zurück.
»Du weißt doch, dass ich das nicht verstehe!«
»Achtung, hinter dir«, warnt Winfield, als er mit vollen Händen an August vorbeieilt, Blaubeerpfannkuchen auf der einen, Butter-Pekannuss auf der anderen Seite. Mit wippenden Braids dreht er den Kopf zur Küche und sagt: »Sie hat dich gerade einen hässlichen Schwanz genannt, Jerry.«
Jerry, der älteste Koch der Welt, lacht schallend und wirft ein paar Kartoffelpuffer in die Pfanne. August ist aufgefallen, dass Lucie Adleraugen und die Gewohnheit hat, ihren Angestellten von der Bar aus hinterherzuspionieren, wenn sie Bestellungen in die Kasse eingeben. Das würde ihr auf die Nerven gehen, wenn Lucie ihr nicht gerade zweimal innerhalb von fünf Minuten den Arsch gerettet hätte.
»Du vergisst ständig was«, sagt sie, während sie mit ihren Plastiknägeln auf dem Clipboard klackt. »Hast du schon was gegessen?«
Angestrengt lässt August die letzten sechs Stunden ihrer Schicht vor ihrem inneren Auge Revue passieren. Ist ein halber Teller Pfannkuchen auf ihrem Shirt gelandet? Ja. Hat sie selbst welche gegessen? »Äh . nein.«
»Deshalb vergisst du alles. Weil du nichts isst.« Lucie funkelt August an. Dabei sieht sie aus wie eine enttäuschte Mutter, obwohl sie nicht älter als neunundzwanzig sein kann.
»Jerry!«, brüllt sie in die Küche.
»Was denn?«
»Ein Su Special!«
»Hab dir schon eins gemacht!«
»Für August!«
»Für wen?«
»Die Neue!«
»Ach so«, sagt er und schlägt zwei Eier auf, die zischend in die Pfanne tropfen. »Na schön.«
August spielt mit dem Saum ihrer Schürze und verkneift sich ein Danke, bevor Lucie sie noch erwürgt. »Was ist denn ein Su Special?«
»Vertrau mir einfach«, sagt Lucie ungeduldig. »Kannst du am Freitag eine Doppelschicht arbeiten?«
Das Su Special stellt sich als Sandwich heraus, das nicht auf der Speisekarte steht: Bacon, Ahornsirup, scharfe Soße und ein Spiegelei. Und vielleicht liegt es an Jerry, seinem Walrossschnauzer, mit dem er sehr weise aussieht, und seinem Brooklyn-Akzent, der verrät, dass er schon seit sieben Jahrzehnten hier lebt, oder an Lucie, der ersten Person, die sich in diesem Diner an Augusts Namen erinnert hat und der es nicht egal ist, ob sie lebt oder stirbt, oder vielleicht liegt es daran, dass das Billy's magisch ist, aber es ist das beste Sandwich, das August je gegessen hat.
Es ist fast ein Uhr morgens, als August sich auf den Heimweg macht. Die Straßen sind voller Leute, das Licht dreckig orangebraun, die Stadt sprüht vor Leben.
Mit einem zerknitterten Dollarschein ihres Trinkgelds kauft August sich eine Orange - sie hat das Gefühl, sich bald Skorbut einzufangen, wenn sie so weitermacht.
Während sie einen Fingernagel in die Schale gräbt und zu schälen beginnt, liefert ihr Gehirn hilfreiche Fakten: Erwachsene brauchen fünfundsechzig bis neunzig Milligramm Vitamin C pro Tag. Eine Orange enthält einundfünfzig. Nicht ganz genug, um Skorbut vorzubeugen, aber besser als nichts.
Sie denkt an die Vorlesung heute Morgen und daran, dass sie einen billigen Schreibtisch kaufen möchte. Sie fragt sich, was wohl Lucies Geschichte ist. Ihre Gedanken wandern zu der Frau gestern in der Subway. Schon wieder. Heute trägt August den roten Schal, warm und weich schmiegt er sich an ihren Hals wie ein Versprechen.
Eigentlich hat sie nicht ständig an Subway-Girl gedacht, aber sie würde fünf Doppelschichten hintereinander einlegen, nur um Subway-Girl wiederzusehen.
Gerade geht sie unter einem pink glühenden Neonschild entlang, als ihr bewusst wird, wo sie ist - in der Flatbush Avenue, gegenüber dem Scheckeinlösungsgeschäft. Niko hat gesagt, dass dort der Laden ist, in dem er als Medium arbeitet.
Er befindet sich zwischen einem Pfandhaus und einem Friseur. Über dem Eingang steht in abblätternden Buchstaben: Miss Ivy's. Laut Niko ist die...
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