Schweitzer Fachinformationen
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Die Auseinandersetzung war harmlos verlaufen - sogar in höflichem Tonfall -, aber Alex Frobisher hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass andere die Entscheidung für sie treffen würden, wenn sie es nicht selbst in die Hand nahm. Sie schnalzte leise mit der Zunge und trieb ihre schwarze Stute an. Das vertraute Klappern der Hufe auf der Straße beruhigte sie, und sie versuchte, ihre Gedanken auf eine Zeit zurückzulenken, als die Sommer in Schottland noch endlos schienen, voller Lachen und Wärme. Die glücklichen Tage bis zu jenem Nachmittag im August 1905, als sich die Dunkelheit über ihre Familie senkte. Der Schmerz, der seitdem auf ihnen lag, war sicherlich die Ursache dafür, dass ihre Mutter so auf eine Ehe drängte . auch wenn Alex sie gar nicht wollte.
Blackberry kannte den Weg; sie wusste genau, wo sie links in die üppig blühende Landschaft der ausgedehnten Grünflächen von Knavesmire abbiegen musste, die an einer der berühmtesten Rennbahnen Englands lagen. Der Trab verwandelte sich in einen leichten Galopp, und als sie schneller wurden, verschmolz die Landschaft zu einem angenehmen Flirren der Blätter. Das goldene Sonnenlicht des Spätherbstes, jetzt kurz vor Einsetzen der Dämmerung besonders intensiv, schimmerte im blauschwarzen Fell der Stute. Der Wind zerrte an Alex' Haaren, die jedoch unter ihrer Reitkappe sicher mit Haarnadeln festgesteckt waren; lediglich ein paar Strähnen lösten sich und genossen die Freiheit.
Mit den Jahren war ihre Haarfarbe zu einem tiefen Schokoladenbraun nachgedunkelt. Auch ihr Leben war dunkler geworden, und vor allem das letzte Jahr hatte sie in eine nicht enden wollende Dunkelheit gestürzt.
Im Geiste überdachte sie die Auseinandersetzung noch einmal, während sie am Eingangstor Blackberry zügelte, damit sie langsamer wurde. Die Stute fiel in Schritt, und ihr Atem dampfte weiß aus den Nüstern in den verblassenden Nachmittag. Ein eisiger Hauch legte sich über die weite Rasenfläche des Parks. Alex durchlebte im Geiste noch einmal das unangenehme Gespräch. Wie ein Film lief es vor ihrem inneren Auge ab.
Ihr Vater in seinem Tweedanzug, der seinen Nachmittagstee trank und sich unglücklich bemühte, die kleinen Pfannkuchen zu missachten, die er so gerne aß, um dem schrillen Wortwechsel zwischen seiner Frau und seiner Tochter zu entkommen. Er war an die hohen Fenster getreten, die von schweren pflaumenblauen Samtvorhängen eingerahmt waren und schaute auf das Land, das den weitläufigen champagnerfarbenen Backsteinbau namens Tilsden Hall umgab. Die Frobishers lebten dort schon seit Jahrzehnten, und Alex wusste genau, dass sein Blick sich auf den Ententeich richtete. Instinktiv verstand sie, dass ihr Vater jetzt am liebsten zum Teich gegangen wäre, um die beiden Schwäne zu beobachten, die friedlich über die klare Wasserfläche glitten. Stattdessen musste er mal wieder eine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Frauen in seinem Leben ertragen.
Alex beobachtete, wie ihre Mutter die Augen zu der grauslich bemalten Decke im Arts-and-Crafts-Stil, den ihre Vorfahren so sehr geschätzt hatten, hob. Minerva behauptete gerne, es sei »Volkskunst« aus der Vergangenheit, aber ihre Tochter empfand das Gewirr aus Blumen und geometrischen Mustern auf der Holzdecke nur als peinlich. Alex blickte ihre Mutter an. Minerva Frobishers gerümpfte Nase und die geschürzten Lippen vermittelten den Eindruck, sie wolle etwas besonders Widerwärtiges abwehren.
»Mutter«, flehte Alex. »Ich muss wirklich einige Entscheidungen selbst treffen dürfen.«
»Das kannst du doch. Du kannst wählen, ob du dich mit Edward St. John, Ashley Langdon-Smith oder Duncan Cameron formell verloben oder dir von allen dreien den Hof machen lassen willst.«
»Wenn die Entscheidung bei mir liegt, dann wähle ich keinen von ihnen.«
Ihre Mutter stieß einen leisen empörten Laut aus. Ihr Vater warf Alex einen sanft verzweifelten Blick zu, weil sie wieder einmal schlafende Hunde geweckt hatte. Sie erwiderte ihn mit einem kleinen entschuldigenden Schulterzucken. Sie wussten beide, dass er nun unweigerlich in die Diskussion hineingezogen werden würde, die er so gerne vermieden hätte.
»Charles!«
»Ja, meine Liebe?«
»Was hast du dazu zu sagen?«, fragte Minerva.
Ihr Vater trat an den Kamin; auf dem verrußten Eisengitter unter dem Kaminsims aus Mahagoni stand in erhabenen Lettern, dass er 1898 erbaut worden war. Er wandte den tanzenden Flammen den Rücken zu und ergriff einen warmen Pfannkuchen, den er sorgfältig faltete, vorsichtig, um auch nicht einen Tropfen von der weichen Butter oder dem glänzenden Gelee zu verlieren. Absichtlich biss er sofort hinein, um nicht antworten zu müssen, und nickte lediglich, um anzudeuten, dass er etwas sagen würde, sobald sein Mund wieder leer war.
Erneut stieß Minerva einen empörten Seufzer aus. »Alexandra«, fuhr sie fort, »du hättest schon vor Jahren heiraten sollen. Aber da du unser einziges Kind bist, haben wir dir immer nachgegeben. Wir haben dir viel Zeit gelassen, viel mehr als den meisten Töchtern, und außerdem bist du privilegiert aufgewachsen .«
»Dessen bin ich mir bewusst, Mutter«, erwiderte Alex, die sich sehr bemühte, ihre Worte nicht allzu scharf klingen zu lassen.
»Tatsächlich? Wirklich, Liebes, ist das so? Du gibst nämlich nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass du deine Rolle ernst nimmst.«
»Bitte .«, begann Alex.
»Während ich jeden Abend dafür bete, dass deine Cousins Hugh und George verschont bleiben mögen, fürchte ich doch täglich, dass sie uns jederzeit genommen werden können. Tausende von Männern sterben täglich. Irgendjemand in dieser Familie muss doch realistisch an die Zukunft denken. Ohne Peter .«
Alex unterbrach sie. Diese emotionale Reise wollte sie nicht schon wieder machen. »Ich weiß, Mutter. Ich soll heiraten und dir Enkel schenken, damit Tilsden erhalten bleibt. Das ist mir vollkommen klar.«
»Wir beide wollen das. Aber eigentlich sorge ich mich aufrichtig darum, dass sich jemand um dich kümmert, Alexandra. Dein Vater will dich vielleicht nicht drängen, aber ich weiß, dass Frauen nicht annähernd so viel zu sagen haben, wie sie es gerne hätten. Nun, wir können uns dagegen wehren, und bitte versteh mich nicht falsch«, sagte sie und hob einen Finger, »ich bin voller Bewunderung für mutige Frauen, die die Welt verändern wollen, aber unser Weg, mein Schatz, ist es, die Tradition zu bewahren. Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber ich werde es trotzdem sagen, und zwar sehr deutlich, damit du dir völlig im Klaren bist, welche Rolle du in der Familie Frobisher spielst. Es kann nicht sein, dass du hanebüchene Ideen hegst und davon träumst, berufstätig zu sein! Du kannst nicht ernsthaft in Betracht ziehen, für ein Gehalt zu arbeiten - niemand würde dich mehr heiraten wollen. Außerdem verstehst du ehrlich gesagt auch gar nichts davon. Überlass das Geschäft den Männern in deinem Leben - das ist ihre Aufgabe. Deine, mein geliebtes Kind, ist es zu heiraten. Die meisten jungen Frauen haben keine solche Auswahl, aber wir lieben dich sehr und wollen, dass du glücklich wirst mit deiner Wahl.« Es war beeindruckend, wie streitbar ihre Mutter wirken konnte, auch wenn sie so liebevolle Worte wählte. »Jeder von ihnen ist in fast jeder Hinsicht ideal.«
»Es fehlt nur das Wichtigste.«
»Ich kannte deinen Vater kaum, als ich ihm versprochen wurde, und ich habe mich nicht vor der Pflicht, ihn zu heiraten, gedrückt, obwohl ich wesentlich jünger war als du jetzt. Und ich habe rasch gelernt, ihn zu respektieren.«
»Aber was ist mit Liebe, Mutter?«
»Natürlich liebe ich deinen Vater«, erwiderte Minerva. Ihre Empörung flammte erneut auf, aber sie wich ihr aus, dachte Alex.
»Nun, damit das klar ist, keiner dieser Männer spricht mich an.«
»Spricht dich an?«, fragte ihre Mutter verächtlich. »Was um alles in der Welt soll das denn heißen, Kind? In welcher Hinsicht sprechen sie dich nicht an?«
»In vielerlei Hinsicht.« Alex seufzte. »Um es ganz einfach zu beantworten: Edward ist aufgeblasen und hat schrecklich schlechten Atem; Ashley hat Angst vor Spinnen und schläft am liebsten bei Licht - das ist wohl kaum besonders heldenhaft! Jedenfalls spüre ich, dass Ashley sich von seinen Londoner Society-Freunden leicht beeinflussen lässt . Und Duncan . nun ja, Duncan ist Schotte.«
»Er erbt den Titel eines Lairds!«
»Genau. Will ich wirklich auf dem Ben Nevis versauern, Mutter?« Es gefiel Alex selbst nicht, wie herablassend sie klang. Diese Männer kämpften an der Front, riskierten den Tod, damit sie ihr privilegiertes Leben weiterführen konnte.
»Duncan empfindet große Zuneigung zu dir.«
»Natürlich. Seine Wahl ist begrenzt. Entweder ich oder ein Schaf, nicht wahr?« Manchmal rutschten ihre Gedanken ihr einfach so heraus. Obwohl sie sich dafür schämte, empfand sie einen hilflosen Anflug von Triumph darüber, dass sich ihr Vater an seinem zweiten Pfannkuchen beinahe verschluckte.
»Charles, wirklich!« Charles' amüsierte Miene wurde ernst, als seine Frau ihn in missbilligendem Ton zurechtwies. »Ich verzweifle an dir, Alexandra Frobisher. Duncan hat etwas Besseres verdient.«
»Mutter, ich weiß, dass er deine erste Wahl ist, aber sei fair. Duncan will keine Frau, um sie zu lieben. Er will eine Gattin zum Repräsentieren, die ihm den Haushalt führt und ihm in diesen öden Highlands das Bett warm hält«, sagte sie gereizt.
»Wenn wir auf diese Art und Weise...
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