Schweitzer Fachinformationen
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1. Kapitel
Okay . Ich will gleich von Anfang an etwas klarstellen. Erstens, das hier ist keine von diesen Geschichten über eine Frau Anfang dreißig, die verzweifelt auf der Suche nach einem Mann zum Heiraten ist und wenn sie eigentlich arbeiten sollte, an nichts anderes denkt, als wie sie ihm begegnen soll, oder ständig heult, weil sie denkt, sie hätte ihn bereits gefunden, aber wieder verloren. Die nach der Arbeit mit Make-up zugespachtelt in irgendeiner Bar herumlungert, in der Hoffnung, dass heute die Nacht der Nächte ist - und falls doch nicht, dann kann sie ja immer noch das beste Angebot mitnehmen . Ich meine, wofür haben die Frauen mindestens die letzten drei Jahrzehnte eigentlich gekämpft?
Zweitens wird hier nicht über Designermode geredet - außer vielleicht von meiner Mutter, aber die hat es mehr mit Mondi und Jaeger als mit Gucci und Chloe. Das mag vielleicht gehen, wenn eine einen netten kleinen Job in der Werbung oder den Medien hat - den man irgendwie ergattert und auf wundersame Weise behalten hat, obwohl man nicht mal den Computer richtig bedienen kann und unverhältnismäßig viel Zeit auf der Toilette verbringt. Aber wenn man eine kleine Rechtsanwaltsgehilfin ist, die noch nicht mal ihre neue Küche abbezahlt hat, sieht das leider ganz anders aus. Was in meinem Kleiderschrank am nächsten an Designerklamotten rankommt, sind ein Pashmina-Schal zweifelhaften Ursprungs und ein Paar Nike-Turnschuhe aus dem Schlussverkauf - aber zumindest ist meine Unterwäsche von H&M und nicht von Marks & Spencer. Irgendwo ziehe selbst ich eine Grenze.
Drittens habe ich keine wallenden rotgoldenen Locken, die beim ersten Regentropfen bezaubernd widerspenstig werden, keine grünen Augen und zarte, sonnenempfindliche Haut oder einen definierten, durchtrainierten Körper. Ich bin eher klein, habe dunkles, glattes Haar, bin einigermaßen fit, weil ich viel zu Fuß gehe, und habe einen Teint, der in der Sonne einen schmutzig braunen Ton annimmt. Wenn wir vor gut fünfzig Jahren leben würden, hätte meine Mutter mein Äußeres wohl als >gewöhnlich< bezeichnet, aber heute muss sie widerwillig einräumen, dass ich wenigstens braun werde, ohne lange in der Sonne braten zu müssen und Falten zu bekommen.
Ach ja, und ich habe auch nicht den obligatorischen atemberaubend gut aussehenden, aber schwulen besten Freund, bei dem ich mich ausheulen kann - oder er sich bei mir -, wenn sich mal wieder einer unserer Freunde verkrümelt hat. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Rechtsanwaltskanzlei einfach auf der falschen Seite des Flusses liegt, nämlich in Purley, wo es, zumindest in meinem Teil davon, einfach nicht so von Männern wimmelt, die sich >geoutet< haben.
Und wo wir schon mal dabei sind, ich werde auch nicht mit sexuell konnotierten Schimpfwörtern um mich schmeißen, nur um Glaubwürdigkeit zu suggerieren. Ja, ich weiß, heutzutage benutzt die angeblich jeder, aber ehrlich gesagt hat sich das in meinem beschaulichen Vorort noch nicht richtig rumgesprochen. Okay, Will hat ein paarmal welche verwendet, als wir einen Megastreit hatten, aber das war ein Extremfall. Und ich hatte eine gute Freundin, die einen Hang zum Fluchen hatte, aber die sehe ich in letzter Zeit kaum noch. Will konnte sie nicht besonders gut leiden, also verlief sich unsere Freundschaft ein bisschen. Warum er sie nicht mochte? Wahrscheinlich wegen ihrer vulgären Ausdrucksweise, die er bei Frauen nicht so schätzt . was wohl mehr oder weniger beweist, dass ich mit meiner Haltung recht habe. Vielleicht ist aber auch hier die triste Welt der Anwaltskanzleien schuld - ich hab einfach nichts mit Leuten zu tun, die so kühn und verwegen sind.
Ich habe nicht mal einen attraktiven, aber einschüchternden Chef, dessen wortkarge Art bloß die Tatsache verschleiert, dass er auf den kleinen Typ Frau mit dunklen, glatten Haaren etc. pp. und außerdem auf meine reizende Unbedarftheit steht. Mein Chef ist korpulent und onkelhaft, und er schnauft auch nicht aus Leidenschaft so laut, sondern aufgrund seiner Nebenhöhlenprobleme. Zumindest bis gestern, denn seit gestern ist er nicht mehr mein Chef.
Seit gestern bin ich nämlich keine Anwaltsgehilfin und auch keine Ehefrau mehr. Jetzt bin ich eine Ex-Anwaltsgehilfin und eine Ex-Frau, zumindest läuft die Scheidung, und ich sitze auf dem Boden meiner bald Ex-Wohnung und wünschte, meine Mutter wäre nicht auch noch just in dieser Situation aufgekreuzt.
An diesem Punkt in meinem Leben hätte ich wirklich nichts gegen eine Mutter, die nicht ganz so beherrscht und klug und kultiviert ist wie meine. Wenn ich es mir recht überlege, gab es schon viele Momente in meinem Leben, in denen ich mir gewünscht hätte, meine Mutter wäre eine von diesen unscheinbaren Menschen, die immer einen guten Rat parat haben, ohne zu sehr nach Kummerkastentante zu klingen, und an deren tröstendem Busen ich mich jederzeit ausweinen könnte. Dies war ein weiterer solcher Moment.
Meine Mutter ist eher klein gewachsen - unsere einzige Gemeinsamkeit - und stand ausgesprochen elegant in ihrem makellosen, cremefarbenen Leinenkostüm vor mir und sah mir missbilligend dabei zu, wie ich noch ein paar T-Shirts in meine bereits überquellende Tasche stopfte.
»Aber Cornwall!«, rief sie immer wieder so entsetzt, als hätte ich ihr eröffnet, dass ich mich ins kriegszerrüttete Bagdad absetzen wollte. »Warum denn bloß Cornwall?«
»Weil ich von London genug habe und eine Pause brauche - was du mir übrigens vor ein paar Wochen selbst geraten hast.«
»Aber den ganzen Sommer? Allie, Schätzchen, was um Himmels willen willst du denn da so lange anfangen?«
Ich zog einen Riemen am Koffer fest und wandte mich ihr wieder zu. »Sehr wenig, hoffe ich. Für den Anfang zumindest. Falls mir langweilig werden oder mir das Geld ausgehen sollte, finde ich sicher einen Job in einem Pub oder so - vielleicht beschließe ich aber auch, für immer dortzubleiben. Wer weiß.«
»Aber warum denn nicht etwas Exotischeres? Kreta oder so - wo die Sonne scheint und viel los ist.«
»Und es jede Menge Männer auf der Suche nach einer Urlaubsbekanntschaft gibt, was mir dann das Gefühl geben soll, immer noch begehrenswert zu sein, oder was?«
Meine Mutter ignorierte meinen sarkastischen Unterton. »Na ja, das wäre doch so schlecht auch wieder nicht, oder?«
»Doch, das wäre es. Ich hab dir schon gesagt, dass ich niemand Neues kennenlernen will - und ganz sicher nicht irgendeinen Urlaubscasanova, der das Gehirn in der Hose hat und bloß an einer schnellen Nummer interessiert ist.«
Juliet (seit der Scheidung von meinem Vater, als ich zwölf war, bestand sie darauf, dass ich sie bei ihrem Vornamen nannte, denn sie hatte gehofft, einen jüngeren Mann zu finden, und war dabei sogar so weit gegangen, wenn nötig mich und sich selbst auch mal ein paar Jahre jünger zu machen) hatte ihre erste Hochzeitsreise 1970 in einer Villa in Lindos verbracht, weit oberhalb der einzigen florierenden Disko des kleinen Städtchens, und glaubte, dass sich die griechischen Inseln seitdem kein bisschen verändert hätten. Bei meiner Ausdrucksweise zuckte sie zusammen.
»Aber Cornwall«, wiederholte sie, während ich unbeirrt mein Gepäck um sie herumstapelte. »Da sind doch bestimmt bloß jede Menge Familien, und wahrscheinlich regnet es die ganze Zeit.«
Seufzend unterbrach ich mein Tun, damit ich sie direkt ansehen konnte. Sie erinnerte sich offensichtlich wirklich nicht mehr, und ich würde es ihr auch nicht wieder ins Gedächtnis rufen, nur um mal wieder eine Diskussion vom Zaun zu brechen, die mit Ach, dein Vater . beginnen und voll bissiger Kommentare sein würde, die ich nicht mehr hören wollte.
»Aber es wird normal sein«, sagte ich stattdessen. »Ich will nicht für ein paar Monate leben wie im Märchen, vor irgendeiner künstlichen Kulisse, umgeben von künstlichen Leuten, wenn ich mich hinterher doch wieder der Realität stellen muss. Und irgendwo ins Ausland zu jetten macht alleine sowieso keinen Spaß, und selbst wenn ich jemanden hätte, der mitkommen würde - was nicht der Fall ist -, wäre ich ziemlich schlechte Gesellschaft und würde dem anderen bloß den Urlaub verderben. Du hast mir doch selbst gesagt, dass ich mir eine Auszeit nehmen soll«, fuhr ich hastig fort (bevor Juliet einhaken konnte: Aber Schätzchen, ich kann dich doch begleiten, wenn du sonst einsam bist), »und dass ich mal alles hinter mir lassen soll. Und genau das mache ich jetzt.« Ich zwang mich zu einem strahlenden Lächeln. »Also müsstest du doch eigentlich zufrieden sein, weil ich deinen Rat befolge. Lass mich das jetzt durchziehen und kümmere du dich lieber um deine Floral Society und um die Männer aus dem Conservative Club, die eine ehrbare Frau aus dir machen wollen.«
Diesmal war es an Juliet zu seufzen. »Tja, wenn du dir so sicher bist .«, sagte sie zweifelnd.
»Natürlich bin ich sicher«, sagte ich überzeugter, als ich es in Wirklichkeit war, weil ich nicht wollte, dass Juliet wieder mit ihrem Aber Cornwall! anfing. »Und wenn du mir wirklich helfen willst, dann kannst du ein Auge auf die Wohnung haben, solange Sarah hier wohnt, und vergiss nicht, deinen Anrufbeantworter anzuschalten, für den Fall, dass ich dich erreichen möchte.«
Okay . Mittlerweile dürfte klar sein, dass ich Anfang dreißig bin und womöglich Liebeskummer habe, aber eindeutig niemand Neues zum Heiraten suche....
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