Schweitzer Fachinformationen
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Ich verstehe nicht viel von Kunst, aber zumindest weiß ich, was mir nicht gefällt. Gemälde, die auf Wanderschaft gehen, nachdem ich die Sicherheitsanlage installiert habe, mag ich nicht. Vor allem dann nicht, wenn ich gerade meinen Partner für zwei Monate zu den Antipoden geschickt habe, mit der seelenruhigen Versicherung, dass ich während seiner Abwesenheit schon klarkomme.
Besagtes Gemälde war ein kleiner Monet. Wenn ich klein sage, meine ich die Maße, nicht den Wert. Es würde kaum das Loch bedecken, das mein Liebster Richard im Zustand volltrunkener Ekstase in die Wand seines Wohnzimmers geschlagen hat, als Eric Cantona den Doppelsieg von Manchester United besiegelte. Dafür war es gut zehnmal so viel wert wie unsere beiden aneinandergebauten Bungalows zusammengelegt. Was übrigens nie geschehen wird. Das Bild stellte einen blühenden Apfelbaum dar, viel mehr nicht. Man merkte gleich, dass es ein Apfelbaum war, weil es - so Shelley, unsere Büromanagerin - in einem recht frühen Stadium von Monets Laufbahn entstanden war, bevor sein Sehvermögen allmählich dahinschwand und die ganze Welt für ihn wie ein impressionistisches Gemälde auszusehen begann. Man stelle sich vor - eine ganze Kunstrichtung aus den schlechten Augen eines einzigen Typs hervorgegangen. Erstaunlich, was man an der Fernuniversität so alles lernt. Shelley studiert seit letztem Jahr, und was sie über Kunstgeschichte nicht weiß, werde ich mit Sicherheit niemals ergründen. Im Kurs Wie werde ich Privatschnüffler für Autodidakten lernt man so was nicht.
Besagter Monet mit dem sehr einfallsreichen Namen Blühender Apfelbaum gehörte Henry Naismith, dem Herrn über das Schloss Birchfield with Polver. Henry für seine Freunde und - John Majors klassenloser Gesellschaft sei Dank - auch für kleine Geschäftsleute wie mich. Henry kannte eben keine Allüren, was mitnichten hieß, dass er seine Gedanken und Gefühle nicht hinter charmantem Geplauder zu verbergen wusste. Daher merkte ich schnell, dass etwas im Busch war, als ich eines schönen Morgens im September den Hörer abnahm und seine gepflegte Stimme hörte. »Kate? Henry Naismith«, begann er. Ich lehnte mich zurück und stellte mich auf das gewohnt muntere Einleitungsgeplänkel über seine neuesten Heldentaten ein. Fehlanzeige. »Könnten Sie herkommen?«, fragte er.
Ich schnellte hoch. Das klang verdächtig nach dem Auftakt zu einem Montag, an dem ich mir noch wünschen würde, im Bett geblieben zu sein. »An welche Zeit hatten Sie gedacht, Henry?«
»So schnell wie möglich. Wir . hatten in der Nacht Einbrecher hier, und jemand von der Polizei kommt vorbei, um noch ein paar Einzelheiten zu klären. Er wird sicherlich Fragen zum Sicherheitssystem stellen, die ich allein nicht beantworten kann, deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gleich losfahren könnten.« Er stieß den ganzen Wortschwall hervor, fast ohne Luft zu holen und mir die Gelegenheit zu Zwischenfragen zu geben.
Ich brauchte nicht erst im Terminkalender nachzusehen, um zu wissen, dass ich kein dringendes Alternativprogramm hatte. Nur Routinenachforschungen zum Verbleib eines Firmenpräsidenten, dessen Verwaltungsräte ihm unbedingt ein paar Fragen zum Zustand der Bilanzen stellen wollten. »Kein Problem«, sagte ich. »Was vermissen Sie?« Ich hoffte inständig, dass es der Fernseher und der Videorecorder waren.
Schön wär's. Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Ich glaubte zu hören, wie Henry tief Luft holte. »Den Monet«, antwortete er dann kurz und bündig.
In meinem Magen fing es an zu brodeln. Birchfield Place war die erste Sicherheitsanlage, die ich allein erdacht und deren Installierung ich überwacht hatte. Eigentlich ist mein Partner Bill Mortensen der Sicherheitsexperte, und er hatte meine Arbeit auch begutachtet, dennoch fiel es auf mich zurück. »Ich komme sofort«, versprach ich.
Wie ferngesteuert fuhr ich durch die Vororte zur Autobahn. Selbst die unvermeidlichen, allgegenwärtigen Straßenarbeiten registrierte ich nur am Rande. In Gedanken rekapitulierte ich den bisherigen Verlauf der geschäftlichen Beziehungen zwischen Mortensen & Brannigan und Henry Naismith. Als ich damals im Bürokalender auf seinen ersten Termin gestoßen war, hatte ich vermutet, Shelley hätte sich einen Scherz mit mir erlaubt, zumal ich erst am Tag zuvor eine meiner regelmäßig wiederkehrenden antimonarchistischen Schimpftiraden vom Stapel gelassen hatte; ausgelöst von der Behauptung des Thronerben, die Nation müsse zwei Traditionen wiederbeleben: ihren Shakespeare lesen und ihre Kinder verprügeln. Dann, als ich begriff, dass der Termin echt war, stellte ich mir einen Knaben mit fliehendem Kinn und der Sorte angeborenen Schwachsinns vor, den man nur beim Hochadel und der Einwohnerschaft abgelegener Bergdörfer antrifft. Ich lag völlig daneben.
Henry Naismith war Ende zwanzig, gebaut wie ein australischer Rettungsschwimmer mit den dazugehörigen blonden Haaren und kräftigem Kinn, das einem Boxer als lohnende Zielscheibe dienen könnte. Dem Who's Who zufolge hatte er zwei Hobbys, Segeln und Meeresregatten, was ich mir auch selbst hätte denken können, schon als ich ihm das erste Mal begegnete. Er hatte den Blick eines Seglers, schaute stets an dir vorbei zu einem fernen, nur für ihn sichtbaren Horizont. Abgesehen von den weißen Fältchen rings um seine tiefblauen Augen, war sein Gesicht von Wind und Sonne zu einem frischen Braun poliert. Seine Bildung hatte er im Marlborough und im New College, Oxford, erhalten. Obgleich ich in Oxford aufgewachsen war, glaubte ich nicht, dass seine Stadt der träumenden Türme und meine der Autofabriken sich so weit deckten, dass wir uns in gemeinsamen Erinnerungen ergehen konnten. Hinzu kam die gleiche vornehme Aussprache wie bei Prinz Charles, aber dennoch, trotz allem, mochte ich ihn. Ich mag jeden, der den Hintern hochkriegt und zupacken kann. Und Henry konnte zupacken, daran gab's keinen Zweifel. Jeder, der dir sagt, eine Meeresregatta sei der reine Spaß, kann einen Anker nicht von Schanker unterscheiden.
Unsere Zeitungsdatenbank hatte die groben Umrisse des Bildes ausgefüllt: Henry hatte vor zwei Jahren seinen Titel, ein schwarzweißes Tudorschloss in Cheshire, eine Handvoll wertvoller Gemälde sowie eine eher bescheidene Barschaft geerbt, als seine Eltern in einem schicken alpinen Ferienort einer Lawine zum Opfer fielen. Henry machte damals gerade einen Segeltörn in der Karibik. Das Leben ist ein Miststück, und dann heiratest du auch noch eins. Das hatte Henry allerdings nicht. Geheiratet, meine ich. Er stand in den Klatschspalten immer noch auf der Liste der begehrtesten Junggesellen. Vielleicht reichte es nicht ganz für die Top Twenty, wegen der fehlenden Knete; aber dank seines guten Aussehens und seiner geschickten Handhabung der Segelstange lag er nach wie vor im Rennen.
Henry hatte sich wegen erwähnter dramatischer Ebbe in seiner Kasse an uns gewandt. Da sein Vater nicht vorausgesehen hatte, dass er mit siebenundvierzig sterben würde, hatte er keine Vorkehrungen getroffen, wie beim Landadel sonst üblich, um zu verhindern, dass das Schatzamt das Scherflein der Witwen und Waisen dezimiert. Nachdem er alles addiert und subtrahiert hatte, stellte Henry fest, dass er nur dann Haus und Kunstsammlung behalten und trotzdem die Hälfte des Jahres am Ruder seiner Hochseejacht stehen konnte, wenn er in den sauren Apfel biss und Birchfield Place Tagesausflüglern zugänglich machte.
Im Zirkus der Tagestouren zu alten Schlössern ist die britische Öffentlichkeit für ihre langen Finger berühmt-berüchtigt. Wenn man die Busladungen kleiner alter Damen sieht, die an Feiertagen herangekarrt werden, sollte man es nicht meinen, aber sie nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist, und sogar auch einiges, was niet- und nagelfest ist. Das macht die Versicherungen bei Vertragsabschlüssen noch nervöser als sonst, und als Ergebnis wirft das Geschäft rund um die Sicherheit einen hübschen kleinen Batzen Geld für Privatagenturen wie die unsere ab. In letzter Zeit machten Sicherheitsanlagen ein Viertel unseres jährlichen Umsatzes aus, und daher hatten Bill und ich beschlossen, dass ich mich auch in diesen Teil des Geschäfts einarbeiten sollte.
Es ist unmöglich, irgendein Gebäude zu einer völlig uneinnehmbaren Festung zu machen, es sei denn, man mauert Türen und Fenster zu, und dann kommt man in Schwierigkeiten, wenn man anständiges Licht für seine Petitpoint-Stickerei braucht. Man kann bestenfalls signalisieren, dass man alles nur Menschenmögliche getan hat, um sein Haus einbruchssicher zu machen, und hoffen, dass der eventuelle Einbrecher entmutigt weiterzieht, um sich das nächste Schloss die Straße weiter runter vorzuknöpfen. Um zu garantieren, dass ich alles richtig machte, hatte ich nicht nur Bills Know-how angezapft, ich hatte auch meinen alten Freund Dennis konsultiert, selbst Einbrecher im Halbruhestand. »Weißt du, was das einzig sichere Abschreckungsmittel ist, Brannigan?«, hatte Dennis gefragt.
»Wärmesensorische thermonukleare Raketen?«, riet ich.
»Ein Hund. Du holst dir einen großen Schäferhund, lässt ihn frei rumlaufen, und schon will dein professioneller Dieb nichts mehr von dir wissen. Als ich noch in der Branche war, gab es keine Alarmanlage der Welt, an der ich mich nicht versucht hätte. Aber Hunde? Vergiss es.«
Leider sind die Klienten nicht besonders scharf darauf, Rottweiler auf ihren unschätzbaren Orientteppichen patrouillieren zu lassen. Sie machen sich zu große Sorgen, hinterher Hundehaare - oder noch Schlimmeres - auf dem Hepplewhite zu finden. Daher hatte sich Birchfield Place, wie die meisten Schlösser, auf eine...
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