Schweitzer Fachinformationen
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Irgendwann bringe ich ihn um. Ehrenwort! Wen? Meinen Nachbarn Richard Barclay, seines Zeichens Rockjournalist und ein großes Kind. Da stolpere ich total erledigt über die Schwelle meines Bungalows, erfüllt von dem doch bestimmt nicht allzu unbescheidenen Wunsch, ein paar Stunden zu schlafen, und finde Richards Nachricht. Finde? Es darf gelacht werden. Er hatte sie mit Tesafilm an die Innenseite der Glastür geklebt, so dass sie mir, giftig bunt wie der Wunschzettel für den Weihnachtsmann, buchstäblich ins Auge sprang. In krakeligen Druckbuchstaben stand da mit breitem Leuchtstift auf die Rückseite der Pressemitteilung einer Plattenfirma gemalt: »Heute Abend Jetts Gig und hinterher Party. Nicht vergessen! Muss dich unbedingt dabeihaben. Also bis acht.« Das unbedingt war dreifach unterstrichen, aber was mir den Blutdruck hochtrieb, war dieses unverschämte Nicht vergessen!
Richard und ich sind erst seit neun Monaten zusammen, aber inzwischen kenne ich seine Formulierungen so gut, dass ich sie zu einem kompletten Berlitz-Sprachführer zusammenstellen könnte. Im Klartext heißt Nicht vergessen: »Ich hab dir absichtlich nicht gesagt, dass ich für uns beide eine Einladung angenommen habe (weil du freiwillig garantiert nicht hingegangen wärst), aber wenn du jetzt nicht mitkommst, bringst du mich in die größte Verlegenheit.«
Ich zog den Zettel ab und besah mir seufzend die Tesafilmspuren auf dem Glas, die wieder mal den Einsatz eines Reinigungsmittels erforderlich machten. Von Reißzwecken hatte ich Richard mittlerweile abgebracht, aber auf Selbstklebezettel war er bisher noch nicht umgestiegen. Ich ging durch meine kleine Diele zum Telefon. Das Hausbuch, in das Richard und ich normalerweise alles Wichtige eintragen, war aufgeschlagen. Unter dem heutigen Datum stand in schwarzem Filzstift und in Richards Schrift: »Jett: Apollo, dann Holiday Inn.« Es war nicht derselbe Stift wie auf dem Zettel an der Tür, aber der scharfe Blick von Supernase Kate Brannigan ließ sich dadurch nicht täuschen. Ich wusste ganz genau, dass die Notiz noch nicht da gewesen war, als ich eine Stunde vor Morgengrauen aus dem Haus tappte, um mich wieder einmal auf die Spur von zwei Markenwarenfälschern zu setzen.
Kindische Verwünschungen ausstoßend, verzog ich mich ins Schlafzimmer und pellte mich aus Daunenjacke und Jogginganzug. »Ich wünsche dir, dass deine Karnickel dahinsiechen und deine Streichhölzer nass werden. Und dass du das Mayonnaiseglas nicht aufbekommst, wenn du dir dein Hühnersandwich machen willst.« Noch immer fluchend, ging ich ins Badezimmer und stellte mich dankbar unter die heiße Dusche.
Dort fing ich trotz aller Selbstbeherrschung aus lauter Selbstmitleid doch an zu heulen. In der Dusche sieht dich keiner weinen. Diese Weisheit erkläre ich zu einem der großen Aphorismen des zwanzigsten Jahrhunderts, gleich nach: »Liebe ist, wenn man nie sagen muss, dass es einem leidtut.« Hauptsächlich aber heulte ich vor Müdigkeit. Seit zwei Wochen bearbeitete ich einen Fall, bei dem ich fast täglich kreuz und quer durchs Land fahren und mich vom Morgengrauen bis Mitternacht vor Wohn- und Lagerhäusern auf die Lauer legen musste. Zur Stärkung war ich auf den Fraß von Raststätten und Imbissbuden angewiesen, denen meine Mutter glatt die Lebensmittelkontrolleure auf den Hals gehetzt hätte.
Wäre so was bei der Firma Mortensen & Brannigan an der Tagesordnung gewesen, hätte ich mich wohl nicht so schwer damit getan. Normalerweise sitzen wir bei unserer Arbeit gemütlich vor dem Computer, trinken jede Menge Kaffee und telefonieren wie die Weltmeister. Doch diesmal ging es darum, im Auftrag eines Konsortiums angesehener Uhrenhersteller zu ermitteln, woher die erstklassigen Kopien ihrer Markenuhren kamen, die, von Manchester ausgehend, den Markt überschwemmten. Und mir war - wen wundert's! - die Drecksarbeit zugefallen, während Bill im Büro hocken blieb und muffig seine Monitore beäugte.
Zugespitzt hatte sich die ganze Geschichte nach einem Einbruch bei Garnett's, dem größten noch selbständigen Juwelier der Stadt. Den Safe und die gesicherten Schaukästen hatten die Diebe nicht angerührt, dafür hatten sie sich großzügig aus einem Schrank im Büro des Geschäftsführers bedient. Sie hatten die grünen Lederbrieftaschen mitgehen lassen, die Käufer einer echten Rolex als kostenlose Zugabe bekommen (wie die Käufer von Waschmitteln ein Plastikkrokodil), die Kreditkartenetuis von Gucci und Dutzende leerer Schachteln für Uhren von Cartier und Raymond Weil.
Dieser Diebstahl war für die Hersteller ein Alarmzeichen. Das Geschäft mit gefälschten Markenartikeln war offenbar in eine neue Phase eingetreten. Bisher hatten sich die Gauner damit begnügt, ihre Ware über ein kompliziertes Netz von Kleinhändlern als Kopien zu verkaufen. Das hatte die Firmen zwar erbost, ihnen aber keine schlaflosen Nächte bereitet, weil Kunden, die in einem Pub oder an einem Marktstand vierzig Pfund für eine falsche Rolex hinlegten, einfach nicht in derselben Liga spielten wie Typen, die ein paar Tausender für das Original lockermachten. Jetzt aber versuchte die Fälscherriege, die wirklich sehr gelungenen Kopien als echt zu verhökern, und das war nicht nur ein Verlustgeschäft für den Einzelhandel, sondern auch rufschädigend für die Hersteller von Luxusuhren. Plötzlich fanden die hohen Herren, dass es sich wohl doch lohnte, eine gewisse Summe zu investieren, um den Gaunern das Handwerk zu legen.
Dass wir den Auftrag an Land gezogen hatten, obwohl Mortensen & Brannigan nicht zu den Top Ten britischer Detekteien gehören, hatte zwei gute Gründe. Eigentlich sind wir auf Computerkriminalität und Sicherheitssysteme spezialisiert, trotzdem dachten die Leute von Garnett sofort an uns, weil Bill ihnen eine elektronische Alarmanlage eingebaut hatte, an die entgegen seinem Rat der bewusste Schrank nicht angeschlossen war. In dem Ding ist doch nichts, was Langfinger reizen könnte, hatten sie damals gesagt. Der zweite Grund war, dass wir eine der wenigen Spezialdetekteien mit Standort Manchester sind. Wir kennen das Revier.
Eigentlich hatten wir damit gerechnet, den Auftrag in wenigen Tagen abschließen zu können, aber wir hatten den Umfang des Unternehmens unterschätzt. Bis ich einen Überblick gewonnen hatte, war ich ziemlich fertig. Seit ein paar Tagen aber spürte ich so ein merkwürdiges Flattern in der Magengrube - sicheres Zeichen dafür, dass ich es so gut wie geschafft hatte. Ich hatte das Werk ausfindig gemacht, in dem die gefälschten Uhren hergestellt wurden. Ich wusste, wie die beiden Typen hießen, die den Großhandel belieferten, und wer ihre wichtigsten Mittelsmänner waren. Wenn es mir jetzt noch gelang, die einzelnen Stationen ihres Vertriebssystems ausfindig zu machen, konnten wir einen abschließenden Bericht an unseren Klienten geben. Dann würden wohl in den nächsten Wochen die Männer, denen ich so hartnäckig auf den Fersen geblieben war, peinlichen Besuch von der Polizei und der Handelsaufsicht bekommen, und das bedeutete für Mortensen & Brannigan außer einem recht ansehnlichen Honorar noch eine hübsche Belohnung.
Weil alles so gut lief, hatte ich mir einen wohlverdienten und dringend benötigten beschaulichen Abend gönnen wollen. Abends um sechs war ich Jack »Billy« Smart, meinem Topverdächtigen, zu seinem neogotischen dreistöckigen Haus in einer stillen, baumbestandenen Vorortstraße gefolgt, das er mit zwei Flaschen Schampus und einem Stapel Videos aus dem Laden um die Ecke betreten hatte, vermutlich zu einer Knutsch- und Schmusesitzung mit seiner Freundin. Vor lauter Begeisterung hätte ich ihn selber knutschen mögen. Jetzt konnte ich heimfahren, rasch duschen, mich vom Chinesen mit Lecker-Fernöstlichem frei Haus beliefern und von der Glotze mit einer Seifenoper berieseln lassen. Danach würde ich mir eine Gesichtspackung verpassen und ein langes, genüssliches Bad nehmen. Nicht, dass ich unter Waschzwang leide, aber unter die Dusche gehe ich nur, um den Schmutz des Tages loszuwerden, während ein Bad ernsthaften Vergnügungen vorbehalten bleibt - der Lektüre von Besprechungen der Abenteuerspiele in Computerzeitschriften etwa und Träumen von dem PC, den ich mir leisten werde, falls Mortensen & Brannigan mal an das ganz große Geld kommen sollten. Wenn ich Glück hatte, war Richard mal wieder unterwegs zu einem Konzert, und ich konnte mich ungestört mit einem kühlen Longdrink in der Wanne aalen.
Von alldem war nur eins geblieben: Richard wollte tatsächlich zu einem Konzert, und zwar mit mir. Das war das Aus für meine schönen Pläne. Heute Abend war ich viel zu kaputt, um mit Richard zu streiten. Außerdem saß ich am kürzeren Hebel. Vorige Woche hatte er sich mir zuliebe schick in Schale geworfen und mich zu einem Arbeitsessen begleitet. Einen ganzen Abend lang hatte er diverse Versicherungsleute samt Anhang, Spinatquiche und Vollkornbrot ertragen, und jetzt war ich wohl dran, etwas für ihn zu tun. Aber stumm würde ich nicht leiden, das nahm ich mir fest vor.
Als ich gerade Shampoo in meinem wilden roten Haar verteilte, traf ein kalter Luftzug meine Wirbelsäule. Ich drehte mich um und sah das, was ich vermutet hatte: einen bänglich lächelnd durch die offene Tür der Duschkabine lugenden Richard. »Hi, Brannigan! Machst du dich schön für unsere Party? Hab doch gewusst, dass du es nicht vergessen würdest.« Mein finsteres Gesicht war ihm offenbar nicht entgangen, denn er schob nur noch nach: »Okay, ich warte im Wohnzimmer auf dich«, und machte schnell die Tür wieder zu.
»Komm sofort wieder her«, rief ich ihm nach, was er wohlweislich überhörte. Das sind die...
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