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Jennette McCurdy erzählt herzergreifend und mit bitterem Humor von ihrem traumatischen Leben als ehemaliger Kinder-Star in ‚‚iCarly‘‘ und der krankhaften Beziehung zu ihrer Mutter
Seit sie denken kann, wird Jennette von ihrer Mutter beherrscht, emotional erpresst und psychisch wie körperlich missbraucht. Das einzige, was Debra sich für ihre Tochter - aber vor allem für sich selbst - wünscht, ist Jennettes Erfolg als Fernseh-Star. Für Jennette beginnt ein Kreislauf aus Castings, Angstattacken und Selbsthass.
Dann bekommt sie die Rolle als Sam Puckett in der Nickelodeon-Serie ‚‚iCarly‘‘ - eine Rolle, in der sie sich gedemütigt fühlt und Produzenten ausgesetzt ist, die ihre Macht missbrauchen. Als Debra an Krebs stirbt ist Jennette 21 Jahre alt und hat das Zentrum ihres Lebens verloren. Das einzige, worüber sie noch Kontrolle hat, ist ihr Essverhalten und die junge Frau stürzt ab in Essstörungen, Alkoholsucht und toxische Beziehungen.
Einzig eine wegen ihrer Bulimie angefangene Therapie erweist sich als Jennettes Weg in die Freiheit. Es kostet sie Jahre um zu erkennen, was ihre Mutter ihr ein Leben lang angetan hat. Doch jetzt kann sie zum ersten Mal entscheiden, was sie selbst möchte, und es ist an der Zeit, die Kontrolle über ihre eigene Zukunft zu übernehmen.
‚‚Ein beeindruckendes Memoir [...].‘‘ - Spiegel, Elisa von Hof
‚‚Ein verstörend gutes Buch [...].‘‘ - Süddeutsche Zeitung, Mareen Linnartz
Das Geschenk vor mir ist in Weihnachtspapier eingewickelt, obwohl wir Ende Juni haben. Von Weihnachten ist noch so viel Papier übrig, weil Grandpa die 12-Rollen-Packung bei Walmart gekauft hat, obwohl Mom ihm eine Million Mal gesagt hat, das sei gar kein Schnäppchen.
Ich entferne das Papier vorsichtig - und reiße es nicht einfach runter -, weil ich weiß, dass Mom gern von jedem Geschenk ein Stückchen Einwickelpapier aufhebt, und wenn ich es abreiße, dann wird das Papier nicht so makellos sein, wie sie es mag. Dustin meint, Mom würde zwanghaft Dinge horten, aber Mom sagt, sie bewahre einfach nur gern Erinnerungen auf. Also bin ich vorsichtig.
Als ich hochschaue, stelle ich fest, wie alle mich beobachten. Grandma ist da, mit ihrer Oma-Dauerwelle, ihrer Stupsnase und ihrer Mir-entgeht-nichts-Art, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn sie zusieht, wie jemand ein Geschenk auspackt. Sie will unbedingt erfahren, wo das Geschenk gekauft wurde, wie viel es gekostet hat, ob es ein Sonderangebot war oder nicht. So was muss sie einfach wissen.
Grandpa sieht auch zu und schießt Fotos. Ich hasse es, fotografiert zu werden, aber Grandpa liebt es. Und einen Grandpa, der etwas liebt, kann nichts aufhalten. Zum Beispiel wenn Mom ihm erklärt, er soll aufhören, jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Riesenschüssel Vanilleeis zu essen, weil das seinem sowieso schon schwachen Herz nicht guttut. Aber egal ob Eis oder Fotos, er wird es nicht lassen. Hätte ich ihn nicht so lieb, wäre ich fast sauer auf ihn.
Dad ist da und schläft schon halb, wie immer. Mom stupst ihn ständig an und flüstert, dass sie sich wirklich nicht sicher ist, ob seine Schilddrüse normal funktioniert. Dann sagt Dad gereizt: »Meine Schilddrüse funktioniert tadellos«, um fünf Sekunden später wieder wegzudämmern. So läuft das üblicherweise zwischen den beiden. Entweder so, oder sie schreien sich an. Da ist es mir so lieber.
Marcus, Dustin und Scottie sind auch da. Ich mag alle drei aus unterschiedlichen Gründen. Marcus ist so verantwortungsbewusst, so verlässlich. Ich schätze, das ist logisch, weil er mit seinen fünfzehn ja praktisch schon erwachsen ist. Trotzdem strahlt er mehr innere Ruhe aus als die meisten Erwachsenen, die ich kenne.
Dustin mag ich, obwohl er meistens ein bisschen genervt von mir ist. Mir gefällt, dass er gut zeichnen kann und gut in Geschichte und Erdkunde ist, drei Fächer, in denen ich grottenschlecht bin. Ich versuche oft, ihm Komplimente für die Sachen zu machen, die er gut kann, aber er nennt mich eine Arschkriecherin. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er sich insgeheim über das Lob freut.
Scottie mag ich, weil er nostalgisch ist. Das Wort habe ich aus dem Buch mit den Wortschatz-Comics gelernt, aus dem Mom uns jeden Tag vorliest. Sie unterrichtet uns nämlich zu Hause. Ich versuche, den Ausdruck mindestens einmal täglich zu verwenden, damit ich ihn nicht vergesse. Er passt wirklich zu Scottie. »Sehnsucht nach der Vergangenheit.« Die hat er eindeutig, und das, obwohl er erst neun ist und damit ja noch nicht über so viel Vergangenheit verfügt. Scottie weint, wenn Weihnachten vorbei ist, wenn ein Geburtstag endet, wenn Halloween vorbei ist und manchmal, wenn ein normaler Tag zu Ende geht. Er weint, weil er traurig darüber ist, dass es vorbei ist. Und obwohl etwas gerade erst vergangen ist, denkt er wehmütig daran zurück. »Wehmut« ist ein anderes Wort, das ich aus den Wortschatz-Comics gelernt habe.
Mom beobachtet mich auch. Ach, Mom. Sie ist so wunderschön. Sie selber glaubt das nicht und wahrscheinlich verbringt sie deshalb jeden Tag eine Stunde mit Frisieren und Schminken, selbst wenn sie nur zum Supermarkt geht. Für mich ergibt das keinen Sinn. Ich schwöre, dass sie ohne das Zeug besser aussieht. Natürlicher. Dann kann man ihre Haut sehen. Ihre Augen. Sie selbst. Aber sie deckt alles ab. Auf ihrem Gesicht verteilt sie flüssiges Bräunungszeug, malt sich mit Stiften bis in die Augenwinkel und schmiert alle möglichen Cremes auf die Wangen, bevor sie jede Menge Puder drüberstäubt. Ihre Haare bauscht sie groß auf. Außerdem trägt sie Schuhe mit Absätzen, damit sie auf knapp eins sechzig kommt, denn sie sagt, ihre eins fünfzig bringen es einfach nicht. Sie benutzt so viel Zeug, das sie nicht braucht und von dem ich mir wünschte, dass sie es weglassen würde. Aber ich kann sie darunter trotzdem sehen. Und was ich sehe, ist wunderschön.
Mom beobachtet mich, und ich beobachte sie - so läuft das mit uns. Wir sind immer verbunden, miteinander verflochten, eins. Sie sieht mich mit ihrem Mach-schneller-Lächeln an, also tue ich genau das. Ich mache schneller, bis ich mein Geschenk vorsichtig ausgewickelt habe.
Auf der Stelle bin ich enttäuscht - entsetzt -, als ich sehe, was ich als Geschenk zu meinem sechsten Geburtstag bekommen habe. Klar, ich mag die Rugrats, aber auf diesem zweiteiligen Outfit - einem T-Shirt und Shorts - ist Angelica aufgedruckt (die Figur, die ich am wenigsten mag), zwischen lauter Gänseblümchen (ich hasse Blumen auf Kleidung). Und an den Ärmeln und Hosenbeinen sind Rüschen. Wenn es eine Sache gibt, die das totale Gegenteil meines Charakters ist, dann sind das Rüschen.
»Oh, toll!«, rufe ich begeistert. »Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe!«
Dazu setze ich mein bestes Fake-Lächeln auf. Mom merkt nicht, dass es falsch ist. Sie denkt, dass mir mein Geschenk echt gefällt. Sie sagt, das sei perfekt für meine Party, und fängt schon an, mir den Pyjama auszuziehen. Was sie tut, fühlt sich mehr nach Aufreißen als vorsichtig Auswickeln an.
Zwei Stunden später. Ich stehe in meinem Angelica-Ensemble im Eastgate Park, umgeben von meinen Freunden. Oder besser gesagt: von den einzigen Menschen in meinem Leben, die so alt sind wie ich. Ich kenne sie alle aus der Sonntagsschule. Carly Reitzel mit ihrem Zickzack-Haarband ist da. Dann Madison Thomer mit dem Sprachfehler, den ich auch gern hätte, weil er so verdammt cool ist. Und Trent Paige, der ausschließlich und wie besessen von der Farbe Pink redet, was den Erwachsenen in seiner Umgebung sehr missfällt. (Zuerst hab ich nicht begriffen, warum die Erwachsenen sich deswegen so aufregen, aber irgendwann zählte ich zwei und zwei zusammen. Sie glauben, er sei schwul. Und wir sind Mormonen. Und aus irgendeinem Grund kann man nicht schwul und Mormone zugleich sein.)
Der Kuchen und das Eis werden serviert, und ich bin ganz aufgeregt. Seit zwei Wochen warte ich auf diesen Augenblick - seit ich beschlossen habe, was ich mir wünschen werde. Der Geburtstagswunsch ist die größte Macht, die ich momentan in meinem Leben habe. Mehr Kontrolle ist nicht. So eine Chance kommt so schnell nicht wieder. Und ich muss sie nutzen.
Alle singen schief Happy Birthday, wobei Madison, Trent und Carly nach jeder Zeile ein Cha-cha-cha reinrufen - was mich wahnsinnig ärgert. Ich merke schon, dass sie ihr Cha-cha-cha cool finden, aber mir wäre das Geburtstagslied für sich allein lieber. Warum können sie eine so gute Sache nicht einfach für sich stehen lassen?
Ich suche Moms Blick, damit sie weiß, dass mir was an ihr liegt, dass sie an erster Stelle steht. Sie singt kein Cha-cha-cha. Das rechne ich ihr hoch an. Sie schenkt mir eins von ihren strahlenden Lächeln, bei denen sich ihre Nase krauszieht und die mir ein Alles-wird-gut-Gefühl geben. Ich lächle zurück und versuche, mir diesen Moment so gut es geht einzuprägen. Dabei spüre ich, wie mir Tränen in die Augen steigen.
Als ich zwei Jahre alt war, wurde bei Mom Brustkrebs im Stadium 4 diagnostiziert. Ich habe das gar nicht richtig mitbekommen und kann mich nur bruchstückhaft erinnern.
Eine Erinnerung ist Mom, wie sie mir eine große Decke aus grüner und weißer Wolle strickt. Dazu sagt sie, die könne ich behalten, während sie im Krankenhaus ist. Ich hasste die Decke. Oder hasste, wie ich sie bekam; oder hasste das Gefühl, das ich hatte, als sie sie mir gab. Ich weiß nicht mehr, was genau es war, aber irgendwas an dieser Decke hasste ich sehr.
Dann ist da die Erinnerung, wie ich an Grandpas Hand über die Wiese in einem Krankenhausgarten laufe. Wir sollten Mom blühenden Löwenzahn pflücken, aber stattdessen pflückte ich braunes, pieksiges Unkraut, weil mir das besser gefiel. Mom ließ es jahrelang in einem Plastikbecher neben unserem Fernseher stehen. Als Andenken. (Ob Scott vielleicht daher seine nostalgischen Neigungen hat?)
Dann blitzt noch die Erinnerung daran auf, wie ich in einem Eckzimmer unseres Kirchengebäudes auf einem welligen blauen Teppich sitze. Ich sehe zwei junge, attraktive Missionare ihre Hände auf Moms kahlen Kopf legen, um ihr Segen zu spenden, während alle anderen Familienmitglieder auf kalten Klappstühlen an den Wänden des Raums sitzen. Der eine Missionar weihte das Olivenöl, damit es heilig wurde oder so. Dann goss er es über Moms Kopf, der davon noch mehr glänzte als sowieso schon. Dann sprach der andere den Segen und bat darum, Moms Leben zu verlängern, wenn das Gottes Wille sei. Hier sprang Grandma von ihrem Stuhl auf und rief: »Auch wenn es nicht Gottes Wille ist, verdammt nochmal!« Das brachte den Heiligen Geist so durcheinander, dass der Missionar mit seinem Gebet wieder von vorne anfangen musste.
Dass ich mich an diese Zeit meines Lebens kaum erinnern kann, macht nichts. Denn über die Ereignisse wird im Hause McCurdy so oft gesprochen, dass man nicht mal dabei gewesen sein muss, damit sie einem auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt sind.
Mom liebt es, ihre Krebsgeschichte zu erzählen - von der Chemo, der Bestrahlung, der Knochenmarktransplantation,...
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