Schweitzer Fachinformationen
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Ein existenzieller Roman über Liebe, Schönheit und Gewalt am äußersten Ende der Welt
Dominic Salt lebt mit seinen drei Kindern auf einer verlassenen Insel, irgendwo zwischen Australien und Antarktis. Weil das kleine Stück Land langsam vom steigenden Wasser verschlungen wird, ist das Forschungsteam, zu dem auch Dominic gehörte, längst abgereist, und bald soll auch die Familie ans Festland zurückkehren. Doch wird in einer folgenreichen Sturmnacht plötzlich eine Frau an die Küste gespült. Sie ist schwer verletzt, fast erfroren. Wer ist die Fremde? Und wie ist sie ausgerechnet nach Shearwater geraten? Während die Kinder sich von ihrer atemberaubend schönen Insel verabschieden müssen, von den Seelöwen und Albatrossen, den sturmumtosten Klippen und versteckten Senken, beginnen die fünf Menschen, einander zu umkreisen, ihre Sehnsüchte und Geheimnisse zu teilen und sich zu fragen: Welche Entscheidungen müssen wir treffen, um die Menschen zu schützen, die wir lieben?
Mit »Die Rettung« ist Charlotte McConaghy, die Bestseller-Autorin von »Zugvögel« zurück in ihrem Element: dem wilden, wunderschönen und existenziell bedrohlichen Meer.
Dominic
Vor acht Jahren bin ich mit meinen Kindern auf Shearwater Island angekommen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Insel sich so gespenstisch anfühlen würde, aber der Leuchtturm, in dem wir wohnen, hat jahrhundertelang Männer hierhergeführt, die vom Blut der Geschöpfe dieser Welt lebten. Die Hinterlassenschaften dieser Walfänger und Robbenjäger sind bis heute an der schwarzen einsamen Küste und den silbrig schimmernden Hügeln präsent. Als Orly zum ersten Mal zugab, dass er die Stimmen hört, das Flüstern der hier getöteten Tiere - einschließlich einer Robbenart, die totgeschlagen wurde bis aufs letzte Tier -, habe ich ernsthaft überlegt, die Kinder wieder wegzubringen. Andererseits, sagte ich mir, könnten die Stimmen auch ein Geschenk sein. Eine Weise, sich zu erinnern, und irgendjemand müsse das doch tun. Ich weiß zwar nicht, ob diese Bürde einem Kind zufallen sollte, aber hier sind wir jetzt, sind geblieben, und ich glaube, meine Frau hatte recht, die wilden Tiere spenden meinem Jungen Trost.
Meistens ist es ruhig. Unser Alltag besteht aus einfachen Pflichten. Ein Leben aus Gras und Hügeln, aus Meer und aus Himmel. Aus Wind, Regen und Nebel, aus lächelnden, um die Heizung gedrängten Gesichtern und Abenden mit guten Büchern. Aus Händen um eine Tasse heiße Schokolade oder vor Wind und Wetter geduckten Köpfen, aus nassen, an der Tür abgestreiften Kleidern und dem Versuch, aus der Ferne einen Riesensturmvogel von einem Albatros zu unterscheiden. Aus Tiefkühlkost und ab und zu mal einem runtergeladenen Film, aus Hausaufgaben, Sport und Musik. Aus dem gurgelnden Röhren eines See-Elefanten oder der Bananenpose eines Seebären - und aus den leuchtend orangen Augenbrauen der weltweit letzten Kolonie von Haubenpinguinen. Aus Pflanzensamen. Aus Vatersein. Daraus, sich ständig zu fragen, was ich den dreien von der Welt erzählen soll, der wir den Rücken gekehrt haben.
Hin und wieder bringt ein Schiff Vorräte und Forscher. Trotz ihrer Wunder ist Shearwater keine Touristeninsel: Sie ist zu abgelegen, zu schwer erreichbar. Außer den Wissenschaftlern, die die Fauna, das Wetter und die Gezeiten studieren, kommt so gut wie nie jemand her. Und definitiv wird niemand einfach angespült. Dass diese Frau noch am Leben ist, will mir kaum in den Kopf - das Meer ringsum ist kalt und gefährlich, das nächste Festland ein paar tausend Kilometer entfernt. Sie muss mit einem Boot gekommen sein, aber ein Boot so nah bei unserer Insel ergibt auch nicht mehr Sinn. Das Versorgungsschiff erwarten wir erst in einigen Wochen, und die einzigen anderen Schiffe, die hier vorbeikommen, fahren weitab der Küste in Richtung Antarktis - über Bord zu gehen, wäre da draußen der sichere Tod. Bleibt nur die Möglichkeit, dass ihr Boot zu uns unterwegs war, nach Shearwater.
Am Morgen prüfen Raff und ich die Schäden. Regenrinnen wurden abgerissen, unter den Türen ist Wasser eingedrungen, aber sogar dieser Abreibung hat unser Leuchtturm standgehalten. Von der Stromversorgung kann man das leider nicht behaupten. Die zwei Windräder auf dem Hügel wurden glatt von den Masten gerissen. Eins liegt ein paar hundert Meter entfernt auf dem Boden, muss dort wohl hingesegelt sein, das andere ragt aus der Erde wie zu einem letzten Gruß. Die Solarzellen sind zerkratzt, das Dach der Hütte mit den Batterien wurde weggefegt, und die Batterien hat es übel erwischt. Das Dach muss ich ersetzen, aber vorerst schützen wir die restlichen Batterien mit einer Plane - es wäre zu kompliziert, sie woanders hinzubringen und neu zu verkabeln. Die Hälfte ist ohnehin im Eimer. Die anderen speichern noch ein wenig Strom, und der muss lange vorhalten.
Wer an entlegenen Orten überleben will, muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Geht etwas kaputt, muss Ersatz bereitstehen. Aber auf die Idee, dass sämtliche Solarzellen, beide Windräder und die Hälfte der Batterien sich gleichzeitig verabschieden könnten, wäre ich nie gekommen.
»Wir haben ja noch den Diesel«, sagt Raff auf dem Heimweg. Angst ist ihm nicht anzuhören, nur Konzentration.
Gar nicht verzichten können wir auf die Heizung. Ohne sie würden wir die bevorstehende Kälte vermutlich nicht überleben. Normalerweise würden wir in dieser Lage sofort das Festland anfunken und um Hilfe rufen. Handwerker, Ersatzteile, mehr Benzin, mehr Diesel. Normalerweise.
Raff und ich gehen über die Landzunge nach Hause. Einen Grund haben wir dafür eigentlich nicht, aber ich habe Raff vorausgehen lassen, und seine Wege führen ihn oft hierher. Shearwater ist lang, schmal und zweigeteilt: Die Nordinsel ist gebirgig und größtenteils unerforscht, die Südinsel kleiner und etwas weniger unwirtlich. Dort stehen Gebäude, unser Leuchtturm, die Hütten, die Funkstation und der Saatgutbunker. Verbunden werden die beiden Seiten durch eine schmale, flache Landenge, die wir die Zwinge nennen. Dort befindet sich die Forschungsbasis: mehrere lange weiße Container aus Aluminium, das in der salzigen Luft nicht rostet, dazu einige Holzhütten. Ein Sammelsurium von siebzehn kleinen Bauten, aufgestellt im Lauf vieler Jahrzehnte. Ein Speisesaal und eine Küche. Die Labore. Eine Krankenstation. Die Werkstatt. Die Unterkünfte. Was bis vor kurzem eine lebhafte Gemeinschaft beherbergt hat, ist jetzt nur noch ein Haufen leerer Kästen auf der Zwinge. Besser so, zumal das Wasser mittlerweile an Türen und Wänden leckt. Die Basis sieht aus, als treibe sie auf einem Teich.
»Krass«, sagt Raff.
Die Flut stand noch nie so hoch.
Ich bin erschüttert, aber das soll er nicht merken.
Wir haben noch etwas Gas zum Kochen und für warmes Wasser und genug Diesel im Generator, um die Gefriertruhe zu betreiben, die unsere Lebensmittel frisch hält. Alles andere ist abgeschaltet. Kein Licht mehr, keine Computer und Ladegeräte, keine Stereoanlage, keine Waschmaschine, kein Staubsauger, keine Elektrowerkzeuge. Die Kinder klagen nicht; diesen Laden am Laufen zu halten, ist eine ständige Übung im Problemlösen, und das verstehen sie. Sorgen macht mir aber die Stromversorgung des Saatgutbunkers unten am Südufer. Ich beauftrage Raff damit, die kaputten Regenrinnen zu reparieren, und packe meinen Rucksack. Bis zum Bunker sind es zehn Kilometer Fußmarsch. Heute Nacht muss ich wohl in einer der Hütten dort unten schlafen.
Vorher sehe ich noch einmal nach der Frau. Orly sitzt am Fußende ihres Bettes und liest ihr aus einem Botanikbuch vor, das sein erstaunliches Hirn sicher längst auswendig kennt. Seit sie hier ist, weicht er ihr kaum von der Seite.
»Wie geht's ihr?« Ich nehme auf dem Stuhl neben dem Fenster Platz.
Er zuckt die Achseln. »Ganz okay. Sie atmet.«
»Du musst nicht die ganze Zeit bei ihr bleiben.«
»Weiß ich.« Er zupft an einer Buchseite, knickt ein Eselsohr hinein und streicht es wieder glatt. »Ich finde nur, es sollte jemand da sein, wenn sie aufwacht.«
Ich überlege, was ich ihm über meine Sorgen wegen des Bunkers erzählen soll. Schließlich sage ich nur: »Ich bin bis morgen weg, im Süden.«
»Kann ich mit?«
»Diesmal nicht, Kumpel.«
Die Frau murmelt irgendwas vor sich hin, und obwohl sie nicht tot ist, hat das etwas Unnatürliches. Wie eine wiederbelebte Leiche. Ihre Hand ballt sich kurz zur Faust, dann entspannen sich die langen Finger wieder.
»Versteif dich nicht zu sehr darauf«, rate ich Orly.
»Auf was?«
»Dass sie überlebt. Tut sie vielleicht nicht. Verstehst du?«
»Ja, klar.« Er betrachtet ihr Gesicht, und ich betrachte seins. »Aber . wieso wacht sie nicht auf?«
»Ich weiß es nicht, Kumpel. Sie ist weit geschwommen. Womöglich schwimmt sie immer noch.«
Der Shearwater Global Seed Vault, der Saatgutbunker auf unserer Insel, wurde dazu konstruiert, allem standzuhalten, was die Welt gegen ihn aufbietet; er soll die Menschheit überdauern, bis weit in eine Zukunft, in der unsere Nahrungsgrundlage möglicherweise neu angepflanzt werden muss. Größtenteils kleine Körnchen. Winzige schwarze Pünktchen, mehr nicht. Der Schatz, den wir hier tief unter der Erde aufbewahren, am absoluten Arsch der Welt. Die letzte Hoffnung der jeweiligen Arten - und zugleich unsere.
Ein großes Vorhaben: die Rettung der Menschheit. Aber ehrlich gesagt sind wir nicht deswegen hier. Ich brauchte einfach einen Job, und zwar weit weg von allem anderen. Mit einem tieferen Sinn wurde er erst später erfüllt - in Wahrheit erst, als mein Jüngster seine Tragweite erkannte.
Der Saatgutbunker gehört den Vereinten Nationen, aber seine Verwaltung wurde dem Tasmanian Parks and Wildlife Service übertragen, der auch für das Naturschutzgebiet und die Forschungsbasis auf der Insel zuständig ist (aufgrund seiner Lage gehört Shearwater Island zu Australien). Ich wurde als Verwalter für sämtliche Gebäude auf der Insel angeheuert, einschließlich des gewaltigen Gefrierbunkers ganz im Süden. In der ersten Zeit nach unserer Ankunft überquerte ich die Insel deshalb oft. Ich war genervt von den ständigen Wanderungen, sie raubten mir Zeit, die ich gut für Arbeiten an der Forschungsbasis oder dem Leuchtturm hätte gebrauchen können. Orly war damals noch so klein, dass ich ihn jedes Mal mitnehmen musste. Mit der Zeit wuchs sein Forscherdrang, unterwegs tastete, schnupperte und zupfte er. Kaum dass er sprechen konnte, nannte er all die Pflanzen, die wir sahen, beim Namen, auch die der Samen im Bunker. Durch seinen Blick auf die Dinge ging mir auf: Der Job war wichtig. Zum ersten Mal stellte ich mir vor, wie man das Saatgut einsetzte, malte mir eine Welt aus, die es brauchte. Hier...
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