Schweitzer Fachinformationen
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Das Benediktinerinnen-Kloster St. Strulzkum lag hoch oben auf dem Jungfrauen-Berg nahe dem Erzgebirge. Es war ein wuchtiges, düsteres Gemäuer, das eher an eine alte Ritterburg erinnerte als an ein Nonnenkloster. Es war von dicken massiven Mauern mit Zinnen umgeben, und drumherum befand sich ein tiefer Graben, den man nur über eine Zugbrücke überqueren konnte, die jedoch fast immer hochgeklappt war. So hatte es die Leiterin des Klosters, die Äbtissin Vaginata, angeordnet. Und das war gut so. Die Zeiten waren hart, und gelegentlich kam es vor, dass Banditen und Räuber versuchten, ins Gebäude einzudringen; bislang aber erfolglos. Die Nonnen waren dazu angehalten, das Kloster mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Heißes Öl, kochendes Wasser oder Steine bewirkten dann, dass die Gegner das Weite suchten. Einige der Schwestern konnten sogar mit Armbrüsten umgehen! Der Klostergraben tat sein Übriges.
Allerdings gab es solche Vorkommnisse nur äußerst selten. Die Benediktinerinnen hatten innerhalb der sie umgebenen Mauern ihre eigene kleine Welt. Sie hatten alles, was sie zum Leben benötigten. Im Hof befand sich sogar ein kleiner Brunnen und im Stall hielten sie ein paar Nutztiere.
An diesem Tag saßen die Mutter Oberin und die Priorin Uterussina im Scriptorium zusammen und besprachen einige Dinge des Alltags, als es plötzlich stakkatoartig an die Tür klopfte.
Beide blickten zum Eingang. »Nanu?«, wunderte sich die Priorin und sah zum Oberhaupt des Klosters. »Sicher ist es eine der Novizinnen, die es mal wieder eilig hat«, vermutete sie. Das Klopfen dauerte an. »Herein!«
Die Tür wurde geöffnet, aber es betrat keine Novizin die Schreibstube, sondern Schwester Labiana. Nachdem sie geknickst hatte, fing sie auch sofort an zu reden.
»Verzeiht die Störung, Mutter Oberin, aber Ihr müsst Euch unbedingt etwas ansehen!«
»Etwas ansehen? Ist etwas passiert?«
Schwester Labiana schüttelte den Kopf. »Nein, passiert ist nichts. Die Schwestern Brustina, Klitorissa und ich waren gerade dabei, den alten Lagerraum im Keller aufzuräumen, als wir plötzlich am Boden eine Falltür entdeckten!«
»Eine Falltür?«, hakte die Priorin Uterussina nach.
»Ja! Genau darüber hat immer ein Regal gestanden, mit allerhand unnützem Zeug. Als wir es leerräumten, stellten wir fest, dass mehrere der Bretter morsch waren und nahmen es auseinander. Da fanden wir überraschenderweise diese Falltür.«
Die Äbtissin und ihre Stellvertreterin schauten einander an. »Das hört sich in der Tat mysteriös an. Gut wir kommen mit und sehen es uns an.«
»Oh danke, Mutter Oberin!« Schwester Labiana war enorm erleichtert. Vaginata und Uterussina erhoben sich und folgten der Schwester auf den Gang hinaus. Sie durchschritten mehrere kurze Flure, bevor sie dann zum überdachten Kreuzgang gelangten. Auf der Umrandung des Brunnens im Innenhof saßen zwei Novizinnen und unterhielten sich. Als sie die Äbtissin wahrnahmen, erhoben auch sie sich und machten einen Knicks. Die Leiterin nickte den beiden zu, dann schritten die drei durch eine kleine Tür. Anschließend stiegen sie eine recht steile Steintreppe hinunter und befanden sich am Ziel. Brustina und Klitorissa knicksten ebenfalls und traten dann zur Seite, um der Äbtissin Platz zu machen.
»Dort ist es, seht!«, sagte Schwester Labiana und deutete auf die entsprechende Stelle.
Die beiden eingetroffenen Frauen stoppten erst, als sie direkt vor der Falltür standen.
»Oh, Mutter Oberin, der Saum Eures Habits ist ganz staubig geworden, es tut mir leid!«
»Dafür kannst du doch nichts«, meinte die Äbtissin und wandte sich von ihr ab, um zu verhindern, dass Labiana weiter plapperte, wofür sie bekannt war. Sie ging in die Hocke, wobei ihr Pektorale hin und her pendelte, und nahm die Falltür in Augenschein. Sie war aus dickem Eichenholz und mit Eisen beschlagen. Zwei Riegel, jeweils am oberen und unteren Ende, mit dem Hauptschloss in der Mitte zwischen ihnen, hielten die Luke an Ort und Stelle. Die beiden Riegel waren in entsprechende Ösen eingerastet, die ihrerseits am Boden des Kellerraums befestigt waren. Das Schloss selbst war mehr als handtellergroß, lag mit der Schlüsselöffnung nach unten und war mit einem dicken Bügel versehen, der um eine weitere, ebenfalls dicke Öse geschlossen war. Alles machte einen massiven Eindruck.
»Habt Ihr eine Ahnung, was es damit auf sich hat?«, fragte die Priorin.
Die Mutter Oberin schüttelte den verschleierten Kopf. »Nicht mal ansatzweise. Ich frage mich gerade, weshalb jemand die Luke so sehr gesichert hat. Warum soll niemand dort hinuntergelangen?«
»Vielleicht soll aber auch niemand von dort unten hinauf gelangen .«, unkte Uterussina.
»Meinst du wirklich, dass es da unten jemanden gibt, der besser dort bliebe?«
Die Priorin wiegte den Kopf. »Jemand oder Etwas!«
»Etwas? Was meinst du?«
»Nun, es gibt in diesem Landstrich viele Legenden über Unholde, sowohl menschliche als auch nichtmenschliche.«
Die Äbtissin blickte ihre Stellvertreterin ungläubig an.
»Aber das sind doch alles nur Spukgeschichten und Ammenmärchen, die sich irgendjemand ausgedacht hat, um Kindern Angst zu machen. Glaubst du wirklich, dass darin ein wahrer Kern steckt, Uterussina?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich glauben soll. Möglicherweise ist dort unten lediglich ein weiterer Keller oder Abstellraum, wer weiß?«
Beide verstummten. Den Moment nutzte Schwester Labiana, um einen Kommentar abzugeben. »Vielleicht ist da unten ein Schatz versteckt, oder ein Geheimgang führt in eine Höhle voller Gold und Edelsteine.«
»Schluss damit!«, fuhr Vaginata auf. »Was immer sich dort befindet, wir werden es herausfinden. Ihr zwei dort drüben, wie sind eure Namen?«, wandte sie sich an die beiden Helferinnen Labianas.
Die Angesprochenen senkten den Blick.
»Klitorissa und Brustina, ehrwürdige Mutter!«
»Ah ja, ich vergaß«, murmelte die Äbtissin, die sich erinnerte, dass Labiana vorhin die Namen genannt hatte. »Lauft los und sucht die Schwestern Sekretia und Rita. Teilt ihnen mit, sie mögen unverzüglich hier erscheinen!«
»Ja, Mutter Oberin!« Sie machten kehrt und eilten die Treppe rauf.
»Was habt Ihr vor?«, erkundigte sich die Priorin.
»Sekretia ist die Messnerin, hat somit sämtliche Schlüssel, die zum Kloster gehören, und Rita ist die Älteste hier. Vielleicht weiß sie etwas, oder es fällt ihr ein, wenn sie die Falltür erblickt.«
Uterussina nickte.
»Kann ich noch etwas für Euch tun, Mutter Oberin?«, erkundigte sich Labiana. Zuerst wollte die Äbtissin verneinen, dann fiel ihr jedoch tatsächlich etwas ein.
»Das könntest du in der Tat, Labiana. Draußen am Brunnen halten sich zwei Novizinnen auf. Wenn ich mich nicht täusche, handelt es sich um Oralia und Tamponia. Bring die beiden bitte zur Magistra und sage ihr, sie möge ihnen eine Aufgabe zukommen lassen.«
»Selbstverständlich, ehrwürdige Mutter.« Sowohl die Äbtissin als auch die Priorin blickten ihr nach, als sie den Kellerraum verließ.
Dann ergriff Vaginata das Wort: »Ich glaube mich zu erinnern, dass ich, vor vielen Jahren, als ich gerade das ewige Gelübde abgelegt hatte, davon gehört habe, dass es eine uralte Legende gibt, die von unserem Kloster St. Strulzkum handelt. Leider fallen mir die Details nicht mehr ein.«
Die Priorin Uterussina verstand.
»Deswegen habt Ihr nach Schwester Rita geschickt.«
»Ja, es könnte sein, dass Rita diese Legende kennt und uns wertvolle Hinweise geben kann.«
»Es ist zumindest einen Versuch wert«, bestätigte Uterussina.
Schritte waren zu vernehmen. Schwester Sekretia, die Messnerin erschien. Sie war übergewichtig und schnaufte, als sie eintraf. Sie hatte nicht nur alle Schlüssel, sondern war außerdem zuständig für alle finanziellen Angelegenheiten des Klosters.
»Ihr habt nach mir verlangt?«, fragte sie mit einer Verbeugung.
»Allerdings, das habe ich. Sieh dir bitte einmal diese Verschlüsse an. Kannst du sie vielleicht öffnen?«
Sie ging näher heran und betrachtete aufmerksam die Riegel und das Schloss.
»Hmm .«
Sie kniete sich hin und beugte sich so weit vor, dass ihre Nasenspitze fast den staubigen Kellerboden berührte.
»Nun?« Die Leiterin des Klosters wollte ein schnelles Resultat.
Schwester Sekretia richtete sich wieder auf. »Na ja, die beiden Eisenriegel stellen kein Problem dar.«
»Nicht?«, fragte die Priorin.
»Nein, sie lassen sich einfach zur Seite schieben. Nur das Schloss hindert uns daran. Sobald wir es geöffnet haben, sind sie zwecklos!«
»Nun gut. Hast du einen passenden Schlüssel in deiner Werkstatt?«
»Ich bin mir nicht sicher,...
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