Schweitzer Fachinformationen
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Spähende Blicke hinunter zum Wasser, wo die Morgensonne Lichträder formte, fächerig angeordnete Krönchen, die jeden Zweig, jedes Sedimentkorn in sich einschlossen, lange Splitter und Klingen aus Licht im staubigen Wasser, darüber hinhuschend wie Sekundenblitze, in denen Sonnenstäubchen rieselten und flirrten. Eine Hand gleitet über das Dollbord; er liegt quer im Skiff, die Spitze eines Turnschuhs lässt, wenn es leicht schaukelt, im Fluss ein Kräuseln entstehen, das Boot treibt unter der Brücke flussab, langsam an den schmutzigen Pfeilern vorbei. Unter den hohen kühlen Bögen und dunklen Nischen hindurch, wo Tauben plappern und ihr hohles Flügelschlagen als rauschender Beifall ertönt. Kurze Blicke hinauf zu diesen Gewölben mit den fossilen Knorren und pseudomorphen Nagelköpfen im grauen Beton, das Boot treibt weiter, der schräge Schatten der Brücke neigt sich über die Breite des Flusses, ein illusionäres Kopfüber wie bei alten, auf Fotoplatten verewigten Rennfahrern, deren Geschwindigkeit die Räder zu Ellipsen formt. Die Schatten legen sich über das Skiff, schmiegen sich der hingestreckten Gestalt an und wandern weiter.
Den Unterkiefer in die Armbeuge gebettet, beobachtete er müßig Oberflächenphänomene, leise zuckende Schmutzschlieren, graue Klumpen namenlosen Unrats und gelbe Kondome, die langsam aus dem Trüben herandümpelten wie ein riesenhafter Egel oder Bandwurm. Das Gesicht des Beobachters schwamm neben dem Boot, ein im Schaum waberndes Antlitz in Sepia mit flatternden Augen, eine wässrige Fratze. Ein träge gekräuselter Saum auf der Flussoberfläche, als hätte sich etwas Unsichtbares in den Tiefen gerührt und als seien kleine Gasblasen zu öligen Spektren zerplatzt.
Unter der Brücke richtete er sich vorsichtig auf, ergriff die Riemen und begann in Richtung südliches Ufer zu rudern. Dort wendete er das Skiff, steuerte das Heck in eine Weidengruppe, ging nach achtern und zog eine schwere Leine hoch, die von einem im Uferschlick steckenden Eisenrohr ins Wasser lief. Er führte die Leine durch eine am Heckbalken montierte freie Dolle. Dann setzte er das Boot, langsam rudernd, wieder in Bewegung, die Leine kam nass und glatt durch die Dolle nach oben und sank wieder zurück in den Fluss. Als er ungefähr zehn Meter vom Ufer entfernt war, tauchte die erste Köderfliege auf und winkelte die Leine, bis er sie aufnahm und den Köder losmachte. So ging es weiter, das Skiff drehte sich leicht gegen die Strömung, die Haken rutschten hintereinander nach oben in die Dolle, behängt mit ausgelaugten Fleischfetzen. Als er das Gewicht des ersten Fisches spürte, legte er die tropfenden Ruder ein, hielt die Leine fest und zog sie heran. Ein großer Karpfen durchbrach das Wasser, eine mattbronzen glänzende Flanke mit rauen Schuppen. Er stützte sich mit dem Knie ab, hob den Fisch ins Boot, kappte die Schnur, befestigte einen frischen Haken mit Fleischköder, warf ihn seitlich über Bord und holte, mit nur einem Riemen rudernd, die Leine weiter ein, während sich der Karpfen heftig auf den Planken wand.
Als er die Angelschnur vollständig abgefahren hatte, war er auf der anderen Seite des Flusses. Er beköderte den letzten Haken neu, ließ die schwere Leine los und beobachtete, wie sie ins trübe Wasser sank, durch eine flirrende Wolke von Sonnenstäubchen, eine gebrochene Korona, aus der einen Moment lang der letzte fahle Brocken ranzigen Fleisches aufglitzerte. Die Riemen einholend, streckte er sich wieder auf der Ruderbank aus und nahm ein Sonnenbad. Das Skiff trieb in der Strömung und schaukelte sacht. Er knöpfte sein Hemd bis zur Taille auf und legte den Unterarm vor die Augen. Unter sich hörte er das leise Schwatzen des Flusses, des behäbigen alten Flusses mit dem runzligen Gesicht. Unter dem gleitenden Wasser Geschütze und Lafetten, im Schlick steckende und vor sich hin rostende Schildzapfen, zu Schleim verfaulte Kielboote. Fabelstöre mit fünfeckigen Hornleibern, kupfermünzhelle Karpfen und Katzenwelse mit bleichen und nahtlosen Bäuchen, dicker Schlamm, durchzogen von Glassplittern, Knochen und rostigen Dosen, von Geschirrstücken mit schmutzschwarzen netzartigen Haarrissen. Jenseits des Flusses ragten grau und roh facettiert die Kalkklippen, ihre mit Gras bespannte Vorderseite zerteilte sich in schmale grüne Spalten. Wo sie über das Wasser hingen, warfen sie einen kühlen Schatten; die Oberfläche lag ruhig und dunkel da und reflektierte, wie einen kleinen Stern, die Gestalt eines Regenpfeifers, der vor der Kante des Steilufers im Aufwind schwebte. Unter der Ruderbank des Skiffes schwamm, stur und unbeirrt, ein Katzenwels und presste dabei sein breites Gesicht an den Spant.
Als er die Bachmündung passierte, hob er eine Hand und winkte bedächtig; die alten Schwarzen, geblümt und behaubt, kamen zum Vorschein wie ein vom Wind geneigter Garten, ihre Stöcke zuckten hin und her, ihre Arme stießen dunkel und ziellos in die Luft, ihre grelle exotische Tracht bauschte sich bei jeder Bewegung. Hinter ihnen stieg, verbraucht und ermattet wirkend, die Gestalt der Stadt empor, düster und qualmend vor einen Porzellanhimmel gemeißelt. Das schmutzige Ufergelände lag wellig und schimmernd in der Hitze; es herrschte völlige Stille an diesem einsamen Sommervormittag.
Unter dem Bahnviadukt machte er sich daran, seine zweite Leine einzuholen. Das Wasser fühlte sich warm an und hatte eine körnige Geschmeidigkeit wie Graphit. Genau zur Mittagsstunde war er fertig; er blieb einen Moment lang im Skiff stehen und begutachtete seinen Fang. Dann fuhr er, gemächlich rudernd, wieder flussaufwärts, während die Fische in einer schmalen grauen Bilge am Boden des Bootes zappelten, ihre weichen Bartfäden befühlten mit stumpfer Verwunderung die schlammigen Planken, und wo sie sich ins Sonnenlicht krümmten, verbleichten ihre Rücken bereits zu blutleerer Blässe. Die Messingdollen quietschten in ihren Scharnieren, das Flusswasser kräuselte sich klebrig am Bug entlang und bildete hinter dem Skiff eine Spur wie durchpflügter Morast.
Er ruderte unter den Schatten der Klippen hervor, am Kieswerk vorbei, dann an ödem und staubigem Gelände, wo Bahnschienen auf ihrem Schotterbett liefen und Güterwagen auf Abstellgleisen vor sich hin rosteten, vorüber an Lagerhallen aus verzinktem Wellblech, in flache Mulden gesetzt, die aus der ziegelfarbenen Erde herausgehauen waren; rhombische und spiralförmige Kalkbrocken ragten empor, über und über mit Schmutzflecken bedeckt, wie große ausgebleichte Knochen. Er hatte bereits zur anderen Flussseite eingeschwenkt, als er am Ufer die Bergungsboote sah. Sie kreisten im Kanal, eine kleine Menschenmenge schaute vom Flussrand aus zu. Zwei weiße Boote, leicht verschleiert von der Hitze und dem trägen blauen Rauch aus ihrem Auspuff, das leise Tuckern der Motoren drang durch die Stille über dem Fluss. Er fuhr hinüber und ruderte bis an den Rand des Kanals. Die Boote lagen inzwischen längsseits, eines hatte den Motor ausgeschaltet. Die Bergungsleute trugen Segelkappen und machten sich ernst an die Arbeit. Während der Fischer sie passierte, hievten sie einen Toten an Bord. Der Leichnam war völlig steif und sah wie eine Schaufensterpuppe aus, bis auf das Gesicht; es wirkte weich und aufgedunsen, ein irres Grinsen lag darauf, und in der Seite steckte ein Greifhaken. So zogen sie ihn an den Wangenknochen hoch, wie ein Stück Vieh. Eine bleiche unblutige Wunde. Der Tote schien hölzern zu protestieren, mit schiefgelegtem Schädel. Sie hoben ihn an Deck, wo er in seinem Kreppanzug und den zitronengelben Socken liegen blieb, mit dem Haken im Gesicht glasäugig zu den Bergungsleuten hinaufgrinsend wie ein gewaltiger, mit dem Schleppnetz eingeholter Wasserhomunkulus, den das Licht von Gottes Tag jählings getötet hat.
Der Fischer fuhr vorüber und ruderte das Skiff ein Stück von der Menge entfernt ans Ufer. Er wälzte einen Stein auf die Leine und ging wieder zurück, um zuzuschauen. Das Bergungsboot drehte bei; einer aus der Mannschaft kniete über der Leiche und versuchte das Greifeisen loszuhebeln. Die Menge sah zu, wie er schwitzend den Haken bearbeitete. Schließlich stemmte er den Fuß gegen den Schädel des Toten und zerrte ruckartig mit beiden Händen, bis der Haken sich löste und dabei ein sehniges Stück gebleichten Fleisches mitriss.
Sie brachten den Leichnam auf einer Segeltuchtrage an Land und legten ihn ins Gras, wo er mit seinen leeren Augen und seinem Lächeln zur Sonne hinaufstarrte. Schon hatte sich aus der abgestandenen Luft ein surrender Fliegenschwarm formiert. Die Bergungsleute zogen eine grobe graue Decke über den Toten. Die Füße ragten heraus.
Der Fischer wollte gerade gehen, als ihn jemand aus der Menge am Ellbogen fasste. Hey, Suttree.
Er drehte sich um. Hey, Joe, sagte er. Hast du's gesehen?
Nee. Angeblich isser heut Nacht gesprungen. Sie ha'm seine Schuhe auf der Brücke gefunden.
Sie standen da und blickten zu dem Toten. Die Bergungsleute wickelten die Taue zusammen und kümmerten sich um ihr Gerät. Die Zuschauer hatten sich herangedrängt wie Trauernde; der Fischer und sein Freund mussten an dem Toten vorüber, als wollten sie ihm die letzte Ehre erweisen. Eine Hand über das Gras gestreckt, lag er in seinen gelben Socken da; auf der Decke krochen die Fliegen. Die Uhr trug er, einer bis heute verbreiteten Mode gemäß, an der Innenseite des Handgelenks, und im Vorbeigehen stellte Suttree mit einem undefinierbaren Gefühl fest, dass sie nicht stehengeblieben war.
Blöde Art, den Löffel abzugeben, sagte Joe.
Gehn wir.
Sie marschierten über den Schotter am Rand der Gleise. Suttree rieb sich den nachdenklich vorgeschobenen Unterkiefer, wo ein Muskel leise pulsierte.
Wo willst'n hin?, sagte Joe.
Da lang. Ich hab das Boot...
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