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So ist denn ein Fürst, der das Übel erst dann erkennt, wenn es da ist, nicht wahrhaft weise, was ja nur wenigen gegeben ist. Machiavelli, Der Fürst
Eine politische Krise war der Auslöser für das Treffen zwischen dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem Meister. Die Zusammenkunft hatte zwar keinerlei Auswirkungen auf das Spiel oder auf seine Beteiligten, aber es hatte Einfluss auf den Präsidenten. Vermutlich brachte es den mächtigsten Mann der Welt dazu, über das Wesen der Macht nachzudenken und darüber, wer sie am besten ausüben sollte; in dieser Hinsicht beeinflusste der Meister das Leben des Präsidenten, so wie er das von Millionen anderen beeinflusst hatte - ob sie es wussten oder nicht.
Bevor jedoch das Spiel begann, gab es eine politische Krise und eine Leiche.
Jack Caldwell, der Sonderberater des US-Präsidenten, war anwesend, als alles begann. Wie alle großen politischen Katastrophen ereignete sie sich völlig unerwartet, wenngleich zu einem Zeitpunkt, an dem sich Politiker vor verräterischen Umtrieben besonders in Acht nehmen sollten - an Weihnachen, dem Fest der Liebe.
»Jack, der Präsident will Sie unverzüglich sprechen.« Die Stimme des Pressesekretärs klang nervös und angespannt.
Jack erhob sich von seinem Schreibtisch und schritt durch den Gang. Er war ein großer, schlanker Mann Anfang sechzig, hatte graues Haar und eine unbewegliche Miene. Er gehörte seit langem zum Regierungsapparat und hatte unter einigen Präsidenten als Oberster Berater gedient. Es gab kaum etwas im politischen System, das er nicht kannte; die Leute vertrauten ihm und verließen sich auf sein Urteil. Kurz warf er einen Blick aus dem Fenster hinüber zum Weißen Haus. Es hatte heftig geschneit, und die beiden jungen Töchter des Präsidenten, Jessica und Karen, bauten einen Schneemann. Lachend und kichernd rannten sie durch den Garten und hatten ihren Spaß dabei. Jack lächelte. Er musste an die Kennedy-Jahre denken, an den fotogenen Präsidenten, an dessen attraktive Frau und die beiden kleinen Kinder. Präsident Davison war ebenso clever und fotogen wie Kennedy damals. Auch er konnte sich mit der Zeit zu einer großen Persönlichkeit entwickeln.
Im Gang öffnete sich eine Tür, und eine Sekretärin erschien.
»Sir, treten Sie bitte sofort ein«, sagte sie ihm.
Bei Gott, ging es Caldwell durch den Kopf, als er das Oval Office betrat, das Land hatte einen ehrlichen Präsidenten bitter nötig. Das politische System der Vereinigten Staaten steckte seit einigen Jahren in einer tiefen Krise, darin unterschied es sich kaum von dem zahlreicher anderer Länder. Ein korrupter Kongress, ein Ex-Präsident (den Caldwell nicht beraten hatte), der wegen Schmiergeldzahlungen seines Amtes enthoben worden war, und eine Regierung, die dem Volk nicht diente, sondern ihm das Geld abpresste. Die letzten Jahre waren verheerend gewesen, sodass Abscheu und Zynismus gegenüber der Politik in der amerikanischen Öffentlichkeit mittlerweile äußerst tief saßen. Und weshalb der dreiundvierzigjährige Davison mit großer Mehrheit zum Präsidenten der USA gewählt worden war. Seit zwei Monaten war er nun im Amt und war bereits einigen auf die Zehen getreten - jenen nämlich, die zu verhindern suchten, dass er ihre korrupten Machenschaften aufdeckte, und die daher alles unternahmen, um seinen wunden Punkt zu finden. Es hatte geradezu zwangsläufig so kommen müssen. Aber noch besaß Davison die Unterstützung der Wähler, und das zählte in der Politik. Noch.
»Jack, kommen Sie und nehmen Sie Platz.«
Jack folgte der ausgestreckten Hand des Präsidenten und ließ sich auf dem Sofa nieder. Ihm gegenüber saßen bereits drei weitere Personen. Er kannte sie alle. Joe Buchanan, der exzellente Vizepräsident, ein kräftiger Mann aus Nebraska. Neben ihm Paul Faucher, der Nationale Sicherheitsberater, der in den Korridoren der Macht zu Hause war und keinen Zweifel an seiner Autorität ließ noch an den Konsequenzen, wenn sich ihm jemand widersetzen sollte. Und schließlich William Olsen, der rätselhafte, Brille tragende Direktor der CIA, der, bereits Ende fünfzig, auf seine Pensionierung wartete. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Im Raum herrschte eine angespannte Atmosphäre. Caldwell fiel auf, dass kein Militär anwesend war, was seltsam erschien.
»Mr. President, es handelt sich hier um eine sehr ernste Angelegenheit«, setzte Faucher wütend die bereits begonnene Diskussion fort. »Wir haben es hier wahrscheinlich mit dem schlimmsten Anschlag auf die Sicherheit des Landes zu tun, der uns bislang widerfahren ist.«
Präsident Davison, der zwischen den beiden Sofas in einem Armsessel saß, blickte zu Caldwell. Sein berühmtes breites Grinsen fehlte. Gedankenverloren fuhr er sich durch das dichte, dunkelbraune Haar, das an manchen Stellen graue Strähnen aufzuweisen begann; augenfällige Anzeichen des Alters, die ihm aber einen Anflug von Würde verliehen und ihm sicherlich nicht schaden sollten. Davison war noch immer ein attraktiver Mann, der sich durch sein wunderbar gelassenes Auftreten auszeichnete.
»Erklären Sie Jack doch bitte, worum es geht, Paul.«
Faucher wandte sich an Caldwell. Es fiel nicht schwer, den Sicherheitsberater nicht zu mögen; er war ein durch und durch gerissener Politiker, aber in der Politik musste ein Präsident zuweilen mit seltsamen Gefährten zusammenarbeiten: mit den Guten, den Schlechten und, in Fauchers Fall, mit den abgrundtief Hässlichen.
»Im Grunde geht's um Folgendes.« Faucher knallte einen Ordner auf den Tisch. »Letzte Nacht erhielten wir eine Nachricht von einer hochrangigen Quelle in der russischen Regierung. Sie sind im Besitz von streng geheimen Informationen: den Blaupausen unserer atomaren Raketenstellungen in Japan und in der Türkei.« Er zögerte. »Was schon schlimm genug wäre. Aber es kommt noch heftiger. Als Quelle diente ein geheimes Kabinettspapier.« Unruhig rutschte er auf dem Sofa herum, als säße er über einer Flamme, die allmählich unangenehm heiß wurde.
Caldwell war wie vor den Kopf geschlagen. »Die Informationen sind verlässlich?«
»Oh, keine Sorge, das sind sie«, knurrte Faucher und wischte die Frage mit einer abschätzigen Handbewegung fort. »Unser russischer Maulwurf hat uns eine Kopie zukommen lassen. Man könnte glauben, er habe bei uns im Kabinettszimmer gesessen und das beschissene Ding selbst gelesen.«
»Als undichte Stelle kommt nur jemand ganz oben in Betracht«, warf Buchanan ein und senkte die Stimme. »Jemand aus dem Kabinett. Jemand, der dem Präsidenten sehr nahe steht. Das heißt, wir haben einen Verräter in unseren Reihen.«
Es folgte Schweigen. »Wie viel Zeit bleibt uns, bis die Medien davon erfahren?«, fragte der Präsident.
Faucher sah auf seine Uhr. »Ich schätze, vier bis fünf Stunden. Man weiß doch, die russische Regierung ist so undicht wie ein Sieb. Außerdem tauchen im Internet bereits die ersten Gerüchte auf. Wir werden die Sache bald bekannt geben müssen.«
Alle sahen zum Präsidenten. Davison wirkte völlig gelassen. Starke Nerven gehörten zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Er dachte über das Problem nach und beugte sich dann mit entschlossener Miene in seinem Sessel vor.
»Wir sollten Folgendes tun. Als Erstes, Joe«, und damit wandte er sich an den Vizepräsidenten, »will ich, dass Sie und Paul« - mit einem Kopfnicken wies er auf Faucher - »herausfinden, wo die undichte Stelle sitzt. Das hat oberste Priorität. Als Zweites werde ich für heute Abend eine außerordentliche Kabinettssitzung einberufen. Und als Drittes müssen wir von Anfang an der Berichterstattung in den Medien die Schärfe nehmen.«
»Sagen Sie das mal dem Kongress«, erwiderte Olsen mürrisch. »Das Militär hat soeben einige Milliarden Dollar für die Modernisierung dieser Stellungen ausgegeben, die Anlagen in Japan haben noch dazu offiziell nie existiert. Das ist der Auftakt zu einem neuen Rüstungswettlauf. Der Kongress wird Zeter und Mordio schreien.« Er stand kurz vor einem Wutausbruch.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Davison und erhob sich. »Und ich will, dass mir jemand bei der Pressekonferenz am Nachmittag eine Frage zuspielt. Heute Abend müssen wir wissen, wo die undichte Stelle sitzt und wie die Dokumente in die Hände der Russen gelangt sind.«
Davison und Jack tauschten einen kurzen Blick miteinander: Sie hatten sich verstanden. Es gab eine Krise, aber sie war zu bewältigen. Noch war es vielleicht möglich, die Geschichte unter den Teppich zu kehren. Dennoch, wenn sensible Kabinettspapiere den Russen in die Hände gespielt worden waren, welche anderen Geheimnisse waren dann noch preisgegeben worden?
An jenem Nachmittag, am Ende der Jahrestagung des Verbands der Amerikanischen Industrie, hielt Präsident Davison eine, wie es schien, spontan einberufene Pressekonferenz ab - deren Ablauf kaum eine Stunde zuvor bis ins kleinste Detail festgelegt worden war. Auf dem Podium stand ein entspannt wirkender Präsident, neben ihm seine Frau Christina; ein wunderbares Paar. Die Fragen wurden ihm leicht und locker zugespielt und ließen sich mühelos parieren.
»Mr. President, einige Worte zum Stand der Wirtschaft und der Inflation.« »Was ist mit dem Ölteppich vor der Küste von Miami?« »Was mit dem Einbruch des Aktienmarkts in Brasilien?« »Wollen Sie dieses Jahr noch nach Russland reisen, um sich mit Präsident Barchow zu treffen?«
Die Antworten des Präsidenten zeugten von Witz und Esprit, hin und wieder ließ er sein strahlendes Lächeln...
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