Schweitzer Fachinformationen
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»Josie, kommst du bitte mal in mein Bu¨ro?«
Dieser Satz am Freitagnachmittag aus dem Mund meiner Ressortleiterin Lydia Meißel bedeutete selten etwas Gutes.
»Ja, Lydia, was gibt's denn?«, fragte ich und lehnte mich mit verschra¨nkten Armen gegen den Tu¨rrahmen.
»Ich hatte gerade Professor Volkert am Telefon. Er hat mich ausdru¨cklich und, wie ich zugeben muss, zum wiederholten Male gebeten, dass du heute Abend u¨ber die Absolventenfeier der TU berichtest.«
Ich seufzte. Normalerweise wu¨rde ich die Arbeitswoche in etwa einer Stunde zusammen mit meiner besten Freundin Marie in unserem Lieblingscafe´ ausklingen lassen. Anschließend wu¨rde ich nach Hause fahren und mir zusammen mit meiner Tochter Antonia etwas zu essen bestellen, danach eine Riesenschu¨ssel Popcorn machen und einen Film ansehen. Das war unser Freitagabend-Ritual.
»Eigentlich war Gunnar dafu¨r eingeteilt«, fuhr Lydia fort. »Aber Volkert war sehr insistent. Du weißt ja, wie er ist, seit sein Baby zur Exzellenzuni erhoben wurde. Ein einfacher Volonta¨r reicht ihm da nicht.«
Ich verdrehte innerlich die Augen. Professor Johann Volkert, ein Jugendfreund meines verstorbenen Vaters und seines Zeichens Pra¨sident der Technischen Universita¨t Mu¨nchen, war von jeher darum bemu¨ht, mir, seiner mittlerweile zweiunddreißigja¨hrigen Patentochter Josefine Mayring, beruflich unter die Arme zu greifen. Dabei war ich mit meinem Job in der Lokalredaktion des Mu¨nchner Morgen sehr zufrieden und hatte ihn nie um Hilfe gebeten.
So uneigennu¨tzig, wie er mir gegenu¨ber tat, war sein Engagement freilich nicht. Als alter Freund der Familie und mutmaßlicher Anwa¨rter auf das Herz meiner Mutter konnte er sich bei mir sicher sein, dass ich mich fu¨r ihn ins Zeug legte. Falls nicht - oder falls ich jetzt kniff -, wu¨rde meine Mutter mir schon ordentlich den Kopf waschen. Ich hatte also die Wahl zwischen dem Groll meiner Mutter und dem meiner Tochter dafür, dass ich unseren gemeinsamen Abend ausfallen ließ, und es lag leider klar auf der Hand, wer von beiden leichter zu besa¨nftigen war.
»Ich kann Gunnar natu¨rlich trotzdem schicken, wenn du mo¨chtest«, fu¨gte Lydia versöhnlich hinzu.
»Nein, schon gut. Ich u¨bernehme das. Toni wird zwar sauer sein, aber das ist nichts im Vergleich zum Sermon meiner Mutter. Na¨chsten Freitag geho¨re ich aber meiner Tochter!«
»Das kann ich dir leider nicht versprechen, Josie«, erwiderte Lydia augenzwinkernd. »Ich habe vom Veranstalter vier Karten fu¨r dieses gra¨ssliche Musikkonzert bekommen. Ich dachte mir, du ko¨nntest vielleicht daru¨ber berichten .?«
Sie streckte mir die Karten entgegen. Ich traute meinen Augen nicht. Vier Karten fu¨r bi-directional, die derzeit angesagteste britische Boygroup! Das Konzert war schon seit Wochen, ach was, Monaten ausverkauft. Der Groll meiner Tochter hatte sich soeben in Luft aufgelo¨st. Im Gegenteil, Toni wu¨rde vo¨llig aus dem Ha¨uschen sein. Ich schnappte mir die Karten, ehe Lydia es sich anders u¨berlegte.
»Geht klar! Was hast du u¨ber die Absolventenfeier?«
Lydia lachte kurz auf, anscheinend belustigt über meine Begeisterung für die Boygroup. »Ich maile dir das Memo der Uni-Pressestelle.«
Fu¨nf Minuten spa¨ter saß ich mit einer Tasse Kaffee vor meinem Laptop in der Lokalredaktion des Mu¨nchner Morgen und versuchte, mich auf das Memo zu konzentrieren.
Absolventenfeier der TU Mu¨nchen . 19:00 Uhr . Ehrung herausragender Absolventen und Doktoranden . Vorstellung der neuen Professoren . Kultusminister . insbesondere freuen wir uns, dass Herr Prof. Dr. Ian McLean dem Ruf an die Isar gefolgt ist und fu¨r ein Gastsemester am Lehrstuhl fu¨r Medizin gewonnen werden konnte . Korypha¨e auf seinem Gebiet . Harvard . Stanford . bla, bla, bla.
Der Mann schien ja ein echter U¨berflieger zu sein, ganz nach Onkel Johanns Geschmack. Ein Foto war leider nicht dabei. Bestimmt so ein Langweiler, der nur fu¨r seine Arbeit lebte. Ich stellte mir einen blassen, dick bebrillten Typen in weißem Laborkittel vor, der fasziniert ein dampfendes Reagenzglas schwenkt. Das Telefon schreckte mich aus meinen Gedanken.
»Hallo, Josie, sehen wir uns nachher im Cafe´ Mimi? Ich muss dir unbedingt was erza¨hlen!«, platzte meine Freundin Marie heraus.
»Hallo, Marie, was gibt's denn so Wichtiges?«, fragte ich neugierig.
»Am Telefon kann ich es dir nicht erza¨hlen«, erwiderte sie ausweichend und fragte noch einmal ungeduldig: »Also sehen wir uns gleich?«
Oha! Na, das mussten ja tolle Neuigkeiten sein! Sofort spielte ich in Gedanken einige Mo¨glichkeiten durch. Trennung? Nein, dafu¨r war sie zu aufgera¨umt. Schwangerschaft? Mo¨glich, aber nicht wahrscheinlich, denn Marie und ihr Freund hatten erst ku¨rzlich ein Yoga-Studio ero¨ffnet. Allerdings lief in Maries Leben selten etwas nach Plan. Heiratsantrag? Ebenfalls unwahrscheinlich. So etwas Bodensta¨ndiges traute ich Robert nicht zu. Dann schon eher ein Baby! Oder? Ich wu¨rde mich wohl gedulden mu¨ssen.
»Das kann ich mir natu¨rlich nicht entgehen lassen«, sagte ich. »Aber ich kann leider nur kurz. Ich muss um sieben Uhr bei einer Absolventenfeier der TU sein. Lydia hat mir das in letzter Minute aufs Auge gedru¨ckt.«
»Da wird Toni aber begeistert sein. Musste euer Filmabend nicht letzte Woche erst ausfallen?«
»Danke, dass du mich daran erinnerst«, gab ich za¨hneknirschend zuru¨ck. »Mein lieber Onkel Johann hat einen dicken Fisch aus den Staaten an Land gezogen, und dafu¨r ist natu¨rlich nur das beste Pferd im Stall des Mu¨nchner Morgen gut genug«, fuhr ich sarkastisch fort. »Ich weiß aber schon, wie ich Toni besa¨nftigen kann. Ich habe Karten fu¨r das bi-directional-Konzert na¨chste Woche, u¨ber das ich u¨brigens auch berichten soll! Na, was sagst du nun? Manchmal zahlt sich die Arbeit bei einer Zeitung eben doch aus.«
»Dafu¨r nimmt Toni einen weiteren Freitag ohne dich sicher gerne in Kauf! Bis gleich, Josie!«
Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte das Telefon erneut. Dieses Mal war meine Mutter am Apparat.
»Hallo, Josefine«, sagte sie. Sie hasste Spitznamen und nannte mich stets bei meinem vollen Vornamen. Wie immer kam sie ohne Umschweife auf den Punkt: »Isst Antonia heute bei mir zu Abend?«
Ich fasste es nicht! Onkel Johann wollte wohl auf Nummer sicher gehen, und meine Mutter, die sich mit Vorliebe in mein Leben einmischte, machte fu¨r ihn den Stabschef.
»Wieso?«, fragte ich scheinheilig.
»Ach, ich dachte nur, du ha¨ttest einen Abendtermin«, gab sie ebenso scheinheilig zuru¨ck.
Um des lieben Friedens willen schluckte ich meinen A¨rger hinunter und nahm einen tiefen Atemzug. Om!
»Ja, Mama, da bist du richtig informiert«, sagte ich. »Und es wa¨re sehr nett, wenn Toni bei dir essen könnte.«
»Ist gut«, antwortete meine Mutter und legte auf.
Ich presste die Fingerspitzen an die Schla¨fen, schloss die Augen und atmete noch ein paarmal tief durch, um mich zu beruhigen. Dann schrieb ich den Artikel u¨ber die Ero¨ffnung eines Seniorenheims zu Ende, der ich am Vormittag beigewohnt hatte, druckte die Pressemitteilung der TU aus und verließ das Bu¨ro.
Marie wartete schon im Cafe´ Mimi. Ungeduldig spielte sie mit einer Stra¨hne ihrer langen roten Lockenma¨hne. Mit ihren Haaren und ihren Sommersprossen allein wa¨re sie schon eine auffa¨llige Erscheinung gewesen, doch dank ihrer bunt gemusterten Pluderhose und ihres grasgru¨nen Tops, das den größtmöglichen Kontrast zu ihren roten Locken bot, blieben garantiert alle Blicke an ihr ha¨ngen. Sie war groß, schlank und sah sehr gut aus. Die Ma¨nner verfielen ihr reihenweise, sie umschwa¨rmten sie seit jeher wie die Motten das Licht. Selbst der Kellner, der anscheinend neu im Cafe´ Mimi war, wa¨re beinahe mit mir kollidiert, weil er nur Augen fu¨r sie hatte.
Marie und ich kannten uns seit der siebten Klasse. Sie war mit ihren Eltern aus Stuttgart nach Mu¨nchen gezogen und neu in unsere Klasse gekommen. Aufgrund ihres schwa¨bischen Dialekts und eines missglu¨ckten Versuchs, sich die Haare selbst zu schneiden, hatte sie es trotz ihrer offenen Art anfangs schwer gehabt. Und da auch ich nicht gerade mit Freunden gesegnet war, weil meine Mutter mich in fürchterlichen Rüschenkleidchen in die Schule schickte und keine meiner Klassenkameradinnen ihr als Freundin gut genug für mich war, hatten wir uns zusammengetan. Maries Dialekt war schnell verflogen, die Haare waren nachgewachsen, und sie ha¨tte schon bald eine ganze Reihe coolerer Freundinnen haben ko¨nnen, aber so impulsiv sie in vielen Dingen auch war, so treu hatte sie mir die Freundschaft gehalten und die hochnäsigen Kommentare meiner Mutter ignoriert.
Marie hatte von jeher jede Menge ausgefallene Ideen im Kopf, die sie am liebsten alle sofort in die Tat...
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