Schweitzer Fachinformationen
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Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
Henny machte sich einen Kaffee, den sie mit hinüber in das kleine Büro zu ihrem Schreibtisch nahm. Sie stellte ihre Tasse auf den winzig freien Platz zwischen ihrem aktuellen Recherchematerial über Viktor Lässig alias Hiero Hart, dem Bildschirm und der Tastatur.
Henny wusste, ihre Oma hätte es gar nicht gern gesehen, dass sie sich ausgerechnet hier mit ihrer Arbeit einrichten würde. Als der »gelbe Salon« war dieses Zimmer in die Geschichte eingegangen - in die Familiengeschichte.
Oma Linde fand, genauso müsse der Erker mit den drei großen Fensterelementen heißen, der luftig und heiter wirkte. Die Wände waren cremefarben, gelb nur die Kissen auf der grau-weißen Eckbank mit Schubladen, die perfekt und platzsparend eingepasst worden war. Der schönste Raum im ganzen Haus, hatte sie gesagt.
Aber der schönste Raum im ganzen Haus war immer schon Hennys Jugendzimmer im ersten Stock gewesen, von dem aus man über den Ammersee hinüber zum Waxenstein und bis zur fernen Zugspitze sah.
Das Einfamilienhaus mit dem kleinen Garten in der Seefelder Straße war Hennys Erbe. Obwohl die es viel lieber gesehen hätte, wenn ihre Oma Linde, die quirlige kleine Frau, wieder durch eine dieser Türen käme. Dass das Leben der Menschen endlich war, verstand man erst, wenn man begriff, die geliebte Person würde nie wieder durch eine der Türen kommen. Vermissen würde man sie immer.
Der Drucker gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein verhaltenes Stöhnen anhörte. Henny hatte gestern offenbar vergessen, ihn auszuschalten. Aufmunternd klopfte sie auf sein Plastikdeck, als würde das helfen, drehte den Ledersessel herum und setzte sich. Der Mann, über den sie gerade mehr in Erfahrung zu bringen versuchte, hätte ihrer Oma wahrscheinlich ein Lächeln entlockt. Henny entlockte Hiero Hart keines.
Sie startete den Computer, schnell löste sich das Blau des Bildschirms auf und ihre Website erschien:
Detektivbüro Henny Ferber
Sie wollen etwas wissen, wir finden es für Sie heraus.
Ihr Leitsatz.
Wir war geschummelt, doch umständehalber war es ganz nützlich, das zu behaupten, weil sie kein Y-Chromosom in ihrer DNA vorweisen konnte. Einer Frau, noch dazu einer, die meist allein arbeitete, traute man den Job nicht so ohne Weiteres zu.
Diesmal stimmte es mit dem Wir. Eine namhafte Berliner Detektei hatte Henny in einer Mail um Unterstützung gebeten. So ausführlich hatte man ihr selten zu erklären versucht, worum es ging. Es handle sich um eine Person von öffentlichem Interesse, die sich zu Dreharbeiten im Hotel »Wassermann« in der Summerstraße in Herrsching am Ammersee einquartieren würde und über die man ein paar Dinge wissen müsse: Viktor Lässig, der in der bekannten Krimiserie den Hieronymus Hart verkörperte. Der Hauptdarsteller führte offenbar ein geheimes Doppelleben, weshalb seine Schauspielagentur die Detektei Prentz damit beauftragt hatte, in Erfahrung zu bringen, ob das Gerücht stimmte und ihnen daraus ein Schaden entstehen könnte. Die Überlegung war, ob Agentur und Management den Schauspieler weiter vertreten sollten? Denn wenn sein Geheimnis publik würde, wäre der Zug, fadenscheinige Erklärungen abzugeben, abgefahren.
Das erschien Henny ein handfester Grund. Eine Mail-Nachricht mit einem solchen Hinweis würde sie normalerweise vorsichtig behandeln, doch jemand aus dem Büro in Berlin hatte sie außerdem angerufen. Natürlich bräuchten sie über Hennys Tagessatz nicht verhandeln. Weil die Angelegenheit diffizil sei, wurde um Verschwiegenheit und Feingefühl gebeten. Elf Tage, seitdem sie zugestimmt hatte. Neun Tage, seit sie das Kuvert mit dem Vorschuss von 200 Euro aufgemacht hatte. Im Fall einer Nachricht solle sie nicht zögern anzurufen oder eine Mitteilung zu schicken. Einer der Mitarbeiter hätte immer ein offenes Ohr. Auch ein guter Slogan, fand Henny.
Geheimnisse und Rätsel ließen einen aufhören und machten neugierig, auch sie. Henny verrechnete 53 Euro pro Stunde.
Erreicht hatte die Detektei mit dem Barvorschuss jedenfalls eines: Henny fühlte sich verpflichtet, etwas herausfinden zu müssen. Gleichzeitig stellte sie sich die Frage, ob die Herrschaften tatsächlich mit irgendwelchen abenteuerlichen Ergebnissen rechneten.
Dem angeblichen Doppelleben von Viktor Lässig alias Hiero Hart war sie bislang kein Puzzlestückchen näher gekommen. Die Dreharbeiten des »Bullen vom Ammersee« liefen gerade erst an. Sie war nicht untätig gewesen, aber dafür hatte sie sich keine Lorbeeren verdient.
Es war nur eine Handvoll kleiner Hinweise, die sie zusammengetragen hatte, sie war der einzigen Spur gefolgt, der man ganz wunderbar nachgehen konnte: einem Stückchen Vergangenheit des Viktor Lässig.
In der Biografie auf der Website des »Bullen vom Ammersee« fand sich wenig Persönliches. Was dort stand, war dazu gedacht, den 34-Jährigen zu präsentieren und gut aussehen zu lassen, ihn interessant zu machen. Erwähnenswert war es demzufolge, dass Hiero Hart seiner Filmwaffe einen Frauennamen gab. Henny hatte das nur ein müdes Gähnen entlockt. Das Ding war ein Requisit, und er nannte seine Pistole die »hitzige Greta«. Hitzig. Witzig. Normal kam für eine Promibiografie nicht infrage, da musste es schon etwas Individuelles sein.
Was Henny, die Detektivin, tatsächlich herausgefunden hatte, dafür war nur eine Fahrt in die Landeshauptstadt nötig gewesen. Man könnte es auch persönliche Gespräche mit den Nachbarn der Lässigs im Armeleuteviertel am Hasenbergl in München-Feldmoching nennen.
Oma Linde hätte nicht geschmunzelt, wie Henny an ihre Informationen gelangt war. Aber wenn in einem Haus etwas passiert war, befragten Polizisten doch auch immer zuerst die Nachbarn.
»Die nette Rechtfertigung erfindest du bloß für dich!« Und Henny hatte tatsächlich jedes Mal das ungute Gefühl, sich für irgendetwas entschuldigen zu müssen.
Feldmoching ist nicht Hasenbergl. Auch keine Entschuldigung, nur die Sichtweise der Bewohner des Viertels, die sich nichts schlechtreden lassen würden.
Hennys Befragung hatte nicht wie eine solche ausgesehen, sie hatte den Briefkopf von einem bekannten bayerischen Fernsehsender auf ihrem Notizblock mit sich herumgetragen; die Sachen konnte man sich ausdrucken. Dass die Leute da draufschauten und das Logo erkannten - dafür war Henny nicht verantwortlich. Alles, was sie sagte, war, dass sie einige Recherchen anstellte. Und das tat sie. Danach musste sie kaum mehr was sagen.
»Die Mama vom Viktor, die starb ja, als der noch so klein war«, deutete Frau Fries die Größe des Kleinen an. Tischhöhe, hätte Henny geschätzt. Sie hatte genickt.
»Da war der Unfall auf dem Filmgelände, etwas ist explodiert. Bettina, Viktors Mama, war sofort tot.«
»War sie Schauspielerin?«, hatte Henny gefragt, einen vertrauensvollen Tonfall anschlagend.
»Wäre sie gern gewesen. Aber nein, Bettina verkaufte da ihre gebrannten Honigmandeln.« Frau Fries rieb sich über die Augen, aus ihrer Erinnerung war gerade der kleine Viktor getaucht. »Mann und Kind allein, das ging nicht, darum zog kurz darauf Peter Lässigs Schwester bei ihnen ein. Die Frau hatte Haare auf den Zähnen und Viktor von dem Tag an nichts mehr zu lachen.«
Der Augenblick, in dem Hiero Hart Henny ein wenig leidgetan hatte.
»Ich glaub, der Viktor schämt sich für seinen Vater.« Frau Fries lachte auf. »Der König der Unterwelt.«
Der Vater eines Filmhelden ein Verbrecher? Henny hatte geglaubt, dass es jetzt langsam interessant werden würde. Aber dann zerschlug die mitteilsame Frau Fries Hennys Optimismus. »Sie haben's doch auch nicht gewusst, oder? Dass Peter Lässig seit einer halben Ewigkeit Münchens Abwasserkanäle überprüft.«
So etwas wusste man nicht, hätte Henny ihr sagen können, so etwas erfuhr man von redseligen Nachbarn.
»Den Scheißjob muss jemand erledigen, dafür braucht man sich nicht schief anschauen lassen«, war Frau Fries überzeugt.
Es war der Zeitpunkt, an dem Henny dem »Bullen vom Ammersee« für sein Schämen wünschte, dass eines Tages seine Toilette verstopfte.
Die Frage zum Schluss, für wen Henny noch gleich arbeitete, überhörte sie, auch die Frage des Nachbarn auf der anderen Straßenseite, ob da nicht ein Honorar fällig sein müsste, wo er ihr doch alles erzählt hatte.
»Lässig mag sich nicht gern an seine Kindheit am Hasenbergl erinnern, seinen Vater besucht er nur selten. Überhaupt, Freunde hatte der schon damals keine richtigen. Kam öfter mit einer blutigen Nase heim und aufgeschürften Knien. - Diese Serie mit dem >Bullen vom Ammersee<, die ist der letzte Heuler, die schau' ich gar nicht.« Ein mahnend aufgerichteter Zeigefinger.
Doch, tust du, hätte Henny getippt. Er wirkte wie ein Typ, der mitreden wollte. Sie war sicher, der Unsympath saß bei jeder Folge begierig vor dem Fernseher und verfolgte geifernd die Spur des ehemaligen Nachbarsjungen.
Aufgestöbert hatte sie nichts Großes und nichts, woraus man ein Doppelleben hätte ableiten können. Trotzdem . »Liebe Oma Linde, der Typ ist reichlich sonderbar.« Sie war kein Fan von Hiero Hart. Ein Turnschuhtyp. Die Lederjacke mit dem aufgestellten Kragen machte das Gesamtbild nicht stimmiger. Henny hatte sich ihre Meinung gebildet, obwohl sie den Mann nicht kannte. »Nicht in Ordnung«, schüttelte sie den Kopf.
Sie hatte sich sogar um eine Komparsenrolle in der neuen Folge beworben....
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