Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Unglaublich, wie viele Künstler im alten Kurort ihre Spuren hinterlassen haben - und jede Menge Anekdoten.
Sommerfrische - was für ein wunderbar altmodisches, ein wenig rätselhaftes Wort. Ich gestehe, ich habe es nie wirklich verstanden. Bedeutet es, dass man den Sommer dort verbringt, wo es frischer ist? Bedeutet es, dass man sich den Sommer über erfrischt? Oder vielleicht beides? Heute fahren alle auf Urlaub oder in die Ferien. Das widerspricht dem Prinzip der Sommerfrische. Damals packten die Städter ihren halben Haushalt ein oder ließen dies von ihren Dienstboten erledigen, verstauten alles in Körben und Koffern, mieteten ganze Eisenbahnabteile und fuhren für zwei Monate aufs Land. Die Sommerfrische war das Fortführen des gewohnten Lebens an der frischen Landluft - und nicht die zweiwöchige Unterbrechung des Alltags, um sich der Illusion hinzugeben, man würde etwas erleben. Entweder waren die Menschen früher genügsamer oder sie empfanden ihr Leben als abenteuerlich genug, um sich nicht auch noch künstlichen Aufregungen hingeben zu müssen.
Für Zweiteres spricht einiges. Fad dürfte es, glaubt man den Chroniken, in der Sommerfrische nicht gewesen sein. Erstens war ja die gesamte Wiener Gesellschaft da, für Unterhaltung war also gesorgt. »Mir ist es in Ischl immer, als ob die Berge ringsum nur eine Art Decoration wären, die man auf die Wiener Ringstraße gestellt hat«, merkte Karl Kraus an und war's zufrieden, denn was hätte er ohne seine gewohnten Feinde gemacht? Und sie, die er in seinem Lebenswerk >Die letzten Tage der Menschheit< erbarmungslos vorführte, sie waren alle da, die Journalisten, die Spekulanten, die Schöngeister, die Bürger und Politiker, die Offiziere und Mitläufer . und natürlich die Kollegen aus der Künstlerzunft: Schriftsteller, Schauspieler, Maler, Komponisten. Kein Wunder, dass in diesem Biotop nicht nur die Ischler Rosen blühten, sondern auch die Anekdoten.
Ich stelle mir das so vor: Wenn man Ende August oder Anfang September nach Wien zurückkehrte, wollte man unbedingt etwas Originelles oder Witziges aus Bad Ischl erzählen, und was bot sich dazu besser an, als ein G'schichterl über eine dort weilende Persönlichkeit? Hunderte dieser Anekdoten wurden überliefert, aufgeschrieben, werden immer noch erzählt. Ich nehme einmal an, gut die Hälfte davon ist frei erfunden oder zumindest stark übertrieben. Aber macht das was? Hauptsache: gut erfunden!
Beginnen wir unseren kleinen anekdotischen Rundgang standesgemäß mit dem Kaiser - und mit einem König des Theaters.
Ob sie nur die Freundin oder vielleicht sogar die Geliebte des Kaisers war, beschäftigt die Kolumnisten noch heute. Jedenfalls wohnte die Hofschauspielerin Katharina Schratt in der Nähe von Ischl in der Villa Felizitas, die heute Villa Schratt heißt und ein gediegenes Gästehaus ist. Eines Tages speisten der Kaiser, die Schratt und der als glänzender Unterhalter bekannte Schauspieler Alexander Girardi gemeinsam. Girardi sprach kein Wort. Nach einiger Zeit meinte Franz Joseph: »Mein lieber Herr Girardi, ich hab gehört, wie amüsant Sie zu plaudern verstehen. Jetzt merk ich aber nix davon!« Worauf Girardi die legendär gewordene Antwort gegeben haben soll: »Majestät . jausnen Sie amal mit an Kaiser!«
Souveräner dürfte der Komponist Anton Bruckner mit der imperialen Familie umgegangen sein. Er spielte anlässlich der Hochzeit der Kaisertochter Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator im Jahr 1890 die Orgel der Ischler Pfarrkirche, wobei er ins Improvisieren kam und die Kaiserhymne mit Händels >Halleluja< kombinierte. Schade, dass es davon keinen Tonmitschnitt gibt.
Ja, auch die Vertreter der >ernsten Muse< zeigten sich in Bad Ischl von ihrer heiteren Seite. Johannes Brahms zum Beispiel verbrachte ab 1880 zehn Sommer in Ischl und machte auch hier kein Hehl aus seiner Bewunderung für Johann Strauß. Der Legende nach soll Brahms auf einen Fächer die ersten Takte des Donauwalzers notiert haben - mit dem Zusatz: >Leider nicht von mir.< Das sollten sich all jene Gralshüter ins Stammbuch schreiben, die heute so gerne die >E<- von der >U<-Musik trennen - für die Meister von damals gab es den Unterschied nicht.
Johann Strauß verbrachte viele Sommer in seiner Villa im Ischler Vorort Kaltenbach; der König der Operette schätzte nicht nur die Solebäder, die er gegen seinen Rheumatismus nahm, sondern auch - das schlechte Wetter. >Mein Aufenthalt hier ist vollkommen nach meinen Wünschen<, schrieb er 1894 an einen Freund. >Perfektes Regenwetter! Das lebhafte Rauschen des nah liegenden Baches unendlich sympathisch, und im geheizten Zimmer Noten schreiben! Je mehr es draußen stürmt und tobt, desto wonniglicher ist mir zu Mute. Nur kein Sonnenschein zur Arbeit!<
Ja, gelegentlich regnet es im Salzkammergut, was aber, wenn man Hans Weigel glauben darf, absichtlich geschieht: >Gott hat Kärnten sonnig geschaffen, auf dass es die Menschen aus allen Richtungen anziehe, aber das Salzkammergut hat er regnerisch werden lassen, um nicht alle anderen Landstriche zu entvölkern.<
Der Regen befruchtete jedenfalls die Künstler: Nicht nur Johann Strauß, sondern auch seinen ungleichen Namensvetter Richard Strauss, der seine Sommerferien am Grundlsee meteorologisch in einem Lied zusammenfasste. Titel: >Schlechtes Wetter<.
Die ständigen Niederschläge schlugen sich aber auch in Versen nieder. Manchmal waren es schwermütige Gedichte, manchmal schnelle Zweizeiler wie jener, den der oft im Salzkammergut urlaubende Meister der Schüttelreime, Franz Mittler, unter dem Titel >Esplanade in Ischl< ersann:
Was will der Mann, weswegen red't er?
Er schimpft halt auf das Regenwetter.
Ja, und was tat man bei Regenwetter? Man ging in die Konditorei, denn so wie alle Kurstädte verfügt auch Bad Ischl über genügend Lokale, in denen man sich von den therapeutischen Entbehrungen erholen kann. Die berühmteste Konditorei in Ischl war und ist der >Zauner<. Es gibt auch eine, freilich eher laienhafte, Schüttelreim-Liebeserklärung an die Spezialität des Hauses: >Isst du einen Zaunerstollen / Musst du einen Stauner zollen.< Nun gut. Franz Mittler konnte das besser, wie man an seinem Schüttelreim über einen der berühmtesten Wahl-Ischler erkennen kann:
Du schriebst zuweilen argen Mist, Franz!
Doch weil's von Lehár ist, so frisst man's.
Nachdem er, wie seine Kollegen Robert Stolz, Oscar Straus und Emmerich Kálmán, oft als Sommerfrischler Bad Ischl besucht hatte, siedelte sich Franz Lehár überhaupt fix am Traunkai an - und brachte es sogar bis zum Ehrenbürger der Stadt. Seine Villa ist heute ein Lehár-Museum, und auch das alte Kurtheater trägt seinen Namen.
Über dieses Kurtheater klagte der Komponist Anton von Webern, der im Sommer 1908 als Kapellmeister in Ischl arbeitete, in einem Brief an einen Freund: >Meine Tätigkeit ist schrecklich. Ich finde keinen Ausdruck für so ein Theater. Aus der Welt mit solchem Dreck!< Wenig schmeichelhaft äußerte sich auch der Berliner Theaterautor Oscar Blumenthal: >Man hat in Ischl täglich Gelegenheit, die hervorragendsten Bühnenkünstler zu sehen - vorausgesetzt, dass man nicht ins Theater geht.<
Mittlerweile hat Hollywood in dem alten Kurtheater Einzug gehalten. Die Geschäfte sind während der Saison freilich noch immer ein wenig vom Wetter abhängig, und der freudige Ausruf eines historischen Theaterdirektors angesichts eines herannahenden Gewitters - »Mir scheint, da oben braut sich eine Abendkassa zusammen« - hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Doch nicht nur die Komponisten tummelten sich in Ischl, sondern auch die Librettisten, die ebenfalls von Franz Mittler beschüttelreimt wurden. (>Was einstmals war des Ghettos Brut, / Verdient heut an Librettos gut.<) Einer der bekanntesten Librettisten war Alfred Grünwald, der viele Sommer in Ischl verbrachte. Als die Zeit anbrach, in der Formulierungen wie >des Ghettos Brut< nicht mehr als Bonmots unter Gleichgesinnten durchgingen, musste Grünwald wie so viele aus seiner Heimat flüchten. Sein Sohn Henry A. kehrte Jahrzehnte später nach Österreich zurück - als Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika.
So unglaublich die Geschichten des Lebens sein können, von der Operette werden sie übertroffen. Die Handlungen der meisten Operetten sind verworren, um nicht zu sagen schlichtweg blöd. Bei der Operette >Im weißen Rössl am Wolfgangsee< (mit dem Megahit >Im Salzkammergut da kann man gut lustig sein<) ist sogar die Entstehungsgeschichte chaotisch, wenn auch nicht unkomisch. Und diese Entstehungsgeschichte hängt vielmehr mit Bad Ischl zusammen als mit dem Wolfgangsee. Also, tief Luft geholt: Gustav Kadelburg und Oscar Blumenthal schrieben ein Theaterstück namens >Im weißen Rössl< (ohne Wolfgangsee), das 1898 uraufgeführt wurde. Viele Jahre später, im Sommer 1929, war der Schauspieler Emil Jannings, Sommerfrischler am Wolfgangsee, auf eben jenem See auf einem Boot unterwegs (so will es die Legende), und zwar mit dem Berliner Theaterprinzipal Erik Charell. Jannings erzählte, wie Schauspieler das immer tun, Anekdoten und dabei fiel ihm das Stück von Kadelburg und Blumenthal wieder ein. Er animierte Charell, doch eine musikalische Revue aus dem Stoff zu machen. Ralph Benatzky wurde als Komponist gewonnen, Charell und Hans Müller schrieben das Stück um, Robert Gilbert (>Ein Freund, ein guter...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.