Schweitzer Fachinformationen
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So.«
Diese Erklärung und Simons Geste, die besagte, dass Sarahs Computer nun betriebsbereit war, mussten reichen. Simon Friedmann war kein Mann der großen Worte, aber ein exzellenter Computerfachmann und Fotograf. Sarah mochte ihren jungen Kollegen in Skaterklamotten trotz seiner Wortkargheit.
»So«, wiederholte Sarah, um Simon kundzutun, dass sie begriffen hatte. Sie raffte mit einer geübten Handbewegung ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ließ sich auf den Stuhl vor ihrem neuen Schreibtisch fallen. Der Umzug aus ihrem alten Büro ins Gemeinschaftsbüro hatte dank der Mithilfe einiger Kollegen nur einen halben Tag gedauert.
Sarah Pauli arbeitete seit ein paar Wochen im Ressort Chronik. Hier berichtete man über gesellschaftsrelevante Themen wie Gesundheit, Integration, Bildung, aber auch über Kriminalität und Gewalt. Diese Bandbreite ließ Sarah viel Raum. Der Ressortleiter Günther Stepan hatte sie in die Redaktion geholt. Und Sarah wollte nicht mehr vom Rest der Redaktion abgeschottet in ihrem Kämmerchen arbeiten, sondern im Team, in einem größeren Raum. Außerordentliche Besprechungen, spontane Ideenfindungen und Problemlösungen waren folglich schneller möglich. Das Kernteam dieser Abteilung bestand aus drei Leuten: Patricia Franz, Günther Stepan und ihr, Sarah. Der Schreibtisch des Ressortleiters stand hinter einer Glasfassade mit Jalousien davor, die sein Büro von ihrem Großraumbüro abtrennte. Also blieben Patricia und sie übrig. Immer noch besser als allein.
Ihre Kolumne über Aberglauben und mystische Facetten der Stadt Wien in der Wochenendbeilage des Wiener Boten war ihr selbstverständlich erhalten geblieben.
Sie stellte ihr Glücksschwein Amy und den Amethyst neben dem PC ab. Die beiden Glücksbringer, Geschenke ihres Bruders Chris, durften auf ihrem neuen Schreibtisch nicht fehlen. Die restlichen okkulten Utensilien, die sie im Laufe der Zeit von begeisterten Lesern und Leserinnen ihrer Kolumne erhalten hatte, landeten in Kartons. David hatte versprochen, sie in ihre Wohnung bringen zu lassen.
In Gedanken hörte sie Chris bereits fluchen, sobald er die Kartons im Vorraum entdecken würde. Marie würde sich auf den ersten leeren stürzen und darin abtauchen. Sarah wollte schon längst einmal eruieren, warum Katzen es sich in Kartons und Kisten, egal welcher Größe, gemütlich zu machen beliebten. Ihre schwarze Halbangora quetschte sich auch in Schachteln, die eigentlich viel zu klein für sie waren.
Zwei Bücherregale waren neben ihrem Schreibtisch an die Wand montiert worden. Sarahs Bücher, ihre Kleinodien, standen in Kisten verstaut davor. Sie wollte sie später noch auspacken und ins Regal einsortieren.
»Willkommen!«, tönte der Ressortleiter und überreichte ihr einen kleinen Korb. »Alkohol ist während der Arbeitszeit leider verboten.«
Sarah nahm das Geschenk entgegen.
»Schön, bei euch zu sein. Was ist das? Salz und Brot?«, fragte sie, obwohl das offensichtlich war.
»Das schenkt man jemandem, der neu einzieht. Weiß ich aus deiner Kolumne«, antwortete Stepan.
»Ich bin echt beeindruckt. Du liest meine Kolumne?«
»Natürlich!«, sagte er.
»Dann hast du sicher auch gelesen, dass man es schenkt, wenn jemand in ein Haus oder eine Wohnung neu einzieht.«
Stepan zuckte belustigt mit den Schultern.
»Egal. Wenn ich mich richtig erinnere, wünscht man damit Wohlstand, Gesundheit und eine gute Gemeinschaft. Das passt doch hier perfekt. Immerhin zieht die Hokuspokus-Tante in die bescheidenen Gemächer der Chronik ein.«
Er machte eine Verbeugung.
»Ihr ergebenster Diener.«
Sie lachten und stießen mit ihren Kaffeetassen an.
»Außerdem freue ich mich darauf, diese Chili-Dinger ab jetzt jeden Tag zu sehen«, spielte er auf ihre Ohrringe und den Korallenschmuck in Form eines kleinen Horns an ihrer Halskette an. Vor allem in Neapel, wo Sarahs Großmutter herstammte, schützte man sich damit noch heutzutage vor dem »bösen Blick«. Corni gab es in vielen unterschiedlichen Formen und Größen. Sarah trug sie fast täglich. Nur ab und zu durften eine Bernsteinkette oder goldene Kreolen die Schutzfunktion übernehmen. Schutzlos ging Sarah nie aus dem Haus.
Dann klatschte Stepan in die Hände.
»Auf, auf, die Party ist vorbei«, rief er fröhlich, obwohl nur Sarah und er feierten.
Patricia saß mit ihrem Kaffee schon wieder am Schreibtisch.
»Die Arbeit macht sich nicht von allein.«
Stepan grinste und verschwand in sein Büro.
Sarah lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ließ zufrieden den Blick durch den Raum schweifen. Hier war also ab sofort ihr Arbeitsplatz. Durch die breite Fensterfront fiel an sich genügend Tageslicht, dennoch war die Deckenbeleuchtung an. Insgesamt gab es vier Schreibtische. Sarahs stand dem ihrer Kollegin Patricia Franz gegenüber. An den beiden anderen saß niemand. Sie dienten als Abstellflächen und quollen über von Papier und Tageszeitungen.
»Freut mich, dass du jetzt fix im Team bist«, sagte Patricia und lächelte.
»Danke.«
Die junge Journalistin arbeitete nicht gerne in der Chronik. Sie hoffte, in die Lifestyle-Redaktion wechseln zu können, sobald dort eine Stelle frei würde. Inzwischen schob sie Innendienst in der Chronik, beschaffte Hintergrundinfos, übernahm Telefonate und arbeitete Sarah zu.
»Dann fang ich halt mal an«, meinte Sarah und griff nach den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch.
Sie wollte einen Artikel über das Suchtverhalten der Menschen hierzulande schreiben. Das Anton Proksch Institut in Kalksburg, eine Suchtklinik im Süden Wiens, hatte vor Kurzem aktuelle Daten veröffentlicht. Demnach lag Österreich im EU-Spitzenfeld, was Alkoholerkrankungen anging. Das Verhältnis Männer/Frauen lag bei 4 zu 1. Insgesamt waren über 300 000 Personen in Österreich alkoholabhängig, rund 1,5 Millionen nikotinsüchtig, und Suchterkrankungen nahmen generell zu.
Sarah war froh, dass David, Herausgeber des Wiener Boten und ihr Lebensgefährte, bereits vor Jahren die Redaktionsräume zur rauchfreien Zone erklärt hatte.
Die Menschen und ihre Sucht, dachte sie. Seit Jahrtausenden konsumierten sie Alkoholika und andere Drogen, in früheren Zeiten natürlich vor allem auch zwecks Schmerzstillung und Heilung. Eine der ältesten Pflanzen in diesem Zusammenhang war zum Beispiel Mohn.
Sarah erhob sich und suchte aus einer Bücherkiste Band 6 ihrer Lexika über Aberglauben heraus. Die Idee, ihre Kolumne mit dem Beitrag über Sucht für die Chronik zu verbinden, war ihr soeben gekommen. Auf zwei Seiten fand sie die Information, die sie für ihre Kolumne suchte.
»Hör dir das an, Patricia!« Sarah kicherte.
Ihre Kollegin hob den Kopf.
»Junge Frauen, die wissen möchten, aus welcher Himmelsrichtung ihr Bräutigam kommt, sollen ihrem Hund am Heiligen Abend ein Stück Mohnstriezel zu fressen geben und ihn anschließend nach draußen lassen. Aus der Richtung, in die der Hund läuft, kommt dann der Bräutigam.« Sie klappte das Buch zu. »Mohn hat also nicht nur eine berauschende, sondern auch eine hellseherische Wirkung.«
Patricia warf ihr rotblondes Haar in den Nacken und lachte.
»Steht auch dabei, wie hoch die Trefferquote war?«, fragte sie.
Sarah setzte sich wieder.
»Ich werde die Leser bitten, eine Statistik zu erstellen und uns Bericht zu erstatten.«
»Ja, das geben wir dann als wissenschaftliche Studie aus und suchen um Fördergelder an«, schlug Patricia amüsiert vor.
Sie blödelten noch eine Weile herum, dann fragte Patricia: »Darf ich dir auch kurz etwas vorlesen?«
»Klar, schieß los.«
Patricia schrieb an einer Rohfassung über das Praterjubiläum. Umzüge, Ausstellungen und vieles mehr waren geplant, ein Ereignis, das sich die Stadt Wien einiges kosten ließ.
»Kaiser Joseph II. öffnete am 7. April 1799 das kaiserliche Jagdgebiet für das gemeine Volk. Der Adel zeigte sich damals alles andere als begeistert«, las sie. »Was meinst, geht das so?«
»Okay«, antwortete Sarah. Die Berichterstattung lag in ihrem Verantwortungsbereich. »Und im Hauptteil spannst du den Bogen bis heute. Kannst ruhig dazusagen, wie stolz die Wiener auf ihren Prater sind.«
Sarah hatte einen Plan erarbeitet, der vorgab, wann welcher Artikel erscheinen sollte. Es gab viele Themen. Eines lautete »Sozialer Brennpunkt Praterstern«.
Zwei Stunden später stand Sarah auf, reckte sich und massierte ihren Nacken. Sie hatte den Bericht über Suchterkrankungen fertig und den Rohentwurf für ihre Kolumne verfasst. Ihr Blick wanderte zu Patricia hinüber. Ihre junge Kollegin starrte wie gebannt mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm.
»Ist etwas passiert?«, fragte Sarah.
Patricia reagierte verzögert. Sie hob nur langsam den Kopf und sah Sarah ernst an.
»Ich habe gerade die Polizeimeldungen am Schirm. Sie haben im Prater einen toten Obdachlosen gefunden.«
»Am Praterstern?«, fragte Sarah.
Dort kam es häufig zu tätlichen Auseinandersetzungen, bei denen es durchaus auch Tote gab.
»Nein. In dem Wald bei der Jesuitenwiese.«
»Natürlicher Tod? Selbstmord? Unfall? Totschlag? Mord?«, zählte Sarah auf, was ihr spontan einfiel.
»Das geht aus der Meldung nicht hervor«, antwortete Patricia. »Das hier liest sich, als ob alles möglich wäre, warte .«
Sie drehte den Bildschirm so, dass Sarah von ihrem Platz aus mitlesen konnte.
». Obduktion soll...
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