Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Oskar Feifar
Es war ein anstrengender Tag gewesen und Ben Bell freute sich über die Ruhe in der kühlen Hotelbar. Außer ihm war kein Gast anwesend. Leise plätscherte Klaviermusik aus den Lautsprechern in der Decke. Ben nahm eine Tageszeitung und setzte sich an einen Tisch. Er blätterte die Zeitung durch und las auf jeder Seite die Überschriften. Ein Ritual, bei dem es nur darum ging, die Spannung bis zum Literaturteil aufrechtzuerhalten. Ben Bell, der im richtigen Leben Bernhard Maderthaner hieß, war Schriftsteller und als solcher überaus erfolgreich. Seine letzten fünf Romane, allesamt Kriminalromane, hatten es an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft, zwei waren bereits verfilmt worden. Jetzt wollte Ben sehen, welchen Platz auf der Liste der Anfang der Woche erschienene, sechste Roman eingenommen hatte.
Er war nur noch wenige Seiten von seinem Ziel entfernt, als ihn wieder dieser etwas penetrante Typ anquatschte, den er vor zwei Tagen kennengelernt hatte. Der Mann hatte sich als David Förster vorgestellt. Ein erfolgreicher Geschäftsmann und glühender Ben-Bell-Fan, wie er sagte. Zwar mochte Ben seine Fans naturgemäß, weil sie seine Bücher kauften, aber dieser Kerl hatte etwas an sich, das ihn störte. Was genau, konnte er allerdings nicht sagen. Vielleicht war es die aufdringliche Art, mit der Förster seine Nähe suchte.
Zweifellos hatte es Ben gefallen, als Förster einen Flachmann aus der Brusttasche zauberte und ihn auf ein Glas Armagnac einlud. Baron de Sigognac. Ein Genuss, mit dem an Hotelbars normalerweise nicht zu rechnen war. Förster erzählte, er wisse aus einer Biografie von Bens Vorliebe für diesen Armagnac und habe immer eine Flasche dabei. Das schmeichelte dem Schriftsteller und brach fürs Erste das Eis.
Aber jetzt, in diesem Moment war David Förster dabei, eine ganze Menge Sympathiepunkte zu verspielen, indem er ihn davon abhielt, die Zeitung bis zum Ende durchzusehen. Dennoch bemühte sich Ben, höflich zu bleiben. Förster fühlte sich dadurch aufgefordert, Platz zu nehmen, und von seinem Tag zu erzählen. Ben nickte immer wieder, steuerte gelegentlich Worte wie »schön« oder »aha« zum Gespräch bei, hörte aber in Wahrheit nicht richtig zu.
Dafür bewies David Förster, dass er Ben am Vorabend umso besser zugehört hatte. Der hatte sich nach dem dritten oder vierten Glas dazu hinreißen lassen zu erzählen, weshalb er hier in Kaprun war. Nämlich um für seinen nächsten Roman zu recherchieren. Thema sollte ein Mordfall zur Zeit des Baues der Staumauer sein. Er plante mit Zeitzeugen zu sprechen, das Bauwerk zu besichtigen und sich von Mitarbeitern des Energieanbieters einige technische Details erklären zu lassen. Er berichtete auch, dass er einen Ausflug zu den Stauseen Mooserboden und Wasserfallboden samt Führung durch die Staumauer geplant hatte. Alles in Kombination mit ein paar Erholungstagen in dieser wunderschönen Landschaft. Auf Kosten des Verlages natürlich. Unter dem Vorwand, sich frisch machen zu wollen, entschuldigte sich Ben und ging auf sein Zimmer.
Nach dem Abendessen im Hotelrestaurant führte ihn sein Weg wieder an die Bar, wo David Förster schon an einem der Tische saß und ihm von Weitem zuwinkte und andeutete, dass bei ihm ein Platz frei wäre. Da sich Ben zum Essen eine Flasche Rotwein gegönnt hatte und er in Feierlaune war, nahm er das Angebot trotz der leisen Warnrufe seines Unterbewusstseins an. Immerhin spekulierte er auf einen Digestif in Form eines kräftigen Schlucks Baron de Sigognac. Da konnte man alle Vorsicht schon einmal außer Acht lassen. Tatsächlich hatte David den Flachmann wieder dabei. Kombiniert mit einigen Bieren ergab das bald einen soliden Alkoholspiegel, der auch den Grad der Sympathie ansteigen ließ. Kurz nach Mitternacht begab sich Ben ins Bett. Er wollte am nächsten Tag fit sein.
Gegen halb zehn stand er auf, ging frühstücken und machte sich auf den Weg zum Kesselfall, wo er seinen Wagen im Parkhaus abstellte und die paar Meter bis zur Kasse zu Fuß zurücklegte. Er ging zum Schalter, nannte seinen Namen und wollte der Frau erklären, dass für ihn ein Gratisticket für den Bus und eine Freikarte für die Führung reserviert sein musste. Brauchte er aber nicht, da sie sofort eifrig nickte und meinte, dass sie schon Bescheid wisse. Sie reichte ihm freundlich lächelnd die Tickets und wünschte ihm viel Spaß.
Während Ben auf den Bus wartete, sah er sich um und bemerkte einmal mehr mit heller Begeisterung, wie paradiesisch die Umgebung war und wie glasklar das Wasser des Baches hinter ihm den Berg herunterstürzte. Die Fahrt kam ihm, der er ein eher vorsichtiger, ja geradezu ängstlicher Autofahrer war, wie eine Hochschaubahnfahrt vor. Das Tempo, mit dem der Lenker den Autobus durch die engen Tunnel und die Kurven der Serpentinen trieb, rang ihm Respekt ab. Nebenbei bemerkte er fasziniert, wie viele Gänge hier in den Berg getrieben worden waren.
Beim Mooserboden angekommen sah er sich erst einmal in Ruhe um. Noch nie hatte er Gletscher von Nahem gesehen. Auch die Größe des in hellem Türkis leuchtenden Stausees überraschte ihn. Kurz überlegte er, wie kalt das Wasser wohl sein würde, widmete sich dann aber wieder der Umgebung. Bis zur nächsten Mauerführung blieb ihm etwas mehr als eine halbe Stunde und er beschloss, das Restaurant aufzusuchen und sich noch eine Tasse Kaffee zu gönnen.
Ben schaute nach einem freien Platz auf der Sonnenterrasse, setzte seine dunkle Sonnenbrille auf und versuchte, etwas von der majestätischen Ruhe der Gletscher in sich aufzunehmen. Er sah zu den Eismassen hinauf, bemerkte die kleinen, unscheinbar wirkenden Rinnsale, die sich entlang der steil abfallenden Hänge in die Tiefe stürzten, und sog die klare Bergluft tief in seine Lungen. Hier, in etwas mehr als 2.000 Meter Höhe fühlte er sich doch leicht schummrig. Aber wahrscheinlich, so dachte er, war das eher auf den gestrigen Abend zurückzuführen.
Mit diesem Gedanken zückte er sein Smartphone, um einige Fotos zu machen, und hielt überrascht inne, als er keine zehn Meter entfernt David stehen sah, der ihn zu beobachten schien. »Das gibt es doch nicht …«, murmelte er, während er auf den Auslöser drückte und das Handy sinken ließ, auf dessen Display ein winkender David Förster zu sehen war. Dieser ging jetzt zielstrebig auf ihn zu, stellte sich neben ihn, schlug ihm krachend auf den Rücken und rief »Überraschung«.
Bevor Ben irgendetwas sagen konnte, hielt ihm David den Flachmann unter die Nase, und obwohl er sich etwas angeschlagen fühlte, nahm er einen tüchtigen Schluck. Wenn er David schon ertragen musste, dann sollte er wenigsten einen ordentlichen Preis dafür bezahlen. Mit diesem Gedanken setzte er die Flasche gleich ein zweites Mal an die Lippen und wunderte sich kurz über den etwas bitteren Nachgeschmack.
Irgendwie kam ihm David nicht ganz so locker vor wie in den letzten Tagen und er vermutete, dass auch er unter den Folgen der letzten Nacht litt. Ben goss sich noch einen Schluck Armagnac in den Kaffee und ging zur Toilette. Als er zum Tisch zurückkam, war David nicht mehr da. Er sah sich um und glaubte, ihn in einiger Entfernung mit einer Frau reden zu sehen, schenkte den beiden aber keine Beachtung, weil er einen Mann auf sich zu steuern sah, der eine blaue Softshelljacke mit der Aufschrift ›Verbund‹ trug und laut »Zur Mauerführung!« rief.
Ben ging hinüber und übergab dem Führer sein Ticket. Genau wie ungefähr 25 oder 30 andere Personen, die plötzlich aus allen Richtungen herbeiströmten. Und genau wie David, der sich direkt neben Ben stellte. Allmählich spürte Ben die Wirkung des Alkohols. Offenbar hatte er viel zu schnell und viel zu viel von dem Armagnac getrunken. Ein leichtes Schwindelgefühl setzte ein, das er so gut es ging zu ignorieren suchte.
Um sich abzulenken, sah er sich die Menschen in der Gruppe genauer an. Dabei streifte sein Blick auch die Frau, mit der David sich vorhin unterhalten hatte. Irgendetwas an ihr kam ihm bekannt vor. Aber genau konnte er das nicht sagen. Sie trug eine ziemlich große Sonnenbrille, die fast ihr halbes Gesicht bedeckte und eine Baseballkappe, die sie tief in die Stirn gezogen hatte. Trotzdem glaubte er diese Person zu kennen. Es war die Art, wie sie sich bewegt hatte, die dieses Gefühl bei ihm auslöste.
Der Führer, Martin Horwath, hatte inzwischen alle Tickets eingesammelt und begann seine Tour damit, die Namen der Berge und Gletscher rundum zu nennen. Danach folgten eine Menge Zahlen und technische Daten, die er vor einer großen Tafel erläuterte, während Ben immer mehr das Gefühl überkam, kräftig über den Durst getrunken zu haben. Er tat sich schwer, dem Vortrag zu folgen. Als die Gruppe schließlich weiterging, trottete er automatisch hinterher. David blieb an seiner Seite und bot ihm neuerlich den Flachmann an, den er mit einer lahmen Geste ablehnte.
Mit jedem weiteren Schritt tat Ben sich schwerer, der Gruppe zu folgen. Wäre David nicht gewesen, der sich bei ihm unterhakte und ihn gleichsam mit sich zog, er wäre wohl zurückgeblieben. So aber erreichte er den Eingang zur Mauer, als die ersten Wissensdurstigen bereits durch die Tür waren. Bens Knie wurden indes immer weicher und es kostete ihn Mühe, ganze Sätze zu sprechen.
Nur am Rande bekam er mit, dass der Abstand zur Gruppe immer größer und David immer ungehaltener wurde. Keine Spur mehr von Freundlichkeit. Davids Griff war mittlerweile so fest geworden, dass es richtig schmerzte und er zerrte Ben fluchend hinter sich her. Ben glaubte sogar einmal das Wort Arschloch durch den Nebel zu hören, der sein Gehirn umgab. Er brauchte alle Energie, um eine Antwort auf die...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.