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Wie üblich saßen Martellis Leute für die Abschlussbesprechung im Sitzungszimmer 1 der Polizeikaserne. Der Chef schien im Gegensatz zu anderen Tagen nicht ganz bei der Sache zu sein, sodass er bei der Analyse für einmal nicht der Schnellste war. Das Denken übernahm die Jüngste im Team, die 27-jährige Lena Salzmann. Ihr machte anscheinend auch die schwülheiße Luft nichts aus, die im Zimmer hing. Selbst das Öffnen der Fenster hätte nichts gebracht, denn draußen war es noch heißer. Lena, die ihre mittellangen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, schien nicht mal zu schwitzen. Dies im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern der Sitzung. Dem bulligen Zuppinger lief der Schweiß herunter, außerdem roch er nicht mehr ganz frisch, was selbst Martelli bemerkte. Auch wenn er keine Lust dazu hatte, musste er es ihm wohl wieder mal unter vier Augen klarmachen, dass die äußere Erscheinung mindestens so wichtig war wie die innere Einstellung. Letztlich waren sie Dienstleister für die Allgemeinheit und wurden von Steuergeldern bezahlt. Ergo mussten sie auch entsprechend auftreten.
Lena hatte eben auf der großen Wandtafel die Fakten aufgelistet und mit verschiedenfarbigen Zetteln grafisch illustriert. Die Tote wurde ertränkt, das ergab der Befund der Gerichtsmedizin klar, dozierte sie. Möglicherweise während eines Tauchgangs im Katzensee. Weitere Untersuchungen müssten diesbezüglich noch gemacht werden. Sie wurde im Moor in etwa einem Meter Tiefe verbuddelt. Der Zeitraum der Tat liege etwa 20 bis 25 Jahre zurück.
Bei diesen Worten schreckte Martelli hoch. Wie spät war es? Leicht nervös blickte er auf seine Armbanduhr, beruhigte sich sogleich wieder. Es blieb ihm noch eine halbe Stunde Zeit, bis er sich mit Nasrin treffen würde.
Nach Lena kam Jean-Jacques Trümpi an die Reihe. Er hatte zwischenzeitlich die Vermisstenfälle der letzten Jahre durchgesehen. Seine Stirn war scharlachrot und verriet, dass der Kopf zu lange an der gleißenden Sonne gewesen war, dennoch wirkte er leicht unterkühlt, als er meinte:
»Speziell an unserem Fall ist, dass in der Zeit zwischen 1990 und 1996 weit und breit keine Frau vermisst wurde, die mit der gefundenen übereinstimmt!«
Mit einem leicht enttäuschten Augenaufschlag fügte er an, dass auch die Forensiker, welche die DNA ausgewertet hatten, nichts sagen konnten. »Das Einzige, das sie mit großer Bestimmtheit herausfanden: Die Tote war eine Weiße, von den genetischen Stammdaten her dem Typ der Rothaarigen zuzuordnen. Mit anderen Worten muss es sich um eine Touristin mit nordeuropäischen Genen handeln.«
»Dann wäre sie doch im Computer erfasst«, wunderte sich Martelli.
»Nicht, wenn sie zum Beispiel aus einer der ehemaligen britischen Kolonien gekommen war«, dozierte Trümpi ungerührt, weil er diese Frage erwartet hatte, »also aus Australien, Südafrika oder Neuseeland.«
Dann kam Baldini, der Älteste im Team, an die Reihe und schilderte seinen Stand der Dinge. Er hatte mit mehreren Tauchclubs der Umgebung Kontakt aufgenommen und von allen dieselbe Aussage erhalten: Aufgrund der unspektakulären Sicht sei der Katzensee kein beliebter See für Taucher. Mit anderen Worten, so erlaubte er sich eine Deutung, wurde die Tote in Ermangelung eines besseren Ortes hier begraben, hätte aber auch anderswo verscharrt werden können.
»Es soll ein Zufall sein, dass die Tote hier versenkt wurde? Das glaubst du ja selber nicht!« Martellis Stimme klang fast wie zu früheren Zeiten, als er sich in jeden Fall mit Akribie hineingebissen hatte. Baldini reagierte nur mit einem Achselzucken, um anzufügen:
»Na ja, die Fakten sprechen für sich. Wieso hätte sie im Katzensee tauchen sollen, wo man doch nichts sieht?«
»Könnte es noch einen anderen Grund geben? Vielleicht einen ganz banalen?«, nahm Zuppinger den Faden wieder auf. »Vielleicht wollte die Frau nur mal Erfahrungen mit ihrem Tauchgerät machen. Vielleicht hatte sie es neu gekauft und wollte es testen?«
»Taucher müssen eine Prüfung bestehen«, meinte Martelli ohne emotionale Beteiligung, »da müsste es doch ein zentrales Register geben. Vielleicht haben die sogar Fotos für die Ausweise abgelegt. Wer kann sich darum kümmern?«
Baldini nickte fast unmerklich. »Werde mal schauen, was sich finden lässt«, brummte er.
»Gut. Ist das alles für den Moment? Wenn ja, dann machen wir Schluss für heute!« Das Team blickte fragend in Richtung seines Chefs, der sonst nicht dafür bekannt war, eine Sitzung vorschnell abzuschließen. Keiner ließ sich zweimal bitten. Schon Minuten später waren sie in alle Winde zerstreut und gönnten sich einen verhältnismäßig frühen Feierabend.
*
Über der Stadt hing eine Gluthitze. Es schien, als würde die Sonne auf jeden Jagd machen, der es wagte, aus dem Schatten herauszutreten. Das Thermometer zeigte um halb sieben noch 30 Grad an. Obwohl das Jahr zuvor kaum kühler war, überschlugen sich die Medien über diesen Jahrhundertsommer, verglichen ihn mit dem Jahr 2003. Auch damals wurde das Wasser knapp, und die Felder verdorrten. Mit fetten Lettern und teilweise plumpen Bildern erteilten die Onlineportale Ratschläge, wie man die Hitze überstehen könnte. Die Spitäler meldeten einen akuten Anstieg an Kreislaufproblemen und Dehydrierungen. Insbesondere bei alten Menschen. Man solle viel trinken und die Sonne meiden, lautete der banale Tenor, und Martelli fragte sich angesichts dieser einfachen Maßnahmen, warum sich dann immer noch so viele Menschen einen Sonnenbrand holten. Doch er hielt sich nicht mit den Unvernünftigen auf, ebenso wenig mit den Untergangspropheten, die die Klimaerwärmung als Geißel Gottes anprangerten. Er wollte sich voll auf Nasrin konzentrieren, ihr gefallen und - wer weiß - vielleicht die Basis für etwas Dauerhaftes legen.
Pünktlich wie die Bundesbahnen erreichte er das Terrasse beim Bellevue und setzte sich in den von hochstämmigen Bäumen umsäumten Garten. Er blickte sich um. Nasrin war augenscheinlich noch nicht da. Ein gutes Zeichen, wie er fand, weil er dadurch einen strategischen Vorteil besaß. Er überblickte den Garten, konnte zur Ruhe kommen, bestellte ein Mineralwasser, um sich ein wenig von der Hitze zu erholen. Fünf Minuten vergingen, dann zehn. Etwas irritiert blickte Martelli auf seine Uhr. Hatte sie ihn falsch verstanden? Kannte sie vielleicht das Restaurant nicht? Ärgerlich musste er sich eingestehen, dass er nicht mal ihre Telefonnummer erfragt hatte, somit konnte er sie auch nicht anrufen. Langsam wurde er etwas nervös. Er hasste es, versetzt zu werden. Als es gegen Viertel vor sieben ging, stürmte sie zum Garten herein. Sie wirkte, wie es Martelli schien, etwas gehetzt, blickte sich nervös um. Als sie ihn entdeckte, schlenderte sie gemächlich heran, als bräuchte sie die paar Meter, um den Puls herunterzuschrauben. Sie lächelte scheu, als sie Martellis entgegen gestreckte Hand ergriff und seiner Aufforderung folgte, sich hinzusetzen.
»'tschuldigung«, hauchte sie etwas verlegen, »habe die Verkehrswege in Zürich noch nicht im Griff, bin zuerst in die falsche Straßenbahn gestiegen, also eigentlich in die richtige, aber in die falsche Richtung. Jedenfalls dauerte es eine Weile, bis ich das bemerkt habe.«
»Kein Problem«, meinte Martelli versöhnlich, »das wird schon. Übrigens heißt die Straßenbahn bei uns Tram. Sonst erkennt man sofort, dass Sie eine Auswärtige sind. Was möchten Sie trinken?«
»Wasser wäre schön«, antwortete Nasrin artig wie ein Mädchen und strich sich leicht verlegen durchs dichte schwarze Haar, spürte, dass sie schwitzte. Am liebsten wäre sie kurz auf die Toilette verschwunden, um sich frisch zu machen, doch wollte sie den Ermittlungsleiter nicht noch länger warten lassen.
Ganz Mann von Welt bestellte Severin in der Zwischenzeit Mineralwasser und dazu zwei Gläser eines fruchtigen Weißweins aus Italien. »Sie trinken doch Alkohol, oder?«, fragte er fast rhetorisch.
»Wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.«
»Und wie gefällt Ihnen unsere Stadt?«
»Habe noch nicht so viel gesehen, bin erst seit einer Woche hier.«
Martelli war fasziniert. Nasrins Wesen umfing ihn erneut wie eine Wolke, er bekam den Tunnelblick, drohte die Kontrolle über sich zu verlieren. Ein Umstand, den er hasste und deswegen vermied. Er kannte sich, es war nicht das erste Mal, dass eine Frau eine solche Wirkung auf ihn ausübte. Doch er wusste nur zu gut, dass das letzte Mal in einer Katastrophe geendet hatte. Binnen weniger Wochen war er zu einem eifersüchtigen Hüter seines Schatzes mutiert, hatte die Frau mit Zuneigung überhäuft und ihr dadurch die Luft genommen, bis sie sich nicht mehr erwehren konnte und floh. Er wollte es nicht wahrhaben, war ihr auf Tritt und Schritt gefolgt, konnte ihre Absage einfach nicht hinnehmen, krepierte fast. Als es nicht mehr zum Aushalten war, hatte sie ihm ein Ultimatum gestellt. Entweder würde er augenblicklich von ihr lassen, oder sie würde ihn wegen Stalkings anzeigen. Erst diese Androhung brachte ihn zur Besinnung, weil eine Anzeige auch schlecht für seine Karrierechancen gewesen wäre.
Der Kellner hatte zwischenzeitlich die Getränke gebracht. Martelli griff nach dem Weinglas und streckte es Nasrin entgegen: »Prost!«, sagte er, »übrigens, ich heiße Severin.«
»Nasrin«, antwortete sie und nippte am Glas. Ein kurzes Lächeln huschte über ihr hübsches Gesicht.
»Was für ein Sommer!«, rief er, um einfach etwas zu sagen und das Gespräch ein wenig in Gang zu bringen. Dabei hätte er tausend Fragen gehabt, hätte alles über diese Frau...
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