Schweitzer Fachinformationen
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1. Kapitel
Melanie
»Entschuldigung, wissen Sie, wo es hier zum Nacktbadestrand geht?«
»Äh, wie bitte?« Bevor ich dem freundlich lächelnden Unbekannten antworten kann, klingelt mein Mobiltelefon und vibriert gegen mein Bein. Ich springe verwirrt auf und versuche ungeschickt, es aus der Tasche zu fingern.
Es ist die Arbeit. Ich bin im Urlaub. Ich sollte nicht drangehen.
Und wenn es ein Notfall ist? Und .
Moment mal. Nacktbadestrand?
Das Handy klingelt weiter, und ehe ich meine wirren Gedanken geordnet habe, ist es zu spät - der Unbekannte ist weitergegangen. Kurz überlege ich, ihm nachzulaufen, aber . Ich starre auf das Display des Handys. Und wenn es wirklich ein Notfall ist? Ich atme einmal tief durch und mache ein paar feste Schritte, während ich mit genervter Miene den Anruf annehme.
»Melanie Walker hier.«
»Miss Walker, Sie müssen unbedingt ein Treffen mit Nick aus der Redaktion organisieren. Er hat irgendwas vor. Wofür genau bezahlen wir ihn eigentlich?«
Der Klang der Stimme von Thaddeus Mitchel III sorgt wie immer dafür, dass ich sofort Stiche hinter den Augen verspüre - Migräne im Anmarsch.
»Ich bin nicht im Büro, Thaddeus.«
»Tatsächlich? Habe ich noch gar nicht bemerkt.« Vielen Dank für die Unterstellung, ich würde während der Arbeit nichts tun! »Außerdem ist im Treppenhaus eine Glühbirne durchgebrannt. Da müssen Sie auch mal nachsehen.«
Thaddeus Mitchell III arbeitet seit einem Monat beim Online-Frauen-Magazin Von Kopf bis Fuß als Verkaufsberater - und hat es geschafft, mich an jedem dieser einunddreißig Tage zur Weißglut zu treiben. Genau genommen sind das ja nur gut zwanzig Arbeitstage, wenn man die Wochenenden nicht mitzählt, aber er hatte sich aufgeführt wie Miranda Priestly in Der Teufel trägt Prada. Und mich immer wieder auch in meiner Freizeit angerufen. So wie jetzt.
»Thaddeus, wenden Sie sich wegen der Glühbirne an den Hausmeister. Seine Durchwahl finden Sie in der Datenbank. Ich arbeite in der Personalabteilung. Wenn Sie ein Treffen mit Nick möchten« - der ganz bestimmt nichts vorhat -, »dann bitten Sie Valerie, das zu übernehmen, oder warten Sie, bis ich zurück bin. Ich bin nämlich gerade im Urlaub.«
»Sie haben doch Ihr Smartphone - ein Wunderwerk der Technik, wussten Sie das schon? Schreiben Sie eine E-Mail. Let's get this show on the road!«
Dieses sarkastische, arrogante Ekelpaket ist von meiner Chefin persönlich eingestellt worden. Und was mich am meisten wurmt, ist weniger, dass er total unqualifiziert ist oder dass er auf sein Gehalt nicht angewiesen ist - was er jedem, der es hören will oder auch nicht, aufs Brot schmiert. Nein, was mich am meisten aufregt, ist die Art und Weise, wie er mich behandelt, wenn es niemand mitbekommt. Und ich lasse das auch noch zu, anstatt ihn einfach auflaufen zu lassen, wie ich es bei jedem anderen tun würde.
Ich presse meine Fingernägel in die Handfläche, völlig entnervt, dass ich noch nicht mal fest aufstampfen kann vor Wut, da ich nur Flip-Flops trage und mittlerweile auf dem Sandstrand stehe.
»Nein.« Ich habe es so satt, dass er meine Arbeit, auf die ich mich bisher immer gefreut habe, in einen Vorhof zur Hölle verwandelt hat, vor dem mir nur noch graut. Er ist der Grund dafür, dass ich eine Pause brauche und aus New York geflohen bin.
»Wie bitte?!«
Na also, nun habe ich immerhin seine volle Aufmerksamkeit.
»Sprechen Sie mit Valerie, oder schicken Sie eine E-Mail und warten, bis ich zurück bin. Rufen Sie mich nicht mehr unter dieser Nummer an.«
»Ein so unprofessionelles Verhalten werden Sie noch bereuen!«
»Einen schönen Tag noch«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und beende das Gespräch.
Am liebsten würde ich diesem Thaddeus mit meinen pfeilspitzen Pumps mal richtig in den Hintern treten, aber das wäre unprofessionell. Er hat Glück, dass ich mich nicht bei meiner Chefin über ihn beschwere - auch wenn er leider nichts getan hat, weswegen man ihn rauswerfen könnte -, aber ich lasse mir von dem doch nicht meinen Urlaub vermiesen!
Grimmig funkele ich mein Handy an, zerre meine Strandtasche über die Schulter und laufe mit schnellen Schritten weiter, wütend über Thaddeus' Dreistigkeit. Ich versuche, nur noch auf meine Füße zu achten, und konzentriere mich darauf, langsam ein- und auszuatmen. Selbst wenn über zwölfhundert Kilometer zwischen uns liegen, werde ich diesen Blödmann nicht los!
Du wärst ihn los, wenn du in die Redaktion wechseln würdest.
Es ist eben so, dass ich sehr gut bin in meinem Job und mich mit den Aufgaben bestens auskenne. Andererseits kenne ich die Personalarbeit vielleicht auch zu gut, und der Lack ist ab. Und genau das ist mein Problem, und mit jeder neuen Idee für einen Artikel, die ich habe, nagt es stärker an mir; dass ich mich halbtot geschuftet habe, nur, um festzustellen, dass es der falsche Weg war und dass ich für eine Karriere kämpfe, die nicht mehr zu mir passt.
Außerdem hätte ich in einer anderen Abteilung nichts mehr mit dem ganzen Müll zu tun, den Leute wie Thaddeus jeden Tag auf meinem Tisch abladen.
Als das Smartphone in meiner Hand ein Bing von sich gibt, will ich es im ersten Moment am liebsten ins Meer schleudern. Aber dieses Mal ist es eine WhatsApp von meiner besten Freundin Bailey, die bei Von Kopf bis Fuß als Redakteurin arbeitet.
Bailey: Wie ist Deine Haustauschpartnerin?
Ich schreibe ihr zurück, während ich den Strand entlanglaufe.
Ich: Treffen uns persönlich erst nach dem Haustausch. Auf den Fotos, die im Schlafzimmer an der Pinnwand hängen, sieht Shelby Kellermanns Leben aus wie eine Mischung aus einem lässigen Bier-Werbespot und einem Abercrombie-&-Fitch-Plakat.
Bailey: Waaas?
Ich: Umwerfend gut aussehende Leute haben unglaublich viel Spaß bei allem, was sie tun. Ein Drink an der Bar, lachend auf einem Konzert, beim Joggen am Strand - würde am liebsten in jedes Foto reinspringen und dabei sein.
Bailey: Und wie sieht sie aus?
Ich: Lange Beine, blond, größer, als ich dachte, mit ein paar kleinen Sommersprossen auf der Nase, die sie irgendwie unschuldig wirken lassen, auch wenn sie eine Figur hat, mit der sie direkt auf ein Plakat von Victoria's Secret kommen könnte. Hellbraune Augen und ganz natürliche Strähnchen von der Sonne im Haar.
Das wäre das. Nicht, dass ich von den Fotos besessen wäre oder so.
Bailey: Bin nicht sicher, ob ich mich in sie verknallen oder sie abgrundtief hassen soll. lol
Ich: Ich weiß genau, was du meinst!
Wenn ich hier aufgewachsen wäre statt in New York, ob ich wohl auch so sein würde? Alles an Shelby sieht nach Glück und Zufriedenheit aus. Warum sie wohl ihr unbekümmertes Leben gegen meins tauschen wollte, wenn auch nur eine Zeit lang?
Bailey: Und wie ist das Haus?
Ich: Ekelhaft groß. Was sie bloß von meiner winzigen Wohnung hält, vollgestopft mit Büchern und mit langweiligen weißen Wänden, die ich noch nie gestrichen habe? In ihrem Haus hat jeder Raum eine andere Farbe.
Bailey: Das gehört doch alles zum authentischen Brooklyn-Erlebnis. lol
Ich: Kann sein. Aber sie hat hier die verdammte Meeresbrise, Bails. Das Beste, was der Wind in meine Wohnung weht, ist der würzige Geruch aus dem Thai-Laden ein paar Häuser weiter.
Bailey: Sie hat ja nicht beim Haustausch mitgemacht, um drei Wochen irgendwo zu sein, wo es genauso ist wie bei ihr zu Hause. Es geht darum, etwas Neues kennenzulernen. Deswegen machst du es doch auch, oder?
Ich: Ja, genau. Ich musste der bedrückenden Weitläufigkeit entfliehen und ab an den Strand.
Bailey: Großartig! Tank etwas Sonne für mich mit! Dir geht's doch gut, oder?
Selbst meine beste Freundin kennt nicht alle Gründe dafür, warum ich plötzlich aus meinem Leben ausbrechen wollte.
Ich: Mir geht's gut. Richte mich gerade in der Sonne und in meinem persönlichen Freiraum ein.
Bailey: Will dich nicht vom Strand abhalten. Ruf mich später an! Denk dran - du bist da, um Spaß zu haben!
Ich: Werde ich.
Bailey hat recht. Scheiß auf Thaddeus. Scheiß auf den Höllentag, der mich dazu gebracht hatte hierherzukommen. Ich breite mein Handtuch aus, lasse mich darauf fallen und wühle in meiner Tasche nach der Wasserflasche.
Eine leichte Brise, die direkt vom Meer kommt, weht mir um die Nase und wirkt der Hitze mit ihrem köstlichen Salzgeschmack entgegen - ich lege mein Handy zur Seite, fest entschlossen, nur noch den Augenblick zu genießen. Wenn Vitamin D das Wohlfühl-Vitamin ist, dann werde ich so viel davon aufsaugen, wie ich kann. Ich will mich unbedingt wohlfühlen und zwar genau jetzt. Dieser Urlaub ist das Aufregendste, was ich jemals gewagt habe, und das kann mir keiner mehr nehmen.
Den King's Point Drive bis zum Strand entlangzugehen kam mir vor wie eine abenteuerliche Reise in ein fernes Land. Die Menschen in Miami sind freundlicher und haben weniger...
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