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Wer mit dem Flugzeug anreist, kann Barcelona bereits im Landeanflug kennenlernen. Vorne liegt das Mittelmeer, an den Seiten begrenzen sanfte Bergketten die Metropole. Markante Hochhäuser und ultramoderne Turmbauten heben sich ab aus dem Gassengewirr des gotischen Stadtkerns. Gleich daneben liegt das schachbrettartige Straßenraster des Jugendstilviertels Eixample. Unverkennbar: Barcelona (1,5 Mio. Einwohner) ist ein Ort höchst reizvoller Kontraste. Die bedeutende Designmetropole mit ihren preisgekrönten postmodernen Bauten hat die nach Neapel größte Altstadt Europas, in der Sie sich stundenlang verlieren können.
Die meisten Wohnungen sind indes eher übersichtlich bis winzig - und trotz Sinken der Immobilien- und Mietpreise für Einheimische sehr teuer: Der Boden zwischen Bergen und Meer wird immer knapper, während sich die Stadt zur mediterranen Trendmetropole mausert - nach dem Motto "immer neuer, immer größer, immer schöner". Gleichzeitig fühlen sich selbst zeitgeistbewusste Trendsetter der katalanischen Tradition und Geschichte tief verbunden. Überhaupt verstehen es die Katalanen wie kaum ein anderes Volk, Widersprüche zu integrieren. Nehmen Sie die katalanische Bourgeoisie, die in Barcelona eines der prächtigsten Jugendstilviertel der Welt erbaut hat. Verschwenderisch verzierte Gebäude, sinnliche Gesamtkunstwerke - aber hinter den Fassaden herrschte stets ein eher nüchterner Kaufmannsgeist.
Das soll nicht heißen, dass die Katalanen nicht kreativ sind. Ganz im Gegenteil, an innovativer Energie hat es der Mittelmeermetropole nie gefehlt. Die Stadt ist ständig in Bewegung, erfindet sich unablässig neu. Dabei braucht man immer irgendein Großereignis, um Wegweisendes oder längst Fälliges zu vollbringen. Das war schon so mit der Weltausstellung von 1888, die die Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf rüttelte und den Aufbruch einläutete in eine neue Zeit im Zeichen des aufblühenden Jugendstils. Für die Show richtete man das Terrain um den Ciutadella-Park her. 1929 wurde die Stadt im Zuge der zweiten Weltausstellung wieder total umgekrempelt - diesmal wurde der Montjuïc erschlossen.
Die Olympischen Spiele von 1992 bescherten Barcelona schließlich eine ganz neue Stadt: Die deprimierenden Hinterlassenschaften von 40 Jahren Diktatur wurden beseitigt, die runderneuerte Mittelmeermetropole mauserte sich zum Mekka für Architekten, Stadtplaner und Touristen. Barcelona hat sich zum Meer geöffnet: Zu den populärsten Errungenschaften gehört der kilometerlange Sand- und Badestrand. Vor allem am Wochenende flanieren, joggen, radeln oder skaten die Barceloniner über die palmenbestandene Promenade, gönnen sich eine Paella mit Meeresblick oder relaxen bei einem Drink in Strandbars und Clubs.
Nördlich vom Olympischen Dorf liegt das Viertel Poble Nou, das gerade von einer gigantischen Industrieruine zum ultimativen Hightechviertel Barcelonas umgemodelt wird: Rund um die imposanten Firmensitze, Innovationszentren und Produktionsstudios hat sich eine neue Kultur- und Kneipenszene angesiedelt, zum Teil in weitläufigen Fabriklofts. Blickfang der schönen neuen Bauwelt ist der in allen Farbtönen changierende Riesenphallus, der Wolkenkratzer Torre Agbar - ein Entwurf von Jean Nouvel für die Wasserwerke Barcelonas.
Wenn es um das Image der Metropole geht, lässt man sich eben nicht lumpen. Auch nicht bei der Erschließung des nördlichsten Bezirks am Mittelmeerstrand: an der Mündung des Besó, um die verlängerte Hauptverkehrsader Diagonal herum, entsteht seit ein paar Jahren eines der teuersten Quartiere der Stadt, die Diagonal Mar, mit exklusiven Büro- und Wohnhäusern oder Designhotels im Hochformat. Jüngster Coup ist der eigenwillige Sitz der spanischen Telefongesellschaft, das Edificio Telefónica Diagonal 00 des Architekten Enric Massip Bosch, das sich rautenförmig wie ein Diamant in den mediterranen Himmel schraubt. Auffallend ist auch das knallblaue Riesendreieck gegenüber, das Forumsgebäude (Edifici Fòrum). Es ist eins der größten Kongress- und Ausstellungszentren Europas, entworfen von den Schweizer Stargestaltern Herzog & de Meuron.
Der Hang der Katalanen zur großen Geste hat Geschichte. Bereits im 19. Jh. konnte es dem Besitz- und Bildungsbürgertum nicht prunkvoll genug sein: vor allem mit Blick auf die ungeliebte Zentralmacht in Madrid. Das wirtschaftlich potentere Katalonien wollte es schon damals dem politisch mächtigeren Kastilien zeigen - zumindest in Sachen Kunst und Architektur. Das erklärt vielleicht auch die besonders verschwenderische Dekorlust des modernisme, des katalanischen Jugendstils. Noch größer, noch prächtiger und schöner sollte alles sein als in der spanischen Hauptstadt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Nur gestaltet man statt modernistischen Drachenköpfen inzwischen hypermodernes Design.
Der Stachel sitzt tief: Die Katalanen mussten sich jahrhundertelang gängeln lassen von der zentralspanischen Vormacht. Dabei hatten sie es im Mittelalter zum bedeutenden Handelszentrum gebracht und zur mediterranen Weltmacht. Von dieser Blütezeit Kataloniens, auf die man bis heute mit Stolz zurückblickt, zeugt die architektonische Pracht des Gotischen Viertels, mit baulichen Meisterwerken wie der Kathedrale oder der Werft Drassanes. Den Grundstein zur katalanischen Nation legte im Jahr 878 Graf Wilfried I. "der Behaarte" (Guifré el Pilós), als er mehrere Grafschaften zu einer Dynastie vereinigte, die im Königspalast an der Plaça del Rei regierten. Der Niedergang begann Ende des 15. Jhs., als sich die Kronen Aragons und Kastiliens vereinigten durch die Heirat der "katholischen Könige" Ferdinand und Isabella. Katalonien verlor seine Vormachtstellung.
Die stolzen Katalanen erhoben sich immer wieder gegen die spanische Krone. Aber am 11. September 1714 müssen sie - nach mehrmonatiger Belagerung Barcelonas - schließlich kapitulieren, die katalanische Selbstverwaltung wird abgeschafft. Noch heute erinnert am Fossar de les Moreres (neben der Kirche Santa María del Mar) eine ewige Flamme an die Gefallenen im Kampf gegen Spanien. Für die Katalanen ein Datum nationaler Demütigung - und bis heute ein nationaler Gedenktag. Zuletzt wollte Spaniens Diktator General Franco mit der rebellischen Bastion im Norden aufräumen - und jedes nur erdenkliche Zeichen ihrer Identität zunichtemachen, angefangen mit der katalanischen Sprache, die verboten wurde. Zwar endete die Franco-Diktatur 1975, ihre Folgen beschäftigen die Katalanen indes noch immer. Inzwischen können rund 75 Prozent der Bevölkerung Katalanisch, aber gut die Hälfte der Einheimischen zieht im Alltag die spanische Sprache vor.
Misstrauen und Vorurteile der Katalanen gegenüber der Zentralregierung in Madrid - und natürlich umgekehrt - sind nur allmählich zu überwinden. Wer den spontanen Menschenauflauf und den frenetischen Jubel auf der Rambla erlebt hat nach einem Sieg des F. C. Barcelona über den Erzrivalen Real Madrid, der weiß, dass es da um viel mehr geht als nur um Fußball. Dazu kommt der katalanische Charakter: zum einen geprägt durch mediterrane Lässigkeit und Lebensart, zum anderen durch den Blick nach Europa. Die Katalanen fühlten sich immer schon dem Norden näher als der Iberischen Halbinsel.
Als nördlichste Metropole des Südens wird Barcelona gern bezeichnet oder als südlichste Stadt des Nordens - beides zu Recht. Was aber nicht bedeutet, dass sich manche Gegensätze immer in Wohlgefallen auflösen. Mitunter prallen sie sogar recht krass aufeinander. In der Altstadt etwa, die seit Jahren Stück für Stück umgekrempelt wird. Im totalsanierten Altstadtviertel Raval, im unteren Teil, dem legendären Barri Xino, dem Hafen- und Rotlichtviertel Barcelonas, findet man noch sichtbare Spuren jener halbseidenen Welt der Huren, Gauner und Ganoven, die den französischen Schriftsteller Jean Genet zu seinem "Tagebuch eines Diebes" inspiriert hat. Nur ein paar Schritte weiter haben die hippe Kultur- und Kneipenmeile rund um das Museum für Zeitgenössische Kunst und der neue Prachtboulevard Rambla del Raval das Bild völlig verändert.
Nicht nur zum Guten: Mit der überfälligen Modernisierung hielten auch Immobilienhaie, Spekulanten, Luxushotels und die Schickeria Einzug ins angestammte Wohnquartier. Zum wachsenden Ärger der Bevölkerung, die beklagt, dass Barcelona zunehmend auf die Bedürfnisse von betuchten Trendsettern und Touristen zugeschnitten wird. Inzwischen organisieren sich die Bewohner in Bürgerinitiativen "zur Rettung der Altstadt". In der Barceloneta etwa wollen sie verhindern, dass das legendäre Fischerviertel, wo sich die Nachbarn noch auf der Straße mit Namen begrüßen, zum "Miami Europas" wird.
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