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Carlo Masala warnt in diesem Buch vor den Illusionen des Westens: der Illusion, die Globalisierung würde automatisch zur Verbreitung der Demokratie führen, der Illusion einer zunehmenden Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, aber auch der Illusion, durch militärische Interventionen ließen sich Demokratie und Stabilität exportieren. Seit der Niederlage in Afghanistan und Putins Krieg gegen die Ukraine stehen die Grundlagen westlicher Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand. Was muss sich ändern, damit wir in der neuen Weltunordnung bestehen können?
Nach dem Ende des Kalten Krieges hofften die USA und ihre Verbündeten, das internationale System gemäß den eigenen Vorstellungen umgestalten zu können. Doch anstatt Ordnung zu stiften, wurde Chaos geschaffen. Der Traum von der Verwestlichung der Welt ist heute ausgeträumt. Zurück bleibt eine durch Multipolarität, Blockbildung und Unsicherheit geprägte Weltunordnung, die die internationale Politik noch lange bestimmen wird. Auf welche Herausforderungen müssen wir uns in Deutschland und Europa einstellen? Welche Machtmittel stehen uns zur Verfügung? Wir brauchen, so lautet die zentrale These von Carlo Masala, einen realistischen Blick auf die internationalen Beziehungen, der sich von Illusionen befreit, die geostrategischen Gegebenheiten berücksichtigt und wieder lernt, die Sprache der Macht nicht nur zu lesen, sondern sie auch zu sprechen.
"Masala bietet einen gut verständlichen Überblick, der die sicherheitspolitische Debatte der Zeit auch dem Leser ohne Fachkenntnis nahebringt."Armin Wagner, Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, Heft 2/2017
"Masalas Monographie verdient eine klare Empfehlung – und zwar nicht nur für den geneigten Beobachter, sondern auch für den professionellen Politikwissenschaftler"Manfred Gross, Politische Studien Nr. 472, 2017
"Eine bemerkenswerte Analyse."Das Parlament, 20. Februar 2017
"Eine pragmatische Bestandsaufnahme, die zum geeigneten Zeitpunkt erscheint und mit propagandistischen, ideologischen und einfach nur irreführenden Beschreibungen reinen Tisch macht"Wolf Senff, Titel Kulturmagazin, 9. Dezember 2016
"Ein beachtenswerter, kenntnisreicher und komprimierter Problemaufriss."Armin Pfahl-Traughber, Humanistischer Pressedienst, 11. November 2016
Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr und gefragter Kommentator für deutsche und ausländische Medien sowie häufiger Gast in den großen Polit-Talkshows.
Als der Ost-West-Konflikt mit dem Fall der Mauer und der Implosion der Sowjetunion zu Ende ging, herrschte allerorten Euphorie. Das Ende der Geschichte, der Beginn des ewigen Friedens oder die gemeinsame globale Verantwortung aller Staaten für das Schicksal der Menschheit - dies sind nur einige Metaphern für den damals verbreiteten Optimismus, dass nach fast 45 Jahren harter Konfrontation zwischen den Blöcken nunmehr ein Zeitalter des Friedens und der Stabilität anbrechen würde.
Blicken wir auf die internationale Politik des 21. Jahrhunderts, dann bietet sich dem Betrachter ein gänzlich anderes, chaotisches, in Teilen beängstigendes Bild. Vermeintlich mächtige Staaten verlieren Kriege gegen schwächere Gegner; der Krieg zwischen Staaten, der vielen als ein Relikt der Politik des 18. und 19. Jahrhunderts galt, kehrt auf die globale Bühne zurück; multinationale Konzerne sowie unsichtbare Akteure wie Finanzmärkte scheinen eine kaum einzuhegende Machtfülle zu besitzen. An allen Ecken und Enden des Globus zerfallen Staaten, zumeist gewaltsam. Globale und regionale Institutionen verlieren zusehends an Einfluss.
Glauben Staaten, dass sie ein Problem im Griff haben, tritt ein neues zutage - oder die Lösung eines Problems bringt ein anderes hervor. Darüber hinaus treten eine Vielzahl neuer Sicherheitsrisiken auf den Plan (etwa Terrorismus, Pandemien, Klimawandel), deren Unberechenbarkeit und Anonymität den meisten Menschen Angst machen und Staaten vor bislang nicht gekannte Herausforderungen stellen.
«Die Welt ist aus den Fugen geraten. Wir erleben eine Krisendichte wie seit 20 Jahren nicht mehr. Aber es ist nicht nur die Krisendichte, sondern auch die unterschiedlichen Akteure und die asymmetrischen Konflikte, die die Lage so kompliziert machen», fasste Frank-Walter Steinmeier diese Eindrücke unlängst zusammen.[1] Wenn selbst führende Außenpolitiker die Welt als Chaos erleben, dann verwundert es nicht, dass der Eindruck, in einer unberechenbaren Zeit zu leben, auch in der Bevölkerung weitverbreitet ist.[2] Ein kluger Beobachter, Robert Kaplan, hat bereits Anfang des neuen Millenniums eine neue «Anarchie» vorausgesehen, und die Band R.E.M. liefert mit ihrem 1987 veröffentlichten Song «It's the end of the World as we know it» scheinbar den Soundtrack für die internationale Politik des 21. Jahrhunderts.
Parallel zu diesem vermeintlichen Chaos, das die internationale Politik kennzeichnet, erleben wir seit nunmehr fast 30 Jahren unzählige Versuche und Bemühungen, eine neue Ordnung zu etablieren. Die Konzepte, die vorgelegt, entwickelt und in der politischen Praxis ausprobiert wurden, sind Legion. Sie reichen von Ideen wie einem neuen globalen Machtkonzert über mehr imperiale Führung, stärkere globale Organisationen und regionale Integration nach dem Vorbild der Europäischen Union bis zu utopischen Ideen wie der Gründung einer Weltföderation. Sie alle haben aber bislang nicht zu einer stabilen Ordnung für das 21. Jahrhundert geführt.
Im Gegenteil, die Versuche der «westlichen» Welt, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes eine neue globale Ordnung zu schaffen, haben in einem nicht unerheblichen Maße dazu beigetragen, dass wir heute in einer Welt der Unordnung leben. Diese These mag verwundern, wird doch in der Politik, in den Medien und im Journalismus oftmals argumentiert, dass das Chaos, das in Regionen wie dem Mittleren und Nahen Osten oder in Teilen Afrikas herrscht, primär von einer fehlgeleiteten Politik der Akteure in der Region herrührt und nicht die Konsequenz der Politik des Westens ist. Und es ist auch erstaunlich, wie wenig der «Westen» aus seiner fehlgeschlagenen Politik der Universalisierung seiner Werte und Normen gelernt hat. So als ob es das Scheitern in Afghanistan (2001), im Irak (2003) oder in Libyen (2011) nie gegeben hätte, erschallt bei fast jeder neuen Krise, jedem neuen Konflikt sofort der Ruf nach Intervention des Westens und wird die Demokratisierung als Allheilmittel der Konfliktlösung propagiert. Aber die Versuche, die Demokratie global auszuweiten oder die internationale Politik immer stärker den Regeln des Rechts zu unterwerfen, stießen und stoßen auf den Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Staaten im internationalen System. Der Versuch, die Welt zu verwestlichen, ist, so kann man mehr als 25 Jahre nach dem Ende der globalen Machtkonfrontation zwischen den USA und der UdSSR mit Recht behaupten, gescheitert. Dies ist eine der zentralen Thesen dieses Buches.
Optimisten sehen die Gegenwart als ein Interregnum, einen Zwischenzustand, der über kurz oder lang zu Ende gehen wird.[3] Sie sind unterschiedlicher Auffassung darüber, wie dieses Ende aussehen wird. Gemein ist ihnen allen jedoch, dass sie schließlich eine neue Ordnung, Stabilität und, bis zu einem gewissen Grade, Berechenbarkeit erwarten. Pessimisten hingegen befürchten, oftmals in Szenarien, die von Oswald Spenglers Diagnose eines «Untergangs des Abendlandes» inspiriert erscheinen, dass das internationale System auf Dauer ins Chaos abgleiten wird,[4] in einen Zustand, den Thomas Hobbes vor Jahrhunderten als «Krieg aller gegen alle» bezeichnet hat.[5] Am Vorabend der hundertsten Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges machten Analogien zu 1914 die Runde.[6] Hysterische Beobachter zogen angesichts des Russisch-Ukrainischen Krieges gar einen Vergleich mit dem September 1939.[7] Alle Pessimisten eint die Furcht, dass die Großmächte des gegenwärtigen internationalen Systems, wie einst 1914, wie Schlafwandler[8] oder gar bewusst[9] in eine erneute militärische Auseinandersetzung hineinschlittern, die diesmal jedoch unter Rückgriff auf Nuklearwaffen geführt werden würde. Als Motto könnte den Pessimisten der Warnruf Eddard Starks aus «Game of Thrones» gelten: «.now winter is truly coming. In the winter, we must protect ourselves.». Ihre Vorstellungen der Wiederherstellung von Ordnung in der internationalen Politik gehen zumeist mit dem Gedanken einher, dass ein Staat, mehrere Staaten oder gar eine internationale Organisation die Führung in diesem Prozess übernehmen muss.
Die Frage nach der möglichen zukünftigen Ordnung ist für Politiker, Wissenschaftler, aber auch für die Bürger zentral, denn in ihr drückt sich ein zutiefst menschliches Bedürfnis aus. Der Politikwissenschaftler Hedley Bull hat Ordnung sowohl im Zusammenleben einzelner Menschen als auch in sozialen Gruppen oder zwischen Staaten definiert als ein Muster, das zu einem bestimmten Ergebnis führt, als ein Arrangement des sozialen Lebens, das bestimmte Ziele oder Werte befördert.[10] Für Individuen bedeutet Ordnung Berechenbarkeit, Verhaltenssicherheit und letzten Endes auch die Garantie für ihr physisches Überleben.[11] Lebewesen versuchen Unordnung immer wieder in Ordnung zu überführen.[12] Sie soll den «Krieg aller gegen alle» verhindern, den der Philosoph Thomas Hobbes als den Urzustand allen menschlichen Zusammenlebens sah. Herrscht Unordnung, gibt es dagegen keine Vorhersagbarkeit. Entwicklungen folgen scheinbar keiner inneren Logik oder aus der Vergangenheit bekannten Prinzipien.[13] Mit einer Eskalation hin zu individueller oder kollektiver Gewaltanwendung muss jederzeit gerechnet werden. Dauerhafte Unordnung ist für Individuen und kollektive Akteure schwer zu ertragen.[14] Es scheint dem Menschen eine angeborene Erwartung zu sein, «Regelmäßigkeiten zu finden», wie es der Philosoph Karl Raimund Popper formulierte.[15]
Leider spricht heutzutage vieles dafür, dass genau diese Unordnung, die Akademiker, Praktiker und die an internationaler Politik interessierten Bürger beunruhigt, mehr als eine Übergangsphase ist; weniger Interregnum als vielmehr Stabilis. Sie ist der Zustand, an den wir uns, auch wenn er unserer ordnungsliebenden Natur zuwiderläuft, gewöhnen sollten - und an den sich staatliche Politik anpassen muss. Dies ist die zweite These des vorliegenden Buches.
Es geht der Frage nach, wie und warum die Versuche der westlichen Welt, nach 1990 eine «neue» globale Ordnung zu schaffen, gescheitert sind und unter welchen Rahmenbedingungen Staaten und nicht-staatliche Akteure im internationalen Bereich zukünftig handeln werden. Viel ist bereits darüber nachgedacht und geschrieben worden. Die bisherige Literatur zur neuen Weltordnung orientiert sich jedoch entweder an historischen Phasen der Neuordnung, aus denen sie Orientierung gewinnen will, oder sie beschreibt wünschbare Ordnungen.
Dieses Buch verfolgt eine andere Zielsetzung. Es geht davon aus, dass die sich in der internationalen...
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