Schweitzer Fachinformationen
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Jeder Schritt vor die Tür ein Spießrutenlauf, jede Begegnung mit der Polizei eine Schikane, jeder Blickkontakt ein Todesrisiko: Die Favelas von Rio de Janeiro sind harte Orte. Hier herrschen Armut und Brutalität. Hier leben die Ohnmächtigen und Verdammten. Und hier leben junge Menschen - sind sie Täter? Opfer? -, die mit all dem klarkommen müssen und sich ihre alltägliche Fragen stellen: Die Schusswaffen des Vaters mal ausprobieren? Wie kriegt man eine Frau rum? Wie wird man eine Leiche los? Wie rettet man eine Hexe? Wohin mit den Drogen, wenn eine Sondereinheit das Haus stürmt?
Kindheit und Jugend im Zeichen von Gewalt und Diskriminierung - in dreizehn dichten, autobiographisch grundierten Geschichten von heikler Schönheit erschließt uns Geovani Martins das Leben in den Favelas. Und eine irritierende Welt, von der wir bislang kaum etwas wussten.
Für Matheus, Alan und Gleison
Als ich aufwachte, knallte der Lötbrenner schon voll vom Himmel. Ohne Scheiß, es war noch nicht mal neun, und meine Bude schien zu schmelzen. Im Wohnzimmer waren sogar die feuchten Stellen getrocknet. Man sah nur noch die Flecken: die Heilige, die Pistole und den Dinosaurier. Das würde auf jeden Fall so ein Tag werden, wo du rumläufst und der Himmel verschwimmt und alles wabert, als hättest du Hallus. Selbst die Luft aus dem Ventilator war heiß wie der Atem des Teufels, nur damit man mal eine Vorstellung hat.
Auf dem Tisch lagen zwei Real, die mir meine Mutter fürs Brot dagelassen hatte. Noch eins achtzig dazu ergab ein Busticket, dann müsste ich nur auf der Hinfahrt schwarzfahren, was entspannter ist. Die Scheiße war bloß, dass ich schon am Abend davor die ganze Wohnung wegen ein paar Münzen für eine Kippe auf den Kopf gestellt hatte. Am besten, ich investierte das Geld in Brot, organisierte kurz einen Kaffee und fuhr dann mit vollem Bauch an den Strand. Hauptsache nicht weiter in der Hütte braten. Schwarzfahren war natürlich immer ungünstig, der Stress war einfach zu groß.
Ich lief erst bei Vitim vorbei, wir dann zu Poca Telha, und danach weiter zu Tico und Teco. Bis dahin sah es bei allen gleich aus: kein Geld, kein Dope, aber Bock auf Strand. Zum Glück hatte Teco die Nacht davor ein paar Freunden beim Portionieren geholfen und dafür ein bisschen Gras abgestaubt. Ein paar Krümel, die vom Kilo übrig waren. Und dazu noch ein Tütchen Koks. Dummerweise wollte er damit lieber alleine zu Hause rumhängen, statt mit uns zu teilen. Der Typ spinnte. Als ob man bei der Gluthitze pennen konnte. Die anderen meinten, am Strand könnte er viel besser relaxen, bisschen die Mädels auschecken und ab und zu ins Wasser springen, kurz abkühlen, später zu Hause wäre er dann schön schlapp und würde schlafen wie ein Baby. Teco wollte uns dann zwar was zu rauchen mitgeben, selbst aber lieber doch zu Hause bleiben. Zum Glück konnte Vitim ihn überreden, eine Line zu legen, das brachte ihn wenigstens etwas auf Trab. Wahrscheinlich war es genau das, was Teco wollte - jemanden, mit dem er eine Nase ziehen konnte, um nicht allein drauf zu sein. Die Typen sind echt süchtig, ohne Scheiß, so was hab ich noch nicht gesehen. Zehn Uhr morgens, die Sonne knallt wie Sau, und die hauen sich das Zeug in die Nase.
Ich hab noch nie gekokst. Ich weiß noch, wie mein Bruder mal total fertig von der Arbeit nach Hause kam und mit mir draußen auf der Treppe einen durchziehen wollte. Vor allem wollte er reden, von Mann zu Mann, das hab ich gleich gemerkt. Er war so down, weil ein alter Freund von ihm völlig unerwartet gestorben war. Überdosis. Der Typ saß auf seinem Fahrrad, voll druff, wahrscheinlich unterwegs, um noch mehr Koks zu besorgen, und kippt plötzlich um. Kam schon tot unten an. Überdosis. Der Junge war so alt wie mein Bruder, Mann. Zweiundzwanzig! Ich hatte meinen Bruder noch nie so erlebt, die beiden waren echt dicke Freunde gewesen. Deshalb meinte er dann auch, ich soll bloß beim Kiffen bleiben. Kein Koks, Crack, keine Pillen, das ganze Zeug. Noch nicht mal Lança-Perfume schnüffeln durfte ich, davon schmolz einem auf Dauer das Gehirn weg. Mal abgesehen von den Typen, die deswegen am Herzstillstand verreckt waren. Damals schwor ich ihm und mir, niemals Koks zu nehmen. Geschweige denn Crack, ich bin ja nicht bescheuert, das Zeug macht einen doch fertig. Lança-Perfume schnüffeln vielleicht mal auf Baile-Funk-Parties, aber nicht zu viel. Heute weiß ich, dass mein Bruder recht hatte. Am besten, man blieb tatsächlich beim Kiffen. Alkohol ist auch scheiße. An meinem Geburtstag zum Beispiel war ich total blau und hab direkt Mist gebaut. Und warum? Schnaps! Das Schlimme ist, dass ich mich an nichts erinnern konnte. Eben saß ich noch bei Tico und Teco, am Trinken und Kartenspielen, und als Nächstes wach ich total eingesaut zu Hause auf. Am Tag darauf haben sie mir dann von meinem Totalausfall erzählt. Ich soll die Mädchen auf der Straße belästigt haben, eine hab ich angeblich sogar verfolgt. Was für ein Scheiß. Für so was kann man schon mal richtig auf die Fresse kriegen. Jetzt mal echt.
Der Busfahrer reagierte nicht mal, als unsere Gang hinten reinsprang. Es war wie immer total voll, verschiedenste Leute, Strandstühle, alle am Schwitzen. Nicht zum Aushalten. Das einzig Sinnvolle war abzuschalten und Vitim und Teco dabei zuzugucken, wie sie sich beinah den Kiefer ausrenkten, so druff, wie die waren. Mal im Ernst, ich versteh nicht, warum die Leute sich Drogen reintun, um so drauf zu kommen, da wird man doch voll psycho. So wie an dem Tag, als ich mit Poca Telha bei seiner Tante auf dem Dach saß, um einen durchzuziehen. Plötzlich tauchte Mano de Cinco auf, im Schlepptau zwei Typen aus dem Nordosten, die neu in der Stadt waren. Alter, haben die es sich gegeben, eine Line nach der anderen, die Typen kamen dermaßen hart drauf, solche Augen, und die Kiefer voll am Mahlen. Einer von denen fing dann an, komische Geräusche zu hören, und wir uns natürlich schlappgelacht. Nur dass Mano, der Spinner, das ernst nahm und dachte, die Polizei käme über das Dach vom Nachbarhaus, um sie alle hopszunehmen. Alter, die Typen gleich tierisch Schiss gekriegt und vom Dach runter, das war so witzig! Wie die Jungs sich da unten voll paranoid an der Mauer langdrücken, aus Angst, dass die Bullen sie schnappen.
Tatsächlich kamen sie dann erst eine Woche später, am Tag, als sie Jean gekillt haben. Im Ernst, ich darf da gar nicht dran denken, das war echt 'n guter Junge. Der hat nur ans Fußballspielen gedacht, und das konnte er! Er wäre auf jeden Fall Profi geworden, das sagen die Leute heute noch. Er hatte schon bei Madureira in der Auswahl gespielt, war nur eine Frage der Zeit, bis ein Klub wie Flamengo oder Botafogo ihn verpflichtet hätte. Das wär's gewesen, dann hätte er ausgesorgt gehabt. Der Scheißkerl fehlt mir, ernsthaft. Sogar bei seiner Beerdigung hat er noch eine coole Nummer abgezogen - nicht eine, sondern mindestens vier Freundinnen standen da weinend neben seiner Mutter am Sarg. Die Bullen sind alles Feiglinge, am Feiertag Razzia machen, wenn die Leute alle auf der Straße sind, ist doch klar, dass die ein Kind treffen. Diese Arschlöcher in Blau gehören alle abgeknallt. Echt jetzt.
Am Strand war dann erst mal gute Stimmung, die Sonne brannte und die Mädels streckten reihenweise ihren kleinen Hintern in die Luft. Ich rannte direkt ins Meer und tauchte wie ein Irrer durch die Wellen. Das Wasser war herrlich. Deswegen verstand ich auch nicht, warum auf einmal alle so eine Fresse zogen, als ich zurückkam. Wie sich rausstellte, hatten uns ein paar Bullen verfolgt und hingen jetzt in der Nähe rum. Der Plan war gewesen, direkt mal einen zu bauen, und jetzt das. Diese Strandpolizei war die Pest. Manchmal rückten die einem so was von auf die Pelle. Ich glaube ja, das sind entweder selber alles totale Kiffer, die uns das Zeug abnehmen und sich reinziehen wollen, oder die verticken es irgendwelchen Papasöhnchen oder Touris, keine Ahnung. Jedenfalls find ich es immer auffällig, wenn die Bullen auf einmal so fleißig unterwegs sind. Bedeutete zumindest nichts Gutes!
Als die Arschlöcher endlich abgezogen waren, tauchte gleich das nächste Problem auf: Keiner hatte Blättchen. Alter, das konnte nicht wahr sein! Lauter Profikiffer, und keine Blättchen am Start!? Danach ging es erst mal eine Ewigkeit darum, wer jetzt loszog, um welche zu besorgen. Niemand wollte einen von den Playboy-Kiffern fragen, diese ganzen arroganten Angeber. Allein guckten sie einen voll ängstlich an, als könnte man sie jeden Moment ausrauben. Aber wenn sie in der großen Gruppe waren, taten sie so, als würden sie einem gleich auf die Fresse hauen. Hardcore.
Am Ende versuchten Tico und Poca Telha ihr Glück, und es kam, wie es kommen musste. Ein paar Meter weiter hingen zwei Typen ab, die ganz klar wie Kiffer aussahen. Seit wir da waren, konnte man das beobachten. Wenn ein Händler vorbeikam, kauften sie ihm was ab, egal ob Mate, Kekse, Açaí oder Eis, alles wurde gekauft. Die mussten einen tierischen Fresskick haben....
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