Schweitzer Fachinformationen
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»In uns ist eine unsichtbare Kraft; erkennt diese zwei gegensätzliche Objekte der Begierde, wird sie stärker.«
Rumi
2007 schrieb Roger ein Buch mit dem Titel The Opposable Mind (Der opponierbare Geist). Der Titel spielt auf den opponierbaren (gegenüberstellbaren) Daumen an, dieses wertvollste aller Werkzeuge. Mit dem opponierbaren Daumen, den die Menschen mit den meisten Primaten gemeinsam haben, erzeugen wir eine Spannung gegenüber unseren Fingern, mit der wir Gegenstände greifen und bearbeiten können. Ganz ähnlich kann der opponierbare Geist eine Spannung zwischen Ideen erzeugen, durch die wir neue Lösungen für herausfordernde Probleme entwickeln können. Roger nannte dieses Vorgehen integratives Denken und argumentierte, dass sich die erfolgreichsten Führungskräfte von der Masse abheben, weil sie dieses Denken beherrschen.
In dem Buch erzählt Roger die Geschichte bemerkenswerter Führungskräfte wie Isadore Sharp, Gründer der Four-Seasons-Hotels, oder Bob Young, früherer CEO des Software-Unternehmens Red Hat, oder Victoria Hale, Gründerin des Institute for One World Health. Obwohl diese Führungskräfte im Hinblick auf ihren Kontext oder Background wenig gemeinsam hatten, sah Roger doch eine starke Verbindung zwischen ihnen: Jede dieser Führungskräfte setzte zur Lösung ihrer schwierigsten Probleme auf integratives Denken. Diese schwierigen Entscheidungsaufgaben präsentierten sich in Form einer unbefriedigenden Entweder-oder-Auswahl: einem erforderlichen Kompromiss zwischen vorhandenen Lösungsmöglichkeiten, die alle nicht gut genug waren, um das Problem wirklich zu lösen. Statt aber nun zwischen diesen suboptimalen Optionen ihre Wahl zu treffen, konstruierten diese Führungskräfte aus den sich widersprechenden Ideen integrative Antworten. Das Ergebnis ihres Denkprozesses waren neue Wahlmöglichkeiten, die das ursprüngliche Entweder-oder-Problem kreativ lösten und für die Welt neue Werte schufen.
Die Führungskräfte, die Roger studierte, teilen »die Neigung und die Fähigkeit, zwei diametral entgegengesetzte Ideen im Kopf zu behalten. Und sind dann, ohne in Panik zu geraten oder sich mit der einen oder anderen Alternative abzufinden, in der Lage, eine Synthese zustande zu bringen, die beiden gegensätzlichen Ideen überlegen ist.«1 In The Opposable Mind untersuchte Roger die »Disziplin der Betrachtung und Synthese«, die nach seiner Meinung erklärte, was diese Führungskräfte getan hatten, um ihre schwierigsten Herausforderungen zu lösen. Es war, wie er sagte, eine Art zu denken, die vier entscheidende Elemente aufwies.
Erstens erweiterten sie die Überlegungen, was für ihre Entscheidung von Bedeutung ist, und zogen noch weitere Dinge in Betracht, wenn sie über ihr Problem nachdachten. Zweitens untersuchten sie komplexe kausale Beziehungen und bezogen diese Beziehungen zwischen den bedeutenden Variablen mit ein. Drittens legten sie sich das Problem so zurecht, dass es in seiner Gesamtheit in den Blickpunkt rückte, und strukturierten es mit Disziplin und zielgerichtet, statt sich nur auf Einzelaspekte des Problems zu konzentrieren. Und viertens und letztens arbeiteten sie aktiv auf eine kreative Überwindung inakzeptabler Kompromisse hin, statt diese brav zu akzeptieren. Diese Führungskräfte strebten an, neue Erkenntnisse und eine Überwindung der Spannung zwischen den Ideen zu erreichen, bevor sie weitermachten.
Diese Theorie des integrativen Denkens zu formulieren, war das Eine. Etwas ganz Anderes war es, sie auch zu lehren. Und so bat Roger Jennifer, bei seiner Arbeit mitzuwirken und zu helfen, die Theorie in die Praxis umzusetzen und sie außerdem auch von den leitenden Managern (vorwiegend aus Unternehmen), die in The Opposable Mind porträtiert wurden, auf Personen in einem weiteren Spektrum von Organisationen auszuweiten. Im letzten Jahrzehnt haben wir uns so, zusammen mit wunderbaren Kollegen, mit Unternehmens-Managern unterschiedlicher Branchen befasst, aber auch mit Studenten, MBA- sowie Executive-MBA- Studenten, mit Abteilungsleitern, Führungskräften von Non-Profit-Organisationen und Behörden, Lehrern und sogar Grundschülern. Bei jeder Gruppe haben wir eine Menge über Theorie und Praxis des integrativen Denkens gelernt.
Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass die Geschichten in The Opposable Mind, die sich für die Leser als inspirierend erwiesen, tatsächlich auch eine Lernbarriere darstellen konnten. Wir haben außerdem gelernt, dass integratives Denken auf einen weit größeren Kreis von Problemen angewendet werden kann, als wir uns ursprünglich vorgestellt hatten, und auch von einem weit größeren Kreis von Führungskräften. Und wir haben gesehen - wie wir es auch immer gehofft hatten -, dass integratives Denken keine angeborene Fähigkeit ist - also eine, die man entweder hat oder nicht hat -, sondern eine Vorgehensweise, die sich mit der Zeit erlernen lässt.
Als wir damit anfingen, das Buch in Unterrichtspläne und Kurse zu übersetzen, stellten wir fest, dass sich eine beunruhigende Kluft zwischen Wissen und Handeln auftat. Selbst für Studenten, die die Geschichten mit Leichtigkeit nacherzählen konnten und die Werkzeuge auf einer kognitiven Ebene verstanden, stellte es oft eine große Mühe dar, das integrative Denken auf ihre eigenen Herausforderungen und in ihrem eigenen Kontext anzuwenden. Zum Teil war das darauf zurückzuführen, dass wir als unsere Subjekte richtungsweisende Führungskräfte ausgewählt hatten; es erwies sich als schwierig, zu verstehen, wie man das Handeln von, sagen wir, A. G. Lafley, dem CEO von Procter & Gamble (P&G), in den eigenen Kontext der Studenten übersetzen sollte. Unsere Studenten arbeiteten nicht für P&G und sie waren auch keine CEOs. Wie sich herausstellte, war die Übersetzungsaufgabe besonders dann schwierig, wenn die Geschichte sowohl anschaulich als auch real war. Leicht war es, von den Details der Erzählung, den Charakteren und den im Einzelnen vorgenommenen Handlungen mitgerissen zu werden. Die weiter gefassten Lehren dagegen konnten dabei übersehen werden.
Wir mussten in unseren Vorlesungen also eine effektivere Balance zwischen Geschichtenerzählen und Anwenden finden. Das haben wir auch in diesem Buch versucht. Wir erzählen zwar immer noch Geschichten, weil sie spannend und lehrreich sind, aber Sie werden in diesem Buch eine viel stärkere Betonung der Methodik finden als in The Opposable Mind. In dieser Hinsicht soll dieses Buch stärker zur Anleitung als zur Wissensvermittlung dienen. Wir ermuntern Sie, beim Lesen Ihre eigenen Herausforderungen zu bearbeiten und sich in die kurzen Übungen mit dem Titel »Versuchen Sie einmal Folgendes« zu vertiefen, die Sie in allen Kapiteln finden. Diese sollen Ihnen helfen, das Gelesene in Echtzeit anzuwenden. Außerdem werden Sie am Ende vieler Kapitel Mustervorlagen finden, die Ihnen helfen sollen, die Diskussion zu strukturieren.
In The Opposable Mind argumentierte Roger, integratives Denken sei ein Werkzeug, das zur Anwendung kommen sollte, wenn man mit Kompromisslagen konfrontiert ist, also schwierigen Entweder-oder-Situationen, die das Merkmal jeder Managementkarriere sind. Nun sind Kompromisse natürlich ein Element fast jeder Entscheidung; daher argumentierte Roger, dass integratives Denken am besten dann zum Einsatz komme, wenn der zur Debatte stehende Kompromiss einfach zu schmerzlich sei. Er konzentrierte sich also auf Situationen, in denen die Wahl einer der beiden Optionen einfach nicht gut genug ist. Und wir haben tatsächlich gesehen, dass integratives Denken in dieser Art von Situationen mit großem Erfolg eingesetzt wird. Was uns aber überraschte, war, in welchem Ausmaß sich integratives Denken auch bei einer ganzen Vielzahl anderer Probleme, Herausforderungen und Chancen als das bessere Werkzeug zur Herbeiführung guter Lösungen erwies - auch in Fällen, in denen die ursprüngliche Problemkonstruktion keinen wirklich schmerzlichen und inakzeptablen Kompromiss aufwies. In solchen Fällen führt eine Neuformulierung des Problems in Form einer Entweder-oder-Entscheidung oft dazu, dass sich die Perspektiven verschieben und die Diskussion auf eine Weise verändert wird, die neue Antworten möglich macht.
Und dann ist da noch der Anwendungsbereich im Hinblick auf die Personen, die die Entscheidungen treffen. Viele der Geschichten in The Opposable Mind berichten von CEOs und Unternehmern, die inakzeptable Kompromisse mit großem Erfolg überwunden haben. Diese Konzentration auf individuelle transformative Führungskräfte war vom erzählerischen Standpunkt her nützlich: Sie machte die Geschichten klar, einprägsam und stark. Aber sie erwies sich auch als irreführend. Die Porträtierten beeilten sich fast ausnahmslos, klarzustellen, dass sie ihre Entscheidungen zusammen mit ihren Teams getroffen hätten, nicht allein in ihren Eckbüros. Integratives Denken, das wurde uns klar, ist sowohl eine individuelle Fähigkeit als auch ein Teamsport. Nach unserer Erfahrung führt es fast immer zu überlegenen Ergebnissen, wenn integratives Denken in gemischten Teams statt...
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