Schweitzer Fachinformationen
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Ein unbekümmerter junger Radfahrer.
Ein Kind voller Illusionen. Ein der Welt entrückter Gelehrter.
Drei Schicksale. Drei Epochen. Der Geist eines Ortes.
Ein junger Radfahrer trainiert auf den schattigen Straßen in der ländlichen Normandie. Der Radsport ist noch nicht sein Beruf, die Tour de France noch eine ferne Welt. Mit fünfzehn genießt er einfach den Augenblick, die Natur und seinen Atem, der sich gerade wieder etwas zu beruhigen beginnt. Fünfzig Jahre zuvor liegt ein Dorfjunge an einem Sommerabend auf einem Feld und betrachtet die Sterne - sein Herz ist voller Träume. Schließlich, im 16. Jahrhundert, beugt sich ein humanistischer Gelehrter vor dem Kamin in seinem Herrenhaus über seinen Schreibtisch, beseelt von der Arbeit an seinen Manuskripten.
Drei Menschen. Drei Epochen. Drei Schicksale. Jahrhunderte trennen sie, aber ein Ort führt sie zusammen: das Landgut La Boderie in der Normannischen Schweiz, eine Oase der Ruhe im Grünen. Sie sind arglos und unbekümmert. Sie sind glücklich. Doch die Zeit und die Prüfungen des Lebens werden sie nach und nach von diesem einfachen Paradies entfernen .
»Von Menschen, die träumen« ist das bisher persönlichste Buch des erfolgreichen Radprofis, Bestseller-Autors (»Sokrates auf dem Rennrad«) und studierten Philosophen Guillaume Martin-Guyonnet. Ein zauberhaftes Plädoyer, wieder das Träumen zu lernen.
Sportler-Memoiren, wie man sie noch nicht gelesen hat: Gekonnt verwebt Guillaume Martin-Guyonnet eigene Erinnerungen als Radrennfahrer mit der Geschichte seiner Familie, seines Zuhauses und dessen berühmtesten historischen Bewohners zu einer anmutigen, mitreißenden Erzählung.
Es ist ein Frühsommerabend, siebzig Jahre zuvor, auf den Höhen eines Feldes in der Normandie, in der Gemeinde Ménil-Hubert-sur-Orne, nicht weit von La Forêt Auvray entfernt. Dani, mein Vater, ist sechs Jahre alt. Er ist sehr gut mit »P'tit Constant« befreundet, einem einfachen Mann um die vierzig, vielleicht etwas älter, vielleicht ein paar Jahre jünger, nicht sehr groß gewachsen, eher untersetzt und kräftig, ein »Quadratschädel« mit einem von der frischen Luft gemeißelten Gesicht, zu jeder Tageszeit mit einer Maiszigarette im Mundwinkel, der als Tagelöhner arbeitet. Er hilft auf einem Bauernhof und erhält dafür ein bisschen Kleingeld, Essen und eine Unterkunft, wobei Letztere aus einem Strohbett hinten in einer Scheune besteht.
Den ganzen Tag über wurde unter der drückenden Sonne von Hand, mit der Heugabel, das gemähte Gras auf den kleinen Parzellen gewendet, die so typisch für den Bocage sind, von deren Erhaltung zu dieser Zeit aber noch kein Mensch sprach, weil ihre Existenz so selbstverständlich war.
Vor dem Abendessen gönnen sich Dani und P'tit Constant ein paar Momente der Ruhe und Kontemplation. Sie liegen im gemähten Gras, auf dem abschüssigen Boden, genießen den Duft des Heus, das zu trocknen beginnt, und betrachten die orangen Wolken, die über den Himmel ziehen.
»Siehma' do«, sagt P'tit Constant mit seinem normannischen Akzent, der unmöglich zu imitieren ist. Er zeigt auf eine der länglichen, sich schnell bewegenden Wolken, die besonders schön ist: »Dos is' me'ne Mutte', die vorbe'huscht.«
Dani hört zu, träumt und staunt. Er weiß nicht genau, ob sein Freund es ernst meint oder nicht, ob er verrückt ist oder nur so tut. Natürlich ist er weit davon entfernt, jenes Zitat des japanischen Autors Shûzaku Endô zu kennen, demzufolge »die Weisheit der Bauern in ihrer Fähigkeit liegt, sich zum Narren zu machen«. Er stellt sich diese Fragen nicht: Er genießt den Augenblick.
Allmählich bricht die Nacht herein, und die ersten Sterne kommen zum Vorschein. P'tit Constant zeigt Dani mit seinen schwieligen Händen die Sternbilder. Er kennt ihre Namen nur ungefähr, deshalb erfindet er sie manchmal. Er bemerkt drei Sterne, die ein Dreieck bilden, und nennt sie »das Dreirad«. Er sieht fünf weitere in einer geraden Linie und beschreibt sie als »Straße der Wunder«. Er hat auch Spaß daran, sich Geschichten zu den Sternbildern auszudenken, die er kennt. Er erklärt, dass der Große Bär so genannt wird, weil die Sterne, die man dort beobachten kann, von prächtigen Bären bevölkert werden. Er erzählt, dass Cassiopeia der Name einer riesigen Göttin ist, die über das gleichnamige Sternbild herrscht.
Dani hat seine Augen und Ohren weit geöffnet. Auch wenn er ahnt, dass das, was er hört, nicht immer ganz korrekt ist, lernt er. In der Feldschule lernt er sogar viel besser als in der Dorfschule, wo er seinen Platz ganz hinten im Klassenzimmer hat und im Winter den inoffiziellen Titel »Holzbeauftragter« trägt, was bedeutet, dass er dafür zuständig ist, den Ofen mit Holzscheiten zu füttern. Mit einer gewissen Genugtuung erzählt er P'tit Constant von seiner Aufgabe: Sobald die Flamme kleiner wird, verlässt er mit seinem Weidenkorb in der Hand den Raum, ohne auch nur Madame Botreau, die Lehrerin, um Erlaubnis zu fragen, und macht sich auf den Weg, um vom Schulhof ein paar Holzstücke zu holen, damit er nachlegen kann.
Natürlich, so gibt er verschmitzt zu, nutzt er die Zeit, um ein wenig herumzustreunen und bis ans Ende der Straße durch Ménil-Hubert zu gehen und zu schauen, was dort so los ist. Manchmal ist er fast eine halbe Stunde weg, ohne dass Madame Botreau etwas sagen würde. Das hat zweifellos mit seinen schulischen Defiziten zu tun, aber Dani bringt das nicht in Verbindung. Ihm ist es egal: »Beauftragter« klingt gut. Er hat seiner Mutter davon erzählt. Sie war stolz. Seine Mutter ist immer stolz.
Sie sollten lieber aufbrechen, zu ihr und den anderen, um gemeinsam zu Abend zu essen. Die anderen warten bestimmt schon auf sie. Und gleichzeitig wissen die beiden Freunde, was auf dem Speiseplan steht: »Schon wieder Kalbsgekröse, jeden Tag nur Kalbsgekröse, seit Anbeginn der Woche!« Sie können diese Suppe aus Kutteln, die tagelang in einem großen Topf gekocht und immer wieder aufgewärmt und an der Luft aufbewahrt werden, nicht mehr ertragen. Also haben sie zwar Hunger und wissen, dass es Streit geben wird, aber sie sitzen lieber still da, weit weg von allem, und beobachten den Himmel.
Jeden Abend, nach einem Nachmittag, an dem sie sich um ihren Garten und ihren Hühnerstall gekümmert hatte und manchmal nur mit einem Griebenbrot im Bauch, ging Andrée Martin, die Mutter von Dani, meine Großmutter, drei Kilometer zu Fuß von einem Weiler namens Buisson, der nicht weit von Ménil-Hubert entfernt liegt, über Feldwege zu ihrer Arbeit in einer Textilfabrik im Tal der Orne, das die Verlängerung der Täler des Noireau und der Vère ist. Letzteres sollte später den traurigen Beinamen »Tal des Todes« erhalten, weil dort fast ein Jahrhundert lang ohne jeden Schutz mit Asbest gearbeitet wurde und dabei die unsichtbaren Auslöser schwerer Lungenkrankheiten eingeatmet wurden, die auch heute noch Menschen töten. Angeblich wusste man nicht, dass es gefährlich ist. Um ehrlich zu sein, stellte man solche Fragen auch lieber gar nicht, zumindest nicht, wenn man in den Fabriken angestellt war: Die Normannen sind schweigsam, arbeitswütig und husten still vor sich hin.
Auch Andrée musste bestimmt eine Menge Asbeststaub schlucken, der sich durch den Westwind im ganzen Talkessel verteilte. Aber sie hatte andere Sorgen. Sie musste ihren Sohn allein großziehen, den jüngsten, den sie spät bekommen hatte, den, dem man keinen Vater gegeben hatte. Nicht, dass sie die Jungfrau Maria und Dani das Jesuskind gewesen wäre, natürlich gab es irgendwo einen Erzeuger, aber man wollte ihn nicht kennen, man wollte nicht, dass man ihn kannte, er war keine Person, die es verdient hätte, bekannt zu sein. Er war vergessenswert und man musste ihn vergessen. Wie gesagt: Die Normannen sind schweigsam.
In gewisser Weise zum Glück gab es die Arbeit, die nicht nur die Hände, sondern auch den Geist beschäftigte, und das harte Leben, das einen davor bewahrte, zu viel nachzudenken. Zum Glück gab es auch bald Bernard, der Andrées Lebensgefährte wurde, als Dani fünf Jahre alt war, ein sensibler und kluger, sanftmütiger und lustiger kleiner Mann, der zu allen freundlich war und sich um Andrée und auch um Dani kümmerte, zu dem er bald eine enge Beziehung aufbaute. Aber letztendlich war er nicht der Vater. Außerdem war Bernard oft weg, in Pont-d'Ouilly, in Falaise oder noch weiter weg in der Hauptstadt Paris, um Geschäfte zu machen. Er war Automechaniker und nebenbei auch ein bisschen Schmuggler - hier und da mal eine Fünf-Liter-Flasche Calvados, die in einem Doppelauspuff versteckt war, angeblich sah man nichts als Rauch .
Im Alltag war es Andrée, die sich um den Haushalt und um Dani kümmern musste. Während sie nachts arbeitete und tagsüber schlief, vertraute sie ihn ihrer Nachbarin und Freundin Madame Verrier an, die einen kleinen Bauernhof mit etwa zehn Kühen nur einen Steinwurf von Buisson entfernt bewirtschaftete, auf Land, das sie von einem angesehenen Mann aus Flers gepachtet hatte - gegen eine lächerliche Pacht plus eine Art Steuer auf die produzierten Waren: Butter, Milch, Apfelwein, Calvados .... wie zur Zeit der Gutsherren.
Es war die Zeit nach dem Krieg, also die Zeit vor Europa, vor der »Gemeinsamen Agrarpolitik«, vor der Mechanisierung der Landwirtschaft, auch vor dem Wettlauf um den Ertrag. Frankreich befand sich im Wiederaufbau, die ländlichen Gegenden wurden noch auf fast mittelalterliche Weise verwaltet. So wie Andrée, so wie viele Frauen in dieser Zeit, die ihren Ehemann oder Verlobten im Krieg verloren hatten, musste Madame Verrier nach dem Unfalltod ihres Mannes, der auf dem Hof von einem Karren überfahren worden war, allein für ihren Lebensunterhalt sorgen. Sie wurde nur von P'tit Constant unterstützt, den sie bezahlte, so gut sie konnte, und je nach Umständen und Notlage von ihren Nachbarn, die sich zu einer informellen Genossenschaft, einer »Trümmer-Gemeinschaft«, zusammengeschlossen hatten. So funktionierte es damals, nur so konnte es funktionieren.
Zu dieser Gemeinschaft gehörte auch Marie Mitaine, eine ältere Frau, die im Talgrund lebte, eine sanfte und fürsorgliche Dame um die fünfzig, die Dani regelmäßig ein Stück Kuchen oder etwas Obst anbot, wenn er zu Fuß von der Schule nach Hause ging, weil sie wusste, unter welchen Bedingungen der Junge lebte, und weil sie etwas weniger arm war als die anderen. »Magst du Kirschen?«, fragte sie ihn zu jeder Jahreszeit und wiederholte die immer gleiche Frage Tag für Tag wie eine rituelle Formel, so als wäre es möglich, dass Dani über Nacht aufgehört hatte, die kleinen säuerlichen Früchte und die Freude an der Unbeschwertheit, die sie versprachen, zu mögen.
Wie fast jeder besaß auch Marie Mitaine ein paar Hektar Land, die sie mit der Unterstützung von Leon dem Belgier bewirtschaftete, einem Bauern, der wiederum von Rapide unterstützt wurde, einem großen, schönen Pferd mit orangem Fell, das Dani durch seine Majestät tief beeindruckte. Der Junge stellte sich das Trio wie Figuren aus einem amerikanischen Western vor, was seine Fantasie umso mehr beflügelte, da Dani noch nie einen Film dieser Art gesehen hatte.
Etwas weiter oben, wenn man über Buisson hinausging, dachte Dani eher an Jean Gabin,...
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