Schweitzer Fachinformationen
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Als DCI Craig McPherson nachts durch die Straßen Exeters streift, findet er die Leiche eines bekannten und beliebten Bauunternehmers. Der Coroner stuft den Vorfall als Unfall ein, die Ermittlungen sollen eingestellt werden. Doch Craig stolpert über Ungereimtheiten, die ihn bis in die höchsten Kreise der Politik führen. Als der Oberstaatsanwalt Craig den Fall wegnimmt, ermittelt der dickköpfige Schotte ohne Rücksicht auf sich selbst weiter und sticht in ein Hornissennest ...
Für Craig McPherson war es hilfreich, zwischen einem Bestatter und der Kirche der Zeugen Jehovas zu wohnen: Der Bestatter erinnerte ihn daran, dass das Leben jederzeit zu Ende sein konnte, die Zeugen Jehovas, dass Gott eine Illusion war. Holloway Street 25, Exeter. Seine neue Adresse, nachdem man ihn vor sieben Monaten und sechs Tagen aus seiner Heimat Edinburgh, Schottland, verbannt hatte. Dass seine Straße nach dem Londoner Gefängnis »Her Majesty' Prison Holloway« benannt war, passte gut, denn was war Exeter für ihn, wenn nicht ein Gefängnis?
Immerhin stand noch »Detective Chief Inspector« in seinem Dienstausweis. Das Plastikkärtchen öffnete ihm Türen, machte manche Menschen gesprächig, andere brachte es zum Verstummen, und es gab ihm die Befehlsgewalt über eine ganze Reihe Detectives, die ihm zuarbeiten mussten, wenn er auf der Jagd nach einem Mörder war.
Es war kurz vor zwei Uhr in der Nacht, und wie meistens wollte sich kein Schlaf einstellen: Sobald sich Craig auf das rote Bettlaken legte, das die Matratze verhüllte, stürmten die Erinnerungen auf ihn ein, er begann zu schwitzen, sein Magen drehte sich um, der rechte Arm zitterte. Das konnte Stunden andauern, eine denkbar schlechte Voraussetzung für einen Tag, der ihm mit Sicherheit einiges an Stress bringen würde.
Also stand er auf, zog ein ärmelloses T-Shirt über und stieg in eine wadenlange Trainingshose. Er legte den Taschengürtel an, in dem er das Handy, seinen Dienstausweis, den Schlüssel und zwei Zwanzig-Pfund-Noten verstaute. Er trat vor die Tür, atmete die feuchtheiße Luft ein, wandte sich nach links und lief los. Schon nach den ersten Schritten ließ das Zittern im Arm nach, sein Magen beruhigte sich. Die Therapie war eigentlich ganz einfach. Er musste nur in Bewegung bleiben, dann verschwanden die Symptome seines Traumas sofort. Er brauchte weder Medikamente noch einen Shrink, der ihm Dinge einredete, die es gar nicht gab.
Die Sommerhitze lag bleischwer über Exeter. Tagsüber wagten sich Katzen nicht auf die Dächer, es herrschten Temperaturen, wie sie die Stadt seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte. Selbst jetzt, zwei Stunden nach Mitternacht, trieb ihm die schwüle Luft schon nach den ersten Metern den Schweiß aus allen Poren. Die Stadt war gelähmt, alles lief in Zeitlupe ab. Ein Gewitter war nicht in Sicht.
Die Holloway Street führte hier leicht bergab, gut zum Warmlaufen, denn trotz der Hitze waren seine Muskeln kalt und verspannt vom langen Sitzen am Schreibtisch. Er passierte die Kirche der Zeugen Jehovas, die sie »Königshalle« nannten, genoss den leichten Anstieg auf der Topsham Road, bog rechts in die Weirfield Road ab, die steil hinab zum Exe und den Quays führte. Sein Puls schlug gleichmäßig, Craig ging es gemütlich an, er wollte sich nicht zu früh verausgaben.
In keinem der putzigen Backsteinhäuschen, an denen er vorbeitrabte, brannte Licht. Die Menschen lagen in ihren Betten, versuchten zu schlafen, wahrscheinlich bereits seit halb zwölf, denn um elf schlossen die meisten Pubs. Gott, wie er Edinburgh vermisste. Und ja, verdammt, genauso vermisste er einen anständigen Drink, einen achtzehn Jahre alten Glengoyne oder einen jungen wilden Laphroaig, der so schwer nach Torf und Rauch duftete, dass ihm allein schon der Gedanke daran das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Aber Craig hatte auf seine Mutter und seinen Clan geschworen, nie wieder zu trinken. Man konnte ihm nachsagen, was man wollte: Einen solchen Schwur würde er nicht brechen - nicht ohne Not.
Craig bog nach rechts auf den Pfad, der den Exe säumte. Nur jede zweite Straßenlaterne spendete Licht, ausreichend, um den Weg gut zu erkennen und nicht in ein Loch zu treten. Der Fluss wälzte sich träge durch sein Bett, das Wasser schimmerte ölig, so als hätte die Hitze alles Lebendige aus ihm herausgesaugt.
Craig wendete, lief den Exe flussabwärts Richtung Belle Isle Park. Dort überquerte er den Fluss auf der Fußgängerbrücke und folgte dem Weg, der über eine weitere Brücke zu den Quays zurückführte.
Nicht eine Menschenseele begegnete Craig, er genoss die Einsamkeit, die in ein paar Stunden von hektischer Betriebsamkeit im Headquarter abgelöst werden würde. Trotz seiner Verbannung aus Edinburgh hatte er seinen Rang behalten und auch seine Aufgabe: Er war Mitglied im Major Crime Investigation Team, kurz MCIT, das sich auch grenzüberschreitend um Mord und Totschlag kümmerte. In Exeter war er dem CID zugeteilt.
Es war ihm noch immer ein Rätsel, wie es sein ehemaliger Chef in Edinburgh, Gordon Brodie, geschafft hatte, seinen Rausschmiss zu verhindern. Gordon hatte ihn zu sich bestellt, ihm die Versetzungsurkunde in die Hand gedrückt und die Bedingungen diktiert: »Nie wieder Alkohol. Nie wieder falsche Loyalitäten.« Craig hatte keine Wahl gehabt und mit einem kaum sichtbaren Nicken den Deal akzeptiert.
Einmal pro Woche musste Craig zum Screening und alle vierzehn Tage zur Drogenberatung, noch dreizehn Monate lang, das war die Bedingung gewesen, auf die er sich hatte einlassen müssen. Ansonsten hätte auch Brodie ihn nicht schützen können. Seit sieben Monaten hatte er nicht einen Schluck Alkohol getrunken. Der Schuss vor den Bug hatte geholfen, und es war leichter gewesen, als er vermutet hatte. Nur manchmal, so wie eben, überkam ihn die Sehnsucht nach dem trostspendenden Alkohol, nach dem Geräusch, wenn er den Korken aus der Flasche zog, nach dem warmen Nebel, der sein Gehirn einlullte.
Craig machte einen kleinen Umweg über die Haven Road, auch hier lag die Stadt im Hitzekoma. Nur an der besetzten Lagerhalle brannte eine Lampe, zwei junge Leute saßen auf Campingstühlen und beäugten ihn misstrauisch. Obdachlose und Aktivisten waren vor vier Monaten hier eingezogen und hatten ihr Recht in Anspruch genommen, leerstehenden Raum zu nutzen. Da sie nichts Illegales taten, der Besitzer nicht bekannt war und niemand Anspruch auf das Gebäude erhob, gab es keinen Grund und keine Handhabe, die Halle zu räumen. Vielen war es sogar recht, denn die Besetzer hatten Ordnung geschaffen, auf eigene Kosten den Müll entsorgt und waren dabei, die Fassade auszubessern. Angeführt wurden sie von einer jungen Frau, deren Namen Craig vergessen hatte.
Die Flaneure, die sonst in einer Sommernacht die Straßen bevölkert hätten, saßen zu Hause unter ihren Klimageräten und versuchten ein wenig Abkühlung zu erhaschen. Das Smokehouse mit seiner einmaligen Whiskygalerie kam in Sicht, es hatte schon lange geschlossen. Hier hätte sich Craig häuslich eingerichtet, wenn er noch getrunken hätte. Aber das war vorbei. Für alle Zeiten. Verdammt!
Er machte sich auf den Rückweg, ließ die kleinen Kunstgewerbe- und Souvenirläden am Quay hinter sich, die zum Teil fantastische Handwerksarbeit anboten und zum Teil Dinge doppelt so teuer verkauften, als sie wert waren.
Craig lief wieder am linken Ufer des Exe entlang. An seiner Hüfte begann die Handytasche zu vibrieren. Er blieb stehen, überlegte, ob er den Anruf annehmen sollte oder nicht. Er war sich sicher, dass es das Headquarter war, denn niemand sonst hätte ihn um diese Zeit angerufen, außer seinem Bruder vielleicht, aber der hatte im Moment andere Sorgen. Da Craig sowieso keinen Schlaf finden würde, nahm er den Anruf an. Es war Sergeant Morrison, wie McPherson ein nachtaktives Wesen, der zur Freude seiner Kollegen liebend gerne die Nachtschichten übernahm. Man munkelte, dass er Vampirblut in den Adern habe und deshalb das Tageslicht scheue. Daher hatte er auch seinen Spitznamen: Dracu.
»Hey, Dracu, Craig hier.«
»Glaubst du wirklich, dass irgendjemand in dieser Stadt deinen Schotten-Akzent nicht erkennen könnte? Du blökst wie ein Schaf.« Er lachte meckernd.
Craig ignorierte die Frotzelei. »Was willst du? Ich bin nicht im Dienst.«
»Du bist immer im Dienst, wann wird dir das endlich klar?«
»Was ist mit der Bereitschaft?«
»Ausgebucht. Die sind im Dartmoor unterwegs. Ich habe einen anonymen Anruf. Irgendwo in der Nähe der Quays soll ein Freischwimmer unterwegs sein.«
»Klang der Anrufer glaubwürdig?« Craig hatte keine Lust auf einen Freischwimmer, eine Wasserleiche. Meistens stanken sie, waren aufgedunsen und schwer zu identifizieren. Bei dem Wetter blähte sich eine Leiche nach ein oder zwei Tagen auf wie ein Ballon. Eine falsche Bewegung, und sie ließen Dampf ab und verseuchten alles im Umkreis von zwei Metern mit Gasen und Flüssigkeiten, von denen man nicht einmal den Namen wissen wollte.
»Definitiv.«
»Und warum hat er dann seinen Namen nicht genannt?«
»Jetzt stänker nich' rum. Ist doch wurscht. Wir müssen der Sache nachgehen, so oder so, das weißt du doch.«
»Schon gut. Warum schickst du keine Rookies? Die könnten nach dem Freischwimmer suchen und sich ein paar Lorbeeren verdienen.«
»So was ist nichts für Anfänger, McPherson. Tu mir den Gefallen, dann ist die Sache schnell geklärt. Du bist irgendwo da unten, oder? Bist du nicht jede Nacht an den Quays?«
Craig rieb sich die Stirn. »Alles klar. Ich schau mir die Sache mal an.«
»Für 'en Schotten bist du echt in Ordnung, McPherson. Ich würd dir ja einen ausgeben, aber mit Milch kann man schlecht anstoßen.«
Morrison lachte so laut, dass Craig den Hörer vom Ohr weghalten musste, um keine Kopfschmerzen zu bekommen. »Ich melde mich.«
Craig steckte das Handy wieder ein, lief los, konzentrierte sich darauf, die Dinge so zu sehen, wie sie waren, und alles herauszufiltern, was nicht ins Bild gehörte. Er passierte das Wehr, donnernd rauschte der Exe darüber hinweg, auch jetzt im Sommer führte er genug Wasser, um sogar Baumstämme mit sich zu zerren. Eine Wasserleiche würde keinen großen Widerstand leisten, falls es denn überhaupt eine gab....
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