Schweitzer Fachinformationen
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Auf der Bühne des Londoner "Unicorn"-Theaters spielt man die letzte Szene eines Kriminalstücks. Ein Pistolenlauf richtet sich auf den Mörder - und dann der Schuss! Meisterhaft, wie der Schauspieler Arthur Surbonadier zusammenbricht! Kriminalchefinspektor Roderick Alleyn verlässt das Parkett und eilt hinter die Bühne: Er weiß - dieser Mord war nicht gespielt.
Am 25. Mai stattete Arthur Surbonadier, der mit richtigem Namen Arthur Simes hieß, seinem Onkel Jacob Saint, der eigentlich Jacob Simes hieß, einen Besuch ab. Jacob war früher Schauspieler gewesen, hatte dann ins Management gewechselt und den Zunamen Saint als Künstlernamen gewählt, den er bis auf den heutigen Tag behalten hatte.
Immer wieder machte er Witze über den Namen - »Oh nein, ich bin kein Heiliger!« - und ließ nicht zu, dass auch sein Neffe Arthur diesen Namen annahm, als er ebenfalls zum Theater ging. »Es gibt nur einen Saint auf den Brettern, die die Welt bedeuten!«, ereiferte er sich bei solchen Gelegenheiten. »Du kannst dich nennen, wie du willst, Arthur, aber komm mir ja nicht in die Quere. Du kannst im Unicorn anfangen. Gib dir Mühe und versuche, dir deine Gage zu verdienen. Wenn du ein lausiger Schauspieler bist, bekommst du keine Rollen mehr. So ist das nun mal in diesem Geschäft.«
Als Arthur Surbonadier (den Namen »Surbonadier« hatte die Schauspielkollegin Stephanie Vaughan vorgeschlagen) einem Bediensteten zur Bibliothek seines Onkels folgte, kam ihm diese Unterhaltung wieder in den Sinn. Nun, er war zwar kein lausiger Schauspieler geworden, aber besser als der Durchschnitt war er auch nicht. Er erfüllte die Erwartungen, mehr nicht. Dennoch redete er sich immer wieder ein, der leuchtende Stern am Theaterhimmel zu sein.
Nun straffte er die Schultern und stellte sich auf die bevorstehende Begegnung ein. Kopf hoch. Du bist eine Bereicherung für jedes Ensemble, ein echter Charakterdarsteller, machte er sich Mut.
Mit Jacob Saint würde er schon fertig. Falls nötig, würde er zu jener letzten Waffe greifen, von der Saint keine Ahnung hatte.
Der Bedienstete öffnete die Tür zur Bibliothek und meldete: »Mr. Surbonadier, Sir.«
Arthur Surbonadier trat ein.
Jacob Saint saß in einem hypermodernen, verchromten Drehstuhl an seinem ultramodernen Schreibtisch. Das Licht einer kubistisch anmutenden Lampe betonte die Speckfalten in seinem Nacken. Sein grauweiß kariertes Jackett spannte sich über dem gewaltigen Bauch, und eine Wolke von Zigarrenqualm umhüllte seinen geröteten Kopf. Das ganze Zimmer roch nach Zigarren, aber auch nach jenem Duftwasser, das Saint stets benutzte und das speziell für ihn hergestellt wurde. Keine seiner Damen, nicht einmal Janet Emerald, hatte je einen Flakon davon geschenkt bekommen.
»Setz dich, Arthur«, grummelte er. »Nimm dir eine Zigarre. Ich brauche noch einen Moment.«
Arthur Surbonadier kam der Aufforderung nach, nahm jedoch keine Zigarre, sondern zündete sich eine Zigarette an. Er war nervös.
Derweil schrieb Jacob Saint irgendetwas nieder und gab dabei unwirsche Laute von sich. Dann drückte er eine Löschwiege über die noch tintenfeuchten Zeilen und schwang in seinem Stuhl aus Chrom zu seinem Neffen herum.
Saint war die Karikatur eines Theaterdirektors. Man hätte den Eindruck gewinnen können, dass er die Rolle des Direktors nur spielte - eine Rolle, für die er dank seines fetten, geröteten Halses, der rauen Stimme, der blassblauen Augen und der wulstigen Lippen geradezu prädestiniert war.
»Also, was gibt's, Arthur?«, fragte er und harrte ungeduldig der Antwort.
»Wie geht es dir, Onkel Jacob? Macht das Rheuma dir noch zu schaffen?«
»Hat nichts mit Rheuma zu tun. Ist Gicht, und das ist verflucht unangenehm. Also, was gibt's?«
»Es geht um das neue Stück, das im Unicorn aufgeführt wird .« Surbonadier hielt inne, sodass Saints Ungeduld weiter zunahm. »Ich weiß nicht, ob du schon gesehen hast, dass bei der Besetzung Änderungen vorgenommen wurden.«
»Doch, habe ich.«
»Ja, also .«
»Komm zur Sache!«
»Ich frage mich«, fuhr Surbonadier fort, um einen gelassenen Tonfall bemüht, »ob du mit dieser Änderung einverstanden bist.«
»Bin ich.«
»Ich aber nicht.«
»Was tut es zur Sache, was du denkst?«, rief Jacob Saint ungehalten.
Surbonadier erbleichte. Dennoch versuchte er, überlegen zu wirken, ganz so, als hätte er diesen Auftritt unter Kontrolle. Doch in Gedanken griff er zur Waffe.
»Ursprünglich«, sagte er betont ruhig, »war ich für die Rolle des Carruthers vorgesehen. Ich bin dieser Rolle gewachsen und weiß, dass ich sie gut spielen könnte. Aber jetzt bekommt Gardener die Rolle - der grandiose Felix, dem alle zu Füßen liegen.«
»Dem Stephanie Vaughan zu Füßen liegt, wolltest du wohl sagen.«
»Das hat damit nichts zu tun«, entgegnete Surbonadier. Seine Lippen bebten, und widerwillig spürte er, wie Zorn in ihm hochwallte.
»Sei nicht albern, Arthur«, ermahnte ihn Saint. »Und hör auf mit dem Gejammer. Felix Gardener spielt den Carruthers, weil er ein besserer Schauspieler ist als du. Punkt. Das ist vermutlich auch der Grund, warum er Stephanie Vaughan um den kleinen Finger wickelt. Er hat eben mehr Sexappeal als du. Du bist für den Beaver vorgesehen. Aus der Figur kann man was machen. Sie haben die Rolle dem alten Barclay Crammer weggenommen, der sie bestimmt sehr ordentlich gespielt hätte.«
»Trotzdem, Onkel Jacob, ich bin nicht damit einverstanden. Ich verlange, dass du die Änderung in der Besetzung rückgängig machst. Ich will den Carruthers spielen.«
»Vergiss es.« Saint schüttelte den Kopf. »Die Rolle ist vergeben. Ich hab dir schon mal gesagt, dass du keine Starrollen kriegst, nur weil wir verwandt sind. Du hattest deine Chance - die du übrigens nie bekommen hättest, wäre ich nicht dein Onkel. Jetzt liegt es an dir.« Er starrte seinen Neffen düster an, ehe er sich im Drehstuhl wieder dem Schreibtisch zuwandte. »Und jetzt habe ich zu tun«, brummte er.
Surbonadier befeuchtete seine Lippen, stand auf und ging zum Schreibtisch.
»Du hackst schon mein Leben lang auf mir herum«, beklagte er sich. »Meine Ausbildung hast du nur deshalb bezahlt, weil es dir in deiner Eitelkeit in den Kram passte. Und weil du versessen bist auf Macht.«
»Versucht da jemand, die Rolle seines Lebens zu spielen?«, kam es verächtlich von Saint.
»Du musst diesen Felix Gardener loswerden!«
Zum ersten Mal schenkte Jacob Saint seinem Neffen seine volle Aufmerksamkeit. Seine Augen traten ein wenig aus den Höhlen, und er schob das Kinn leicht vor, sodass Kopf und Hals noch massiger wirkten. Auf viele Gesprächspartner wirkte diese kleine Veränderung beunruhigend. Saint wusste, wie er seine Körpersprache am besten einsetzen konnte; er war schon mit härteren Brocken fertiggeworden als mit Surbonadier.
»Wenn du mir noch einmal so kommst«, sagte er eisig und betont leise, »bist du erledigt. Und jetzt raus mit dir!«
»So schnell wirst du mich nicht los.« Surbonadier umfasste die Schreibtischplatte und räusperte sich. »Ich weiß eine Menge über dich, Onkel. Mehr, als dir bewusst sein dürfte. Zum Beispiel, warum du Mortlake zweitausend Pfund gezahlt hast.«
Die beiden Männer starrten einander an. Saints leicht geöffnetem Mund entwich ein dünnes Wölkchen Zigarrenqualm. Als er wieder das Wort ergriff, hatte er sichtlich Mühe, seinen Zorn zu unterdrücken.
»Oho, möchte da jemand einen kleinen Erpressungsversuch starten?« Er sprach wieder lauter, bedrohlicher. »Was hast du ausgeheckt?«
»Hast du je den Brief vermisst, den er dir letzten Februar geschrieben hat? Als ich . als ich .«
»Als du mein Gast warst? Wolltest du das sagen? Bei Gott, wie ich sehe, habe ich mein Geld gut in dich investiert, Arthur!«
»Ich habe hier eine Kopie des Briefes.« Mit zittriger Hand griff Surbonadier in seine Tasche, wobei er den Blick nicht von seinem Onkel nahm. Seinen Bewegungen wohnte etwas Mechanisches inne, als er Saint das Blatt Papier reichte. Saint warf einen Blick darauf und ließ es dann fallen.
»Falls du mich weiter mit so etwas belästigst«, seine Stimme schwoll an und überschlug sich beinahe, »krieg ich dich wegen Erpressung dran, Freundchen! Ich mach dich fertig! Du wirst nie wieder in einem Londoner Theater auftreten, dafür sorge ich! Hast du verstanden?«
»Ja.« Surbonadier wich zurück, als befürchtete er, jeden Augenblick angegriffen zu werden. »Ja!« Schon hatte er den Türgriff mit einer Hand umschlossen. Jacob Saint schälte seinen massigen Körper aus dem Drehstuhl. Er war über eins achtzig groß und von beeindruckender Körperfülle. Wenn er aufstand, beherrschte er jeden Raum, und er hatte weitaus mehr Stehvermögen als sein Besucher. Trotzdem beherrschte Surbonadier, der kränklich und verweichlicht wirkte und am ganzen Körper zitterte, seine Rolle als hinterlistiger Erpresser, zumindest in diesem Augenblick.
»Ich gehe jetzt«, sagte er.
»Nein«, kam es von Saint. »Warte. Setz dich. Lass uns reden.«
Zögerlich ging Surbonadier zurück zu seinem Stuhl.
Am Abend des 7. Juni, nach der Premiere von The Rat and the Beaver, gab Felix Gardener eine Party in seiner Wohnung in der Sloane Street. Er hatte alle anderen Schauspieler des Ensembles eingeladen, sogar die alte Susan Max, die sich über den Champagner hermachte und immerzu davon redete, welche Rollen sie mit Julius Knight in Australien gespielt habe. Auch Janet Emerald, die die Schurkenrolle spielte, war zugegen und hörte der alten Dame mit erzwungener Geduld zu.
Vor allem aber war da Stephanie Vaughan, der auch abseits der Bühne die Hauptrolle zukam; sie strahlte vornehme Zurückhaltung...
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