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Dieses Kapitel will zeigen, wie und warum die katholische Kirche das Thema Gender als eine inakzeptable "Ideologie" zurückweist. Die Abschnitte sind entlang der diesbezüglich relevanten Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus gegliedert. Darüber hinaus ist ein eigener Abschnitt der Anti-Gender-Literatur gewidmet. Die Kernaussage der katholischen Gender-Kritik wird lauten, dass mit Gender das Geschlecht ausschließlich als soziale Konstruktion begriffen werde, also völlig losgelöst von der biologischen Zweigeschlechtlichkeit.
Wäre Johannes Paul II. in den letzten Lebensjahren seines Pontifikats durch seinen schlechten Gesundheitszustand nicht massiv beeinträchtigt gewesen, hätte er sich wohl mehrfach auch selbst gegen die "Gender-Ideologie" geäußert. So blieb es im Wesentlichen bei zwei gegen Ende seiner Amtsführung veröffentlichten Schreiben der römischen Kurie - das eine stammt vom Päpstlichen Rat für die Familie (2000), das andere von der Kongregation für die Glaubenslehre (2004) -, wo erstmals das Thema Gender ausdrücklich aufgegriffen und als abzulehnende Ideologie markiert worden ist. Beide Schreiben sehen in der "Gender-Ideologie" die Grundwahrheiten einer christlichen Anthropologie der Geschlechter infrage gestellt. Diese sind bedeutsam von Johannes Paul II. dargelegt worden und vorweg in gebotener Kürze zu erläutern.
Bereits als Dozent für Moraltheologie und philosophische Ethik in Krakau und Lublin, sodann ab 1964 als Erzbischof und seit 1967 als Kardinal von Krakau stellte Karol Wojtyla (1920-2005) wiederholt die anthropologischen Grundlagen der katholischen Sexual-, Ehe- und Familienmoral ins Zentrum seiner Überlegungen. Zu nennen sind hier die 1960 in polnischer Sprache erstveröffentlichte ethische Studie Liebe und Verantwortung (LV)5 und das Krakauer Memorandum6, das 1968 wesentlichen Einfluss auf die Abfassung der von Papst Paul VI. veröffentlichten Enzyklika Humanae vitae (HV)7 hatte, in der das kirchliche Verbot jeglicher sog. künstlicher Empfängnisverhütung ausgesagt wurde.
Sodann als Papst (1978-2005) hat Johannes Paul II. diese Geschlechteranthropologie lehramtlich implementiert im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (1981; FC)8 und breit vertieft in den zwischen 1979 und 1984 gehaltenen (insgesamt 133) Mittwochskatechesen, die später als Theologie des Leibes (TL)9 bekannt wurden. Speziell im Blick auf Frauen veranschaulicht er diese Anthropologie im Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem (MD)10, das anlässlich des marianischen Jahres 1988 über die Würde und Berufung der Frau reflektiert, ebenso im Brief an die Frauen (1995; BF)11 und nicht zuletzt auch im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis (1994; OS)12, das an die fehlende Vollmacht der Kirche erinnert, Frauen die Priesterweihe zu spenden.
In diesen Veröffentlichungen entfaltet Karol Wojtyla/Johannes Paul II. stets die "anthropologischen Grundwahrheiten" (MD 6)13 in christlicher Perspektive, den damit verbundenen "Plan Gottes für Ehe und Familie" (FC 10) und die darin implizierte "ewige Wahrheit über den Menschen als Mann und Frau" (MD 2). Den primären Zugang hierzu erörtert er über "Schlüsseltexte der Bibel" (TL 59:3), vor allem entlang der ersten drei Genesis-Kapitel (um eine "Theologie 'vom Anfang her' aufbauen" [TL 18:4] zu können) und des Epheserbriefes, der im 5. Kapitel (V 21-32) die sakramentale Struktur der Ehe andeutet. Dabei verfolgt er fortwährend das schon im Vorwort von Liebe und Verantwortung benannte Ziel, "die Normen der katholischen Sexualethik zu begründen - und zwar in einer Form, die möglichst endgültig ist" (LV 10).
Diese Normen weisen traditionell eine naturrechtliche Begründung auf. Das besagt, dass z. B. der geschlechtliche Verkehr "seiner Natur nach zur Weckung neuen Lebens bestimmt ist", wie Papst Pius XI. 1930 in der Enzyklika Casti connubii (CC 55)14 festhält. Demnach ist jede sog. künstliche Empfängnisverhütung gegen die Natur (lat. contra naturam). Das trifft ebenso auf eine homosexuelle Praxis zu, die gemäß dem Katechismus der Katholischen Kirche "gegen das natürliche Gesetz" (KKK 2357) verstoße und daher gleichermaßen moralisch unerlaubt ist.
Diese Form einer naturrechtlichen Begründung möchte jedoch Karol Wojtyla/Johannes Paul II. durch eine - von ihm speziell kreierte15 - personalistische Konzeption des Menschen überwinden. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass er hiermit die naturrechtliche Begründung - und so zugleich die vom kirchlichen Lehramt dargelegte Lehre - mittels personalistischer Begriffe zwar erweitert und vertieft, dabei aber weiterhin den traditionellen normativen Inhalten verpflichtet bleibt. In diesem Sinne ist in Liebe und Verantwortung von zwei untrennbaren Ordnungen die Rede, die einander im ehelichen Verkehr zwischen Mann und Frau begegnen: Die
"Ordnung der Natur, deren Ziel die Fortpflanzung ist, und die Ordnung der Personen, die in ihrer Liebe zum Ausdruck kommt und nach ihrer vollen Verwirklichung strebt. Man kann diese beiden Ordnungen nicht voneinander trennen, denn die eine hängt von der anderen ab" (LV 195).
Dieses Untrennbarkeitsprinzip besagt also: "In der Ordnung der Liebe kann der Mensch nur soweit der Person treu bleiben, als er der Natur treu bleibt" (LV 198). Darum widerspräche ein "positiver Ausschluß der Zeugungsmöglichkeit nicht nur der Naturordnung, sondern der Liebe selbst" (LV 203). In der Theologie des Leibes heißt es, dass die Wahrheit der Sprache des Leibes "nicht nur die Liebe, sondern auch die potentielle Fruchtbarkeit" (TL 123:6) umfasst. Somit impliziert diese Wahrheit bei Frauen auch den biologischen Rhythmus von fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen, der "nicht durch künstliche Eingriffe um seine volle Bedeutung gebracht werden" (TL 123:6) darf.
Inspiriert vom Krakauer Memorandum spricht sodann Papst Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae von "einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte - liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen" (HV 12). Ehepaare dürfen diese gottgewollte Verknüpfung "nicht eigenmächtig auflösen" (HV 12). Folglich kann diese "von Gott gesetzte Ordnung" den Ehegatten nur erlauben, die Empfängnis zu regeln, also "dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktion zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und so die Kinderzahl zu planen" (HV 16). Dagegen würden, so Johannes Paul II. in Familiaris consortio, die Ehegatten durch Antikonzeptiva, also durch Empfängnisverhütung, die "beiden Sinngehalte, die der Schöpfergott dem Wesen von Mann und Frau und der Dynamik ihrer sexuellen Vereinigung eingeschrieben hat, auseinanderreißen", derart "den Plan Gottes ihrer Willkür" ausliefern und der sexuellen Vereinigung "den Charakter der Ganzhingabe nehmen" (FC 32).
Das Thema der Antikonzeption ist für Johannes Paul II. deshalb so zentral, weil es eindrücklich auf die anthropologische Wahrheit der Zusammengehörigkeit der beiden Ordnungen der Liebe und der Natur verweist. Seine Reflexionen zur Theologie des Leibes versteht er darum auch als "umfassenden Kommentar zu der in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Lehre" (TL 133:2). Zum 20-Jahr-Jubiläum von Humanae vitae hält er sodann fest, dass es sich hierbei "nicht um eine Lehre handelt, die von Menschen erfunden wurde: sie ist von der Schöpferhand Gottes in die Natur des Menschen eingeschrieben und von Gott in der Offenbarung bestätigt worden". Eine Infragestellung von Humanae vitae sei daher nicht möglich, denn sie würde besagen, dass "keine Wahrheit über den Menschen existiert, die dem Strom geschichtlichen Werdens entzogen ist".16
Zu beachten ist der von Wojtyla in Liebe und Verantwortung betonte Unterschied zwischen Naturordnung und biologischer Ordnung, wobei ihm Erstere eine Daseinsordnung im Sinne einer göttlichen Ordnung darstellt. Diese sei zwar "als solche nicht übernatürlich" (LV 51) und darum (wie die biologische Ordnung) auch empirisch analysierbar, sie stehe aber zugleich "mit dem Schöpfergott in Verbindung" (LV 51). Zur Gerechtigkeit gegenüber dem Schöpfer gehören daher neben der personalistischen Norm, die im Liebesgebot zum Ausdruck...
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