Schweitzer Fachinformationen
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Ein Leichenfund in den Cotswolds. Als die Leiche des zurückgezogen lebenden Frank Hurst auf Meon Hill gefunden wird - brutal ermordet, sein Hund erhängt -, ist Chief Inspector Downes sofort alarmiert. Hurst galt als Sonderling, wird von den Dorfbewohnern gemieden und war vor einigen Jahren verdächtigt worden, in das Verschwinden zweier junger Mädchen verwickelt zu sein. Der Fall blieb ungelöst, die Spuren verliefen im Nichts. Doch mit Hursts Tod kehrt das alte Grauen zurück. Noch in derselben Nacht brennt sein Anwesen nieder und in den verkohlten Überresten entdeckt die Polizei die Leiche einer Frau. Kurz keimt Hoffnung auf, endlich eines der verschwundenen Mädchen gefunden zu haben. Doch die Wahrheit ist noch verstörender - und älter. Während Downes und sein neuer Sergeant Graves in den Schatten der Vergangenheit graben, stoßen sie auf ein Geflecht aus Schweigen, Schuld und Verdrängung. Und sie erkennen: In Lower Quinton hat jeder etwas zu verbergen.
Dezember 2002
Graves traf um 9:53 Uhr mit dem Zug aus Oxford in Moreton ein. Überrascht stellte er fest, wie viel in dem kleinen Ort los war. Es war gerade Markt, und überall im Ortszentrum waren Stände aufgebaut, zwischen denen man auf breiten Wegen hindurchflanieren konnte. Es gab so gut wie alles hier: billigen Modeschmuck, Uhren, Lederwaren, Besen, Hüte, Badematten und Müllsäcke. Sportkleidung hing an Ständern mit leuchtend bunten Schildern, auf denen in großen roten Buchstaben »ZWEI FÜR EINS« oder »JEDES TEIL EIN PFUND« stand.
Mit seinem Gepäck im Schlepptau versuchte Graves, sich einen Weg durch die Menschen zu bahnen, und verlor langsam die Geduld, als immer mehr Leute ihn anrempelten, weil sie so schnell wie möglich zu den Ständen wollten. Immer wieder hörte er Gesprächsfetzen. Die Leute sprachen einen anderen Akzent, der irgendwie freundlicher, weniger distanziert klang.
Rasch überquerte Graves die Straße. Durch den Haupteingang des Reviers kam man in einen kleinen Wartebereich, wo ein rundlicher, aufmerksamer Sergeant an der Rezeption saß und Graves empfing. Nachdem er sich angemeldet hatte, schob Graves sein Gepäck unter eine Bank, und ein paar Minuten später kam ein freundlich aussehender Beamter herein und stellte sich als Constable Burton vor. Ein Schlüsselbund baumelte an Burtons Gürtel, als er zur Tür ging, um sie für Graves zu öffnen. Auf dem Weg durch einen gut beleuchteten Flur blies Burton kräftig in sein Taschentuch.
»Ich dachte, es wäre eine gute Idee, Sie erst einmal ein wenig herumzuführen, bevor Sie sich an die Arbeit machen«, sagte Burton. »Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben, Sir. Ich habe gesehen, dass Sie Ihr Gepäck draußen gelassen haben. Haben Sie schon eine Wohnung?«
»Nein, noch nicht. Vorläufig wohne ich im Hotel. Ich glaube, es heißt >The Manor<.«
»Ah, das Manor House.« Burton war beeindruckt.
»Es ist nur für ein paar Tage, bis ich eine Wohnung oder ein Zimmer gefunden habe. Außerdem war es das einzige Hotel, das ich finden konnte«, verteidigte sich Graves. »Sie kennen nicht zufällig was anderes, oder? Vor meiner Abfahrt hatte ich nämlich keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern.«
»Ich fürchte nein. Aber hören Sie sich doch einfach mal um«, antwortete Burton. »Vielleicht hat ja sogar einer der Jungs ein Zimmer zu vermieten. Oder hängen Sie ein Mietgesuch ans Schwarze Brett in der Kantine.«
Sie gingen den Flur hinunter. Entlang der blauen Wände waren Notizen an roten Filz gepinnt, und auf der linken Seite konnte man durch ein langes Fenster in ein Großraumbüro sehen. Sie gingen daran vorbei, und Graves hörte gedämpfte Stimmen durch das Glas und sah ein paar Gestalten an Schreibtischen, die durch graue Absperrwände voneinander getrennt waren.
Burton hatte es nicht sonderlich eilig. Er führte Graves in einen weiteren Gang und öffnete dann fast ehrfürchtig die Tür zu einer kleinen, aber gemütlichen Kantine. Dort saß ein stämmiger Mann in zerknittertem Anzug und blätterte in einer Boulevardzeitung, während er sein Frühstück aß. Alles war sauber, ordentlich und ruhig - das genaue Gegenteil von Graves' altem Revier.
»Und, Morris? Wen haben wir denn hier?«, rief der Mann über seine Zeitung hinweg.
Burton stellte Graves vor.
Der Mann musterte ihn von Kopf bis Fuß und wandte sich dann wortlos wieder seiner Zeitung zu. Graves wollte schon weitergehen, als der Mann es sich doch anders überlegte und die Zeitung beiseitelegte. »Graves«, sagte er. »Wir haben Sie schon erwartet. Sie übernehmen also den Job vom alten Len.«
»Len?«
»Len Powell«, erwiderte der Mann.
»Oh . ja«, bestätigte Graves.
Der Gesichtsausdruck des Mannes war schwer zu deuten. Vielleicht war es ja Sorge, was da in seinen Augen stand, doch bevor Graves sich eine Meinung darüber bilden konnte, wandte der Mann sich wieder seiner Zeitung zu.
»Ich soll mich zwar erst morgen früh bei meinem neuen Chief Inspector melden«, sagte Graves zu Burton, als sie den Raum verließen, »aber ich hatte gehofft, er wäre hier.«
»Er kommt erst später«, erwiderte Burton in beiläufigem Ton. »Keine Ahnung, wo er steckt, aber das ist nichts Ungewöhnliches. Er neigt dazu, seine Dienstzeiten selbst zu definieren«, erklärte Burton. »Er taucht hier immer erst dann auf, wenn er das Gefühl hat, es ist wirklich notwendig.« Er zuckte mit den Schultern. »Das macht den Chief natürlich wahnsinnig«, fügte er hinzu. »Aber sie muss sich wohl oder übel damit abfinden.«
Graves verbrachte den Rest des Morgens damit, seinen Schreibtisch einzuräumen, sich mit den Abläufen im Revier vertraut zu machen und schließlich eine lange Liste von Telefonnummern auf seinem Handy zu speichern. Um ein Uhr war Graves dann wieder in der Kantine. Beinahe sofort gesellten sich zwei Männer zu ihm. Sie waren ungefähr genauso alt wie er und stellten sich als Edward Irwin und Robert Douglas vor, während sie ihre Tabletts mit dem Essen neben seines stellten. Irwin hatte schmale Schultern, war ungewöhnlich schlank und besaß einen scheinbar unendlichen Appetit. Douglas wiederum war deutlich sportlicher, hatte eine freche, fast unverschämte Art zu reden und starrte Irwin mit resigniertem Staunen an, während dieser sein Essen in sich reinstopfte. Schließlich drehte er sich zu Graves um, blähte die Wangen und deutete auf den wachsenden Müllberg vor Irwins Tablett. Irwin trank einen Schluck von seiner Cola. Als Graves ihnen sagte, wer er war und mit wem er zusammenarbeitete, senkte sich kurz Schweigen über den Tisch. Irwin schob sein Tablett beiseite und strich sich das Haar zurück. Er lächelte breit, und Douglas beugte sich vor.
Graves spießte bedächtig eine Kartoffel auf und wartete.
»Shotgun«, sagte Douglas schließlich.
»Wie bitte?«
»Shotgun. Sie werden mit Shotgun arbeiten.«
»Wer ist Shotgun?«
»Downes natürlich.« Irwin lachte und senkte die Stimme. »So nennen wir ihn hier . allerdings nicht in seiner Gegenwart. Ins Gesicht sagt ihm das nur Dr. Brewin.«
»Seltsamer Spitzname«, bemerkte Graves leise. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. »Wie hat er sich den denn verdient? Hat er jemanden erschossen?«, fügte er ein wenig nervös hinzu.
Douglas zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht«, antwortete er nachdenklich, »aber er wäre durchaus in der Lage dazu.« Er lachte. »Bei Downes weiß man nie. Im Gegensatz zu den anderen hier ist er lieber alleine«, sagte er laut und ließ seinen Blick durch die Kantine schweifen. »Aber so nennen wir ihn eben . und zwar solange ich denken kann.«
»Glaubst du, der hier hält mal länger durch?«, fragte Irwin seinen Kollegen und musterte Graves eingehend.
»Schwer zu sagen«, antwortete Douglas und lächelte wieder.
»Durchhalten?«, hakte Graves nach.
»Sie sind schon der Dritte, seit Len krank geworden ist«, erklärte Irwin. »Und Len ist erst wie lange krank? Zwei Monate?«
»Drei.«
»Downes wollte sie also alle nicht«, sagte Graves. »Und warum?«
Irwin zuckte mit den Schultern. »Dabei waren das gute Jungs . zumindest dieser Mark. Verdammt witzig, der Typ.« Er schaute zu seinem Kollegen.
»Ja, er war ganz in Ordnung«, antwortete Douglas wenig begeistert.
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte Graves leise. Langsam wurde er nervös. »Das hat mir niemand gesagt.« Er legte die Gabel auf den Teller. Der Appetit war ihm vergangen. Beinahe sofort dachte er an Oxford zurück. Der Superintendent musste das doch gewusst haben, als er ihn in sein Büro bestellt hatte. Das hier war kein guter Rettungsplan. Trotzdem lächelte Graves und schüttelte den Kopf. Das war alles so glatt gelaufen, erstaunlich glatt sogar, denn wenn Downes ihn auch abschoss, dann . Nun, dann gute Nacht. Eine Degradierung war das Mindeste, was ihm drohte.
»Okay«, sagte Graves. Er hatte beschlossen, dass es an der Zeit war, auf den Punkt zu kommen. »Gibt es da irgendetwas, das ich wissen sollte, damit es mir nicht so ergeht wie den beiden anderen?« Es folgte eine kurze Pause.
Irwin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Dann sagte er: »Nun, ja . Downes ist immer sehr formell und ausgesprochen höflich. Aber wenn ihm danach ist, kann er auch durchdrehen . Er ist . Ach, ich weiß nicht. Wie schon gesagt, ist er lieber alleine. Hier in der Kantine sehen wir ihn nur selten.« Erneut ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. »Und er war mal richtig berühmt.«
»Berühmt?« Neugierig hob Graves die Augenbrauen.
»Also >berühmt< ist jetzt wohl übertrieben«, korrigierte Douglas seinen Partner. »>Bekannt< ist wohl der bessere Ausdruck.«
»Das war drüben in London«, erzählte Irwin. »Aber natürlich ist das lange her, es war, bevor er zu uns gekommen ist.«
»Aber das müssen Sie doch wissen«, sagte Douglas und schaute Graves an. »Sie müssen doch wissen, dass er nicht von hier ist, oder?«
»Na ja, ich habe da so was gehört«, antwortete Graves.
»Er stammt irgendwo aus Südamerika«, erzählte Douglas weiter. »Er ist ein Argie oder so.« Das sagte er ohne bösen Unterton.
»Argentinier?«
»Jaja, ein Argentinier«, bestätigte Douglas ungeduldig.
»Aber wie zum Teufel ist er dann hier gelandet? Ausgerechnet hier .«
»Mitten im Nirgendwo«, vervollständigte Douglas den Satz. Er wirkte nicht im Mindesten beleidigt. »Keine Ahnung.«
»Wenn er will, kann er verdammt hinterfotzig sein.« Irwin griff nach seinem Jackett, das er über den Stuhl gehängt hatte. »Sie wissen ja, wie die sind. Schauen Sie sich doch Maradona an.«
»Dieser Bastard«, sagte Douglas...
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