Drittes Buch:
Parenting Time
Heimreise
Nach einer wundervollen Woche, die wir im Elsass verbracht haben, fahren wir zurück nach Frankfurt. Marietta liebt das Cabriolet, das ich gemietet habe. Sie lächelt mich an, während ich zu ihr herüberschaue.
Mit jedem Tag wird mir Marietta vertrauter. Ich bin immer noch verliebt. Aber es stellt sich auch eine neue Stimmung ein. Es ist ein Gefühl tiefer Verbundenheit. Still. Sicher. Und geborgen.
Wir fahren gemeinsam nach Mannheim, um den Mietwagen wieder abzugeben. Mit der Deutschen Bahn geht es dann weiter nach Frankfurt. Zuhause finden wir zwei Mahnungen vor. Die Absender sind das Restaurant und der Taxifahrer. Die Taxirechnung ist sehr hoch. Egal. Man heiratet nur einmal.
"Ich weise das Geld noch heute an."
Marietta sucht auf einem Internetportal nach Wohnungen. "Es ist nicht einfach, etwas zu finden."
"Ich muss meine Wohnung in Mannheim auflösen und kündigen. Es wäre gut, wenn ich meine Möbel direkt in die neue Wohnung bringen könnte. Andernfalls muss ich sie zwischenlagern."
Marietta jubelt beim Blick auf ihren Computerbildschirm: "Da ist eine Wohnung. Am Frankensteiner Platz. Soll ich den Anbieter kontaktieren?"
"Ja. Auf jeden Fall. Der Mietpreis ist nicht schlecht."
Sie empfängt schnell eine Rückmeldung. "Wir bekommen für heute Abend noch einen Besichtigungstermin."
Wohnungsbesichtigung
"Und das ist die großzügige Loggia." Der Immobilienmakler schließt die Wohnungsbesichtigung auf dem Balkon ab, an den ein Schlafzimmer und das Wohnzimmer grenzen.
"Uns gefällt die Wohnung. Wie geht es weiter?"
"Die Maklercourtage beträgt zwei Kaltmieten und ist vom Mieter und Vermieter je hälftig zu tragen. Und dann noch eine Bearbeitungsgebühr. Ohne Rechnung..." Der Makler hält mir seine rechte Hand entgegen. Er reibt seinen Daumen am Zeigefinger. Wahrscheinlich ist er nervös.
Ich ergreife sofort seine Hand: "Abgemacht."
"Die Bearbeitungsgebühr beträgt dann nochmal 1000."
"Wie? Nochmal 1000? 1000 was?"
"1000 ?."
Jetzt verstehe ich nicht so ganz. "Zahlt der Vermieter auch noch mal 1000 ? extra?"
Den Gesichtsausdruck des Maklers kann ich jetzt nicht so ganz einschätzen. Er wirkt eher unzufrieden auf mich.
Ich setze nach: "Na gut. Ich überweise das dann zusammen mit der Courtage."
"Nein. Das brauche ich in bar. Vor der Überweisung der Courtage."
"Wenn sie zwei Kassen führen, ist es klar, dass sie einen höheren Bearbeitungsaufwand haben. Sie können den Prozess vereinfachen, indem sie die Gesamtkosten gemeinsam in einer Rechnung zusammenführen."
Die Miene des Maklers wirkt versteinert. Mein Optimierungsvorschlag kommt so gar nicht bei ihm an.
Marietta schaltet sich ein. "Lass uns bitte gehen. Jetzt."
Als wir die Wohnung verlassen, zischt der Makler irgendetwas zwischen den Zähnen hervor, aber wir können es nicht verstehen.
Marietta nimmt meine Hand. "Wir finden etwas anderes. Mir hat das alles nicht zugesagt."
Das Ende keiner Freundschaft
Es klingelt das Telefon. Ich nehme ab. "Stephan Krönlein, guten Tag ... Matthias? Du hast mich an meinem Junggesellenabend und als Trauzeuge auf meiner Hochzeit versetzt ... Du hattest mich mehrfach vergeblich auf meinem Mobiltelefon angerufen? Na, auch egal. Ein anderer Freund ist eingesprungen. Johannes hat die Trauung sehr überzeugend ... ähm ... bezeugt ... Du fühltest dich dieser Aufgabe nicht gewachsen? ... Du meinst, unsere Freundschaft geht nicht so tief? ... Ach, du meinst, wir sind nicht mehr als Arbeitskollegen? ... Na, gut. Auch egal. Ich wohne jetzt nicht mehr in Mannheim. Woher hast du meine neue Festnetznummer? ... Ach, weil die Festnetznummer meines Home Office bei der Versicherung bekannt ist. Aha. Ja, gibt es noch etwas, was ich für dich tun kann? ... Eine schriftliche Handreichung zu meiner Analyse der Sterblichkeitsstatistiken? Die steht im Intranet zum Download bereit. Da hättest du auch unseren Teamleiter fragen können ... Ja ... Auf Wiederhören, Matthias."
Ich fühle mich schal und leer. "Marietta?"
"Ja, Stephan?"
"Matthias hat angerufen."
"Dein Freund?"
"Er sagt, er war nie mein Freund. Wir seien nicht mehr als Arbeitskollegen. Ich fühle mich mit einem Mal ganz ..."
"... einsam? Ich bin da, Stephan. Du bist nicht mehr allein."
Die neue Adresse
"Vielleicht hätten wir doch lieber ein Umzugsunternehmen engagieren sollen." Marietta wischt sich den Schweiß von der Stirn. Das Sofa ist sicherlich die größte Herausforderung - in der Rangliste noch vor der Waschmaschine.
Am Deutschherrnufer hatten wir mehr Glück mit der Wohnungsbesichtigung. Marietta und ich sagten letzten Samstag dem Makler spontan zu. Bis in den Oktober hatten wir intensiv gesucht. Dann - vor einer Woche - hatten wir sie gefunden: unsere perfekte Vierzimmerwohnung mit Blick auf den Main.
Allerdings läuft das mit dem Sofa nicht perfekt. Wir stecken im Treppenhaus fest. "Ich rufe eine Umzugsfirma. Gibst du mir bitte einmal dein Mobiltelefon, Marietta?" Ich suche im Internet eine Spedition. Hier. "'Saus und Braus' - die sagen mir vom Namen her zu. Da melde ich mich." Kurz darauf bin ich mit einem Mitarbeiter verbunden. "Guten Tag. Hier spricht Stephan Krönlein. Wir suchen eine Umzugsfirma ... Wann? Ja, jetzt, sofort ... Es ist ein Notfall ... Wir stecken mit dem Sofa im Treppenhaus fest ... Ja, ich bin mit dem höheren Preis einverstanden ... Es gibt einen Aufzug, aber das Sofa passt da nicht rein ... Erst nächsten Montag? ... Heute nicht? ... Danke. Ich muss das mit meiner Frau besprechen." Ich lege auf und gebe Marietta das Telefon zurück. "Sie können erst nächste Woche kommen."
Marietta fährt sich durch die Haare. "Was machen wir dann so lange?"
"Wir gehen etwas essen." Ich klettere über das Sofa zu Marietta.
Da macht das Sofa plötzlich einen Ruck und gleitet den Treppenabsatz nach unten. Mit mir. Mit einem lauten "Rumms" knallt das Sofa gegen die Wand. Mein Kopf auch.
"Ist dir etwas passiert, Stephan?"
"Nein. Ich glaube nicht." Ich klettere nochmal über das Sofa zu Marietta hinauf. "Wir fahren mit dem Aufzug nach unten, essen etwas und denken über alles nochmals gründlich nach."
"Ich bekomme nichts runter. Mir ist heute total übel."
In dem Moment hören wir im Treppenhaus Stimmen. Sie kommen von oben. Kurz darauf erscheinen zwei Männer im blauen Overall. Sie tragen ein Sofa mit sich. "Ja, sie können den Weg da aber nicht versperren." Die beiden stellen ihr Sofa auf dem oberen Treppenabsatz ab.
"Wir sind mit unserem Sofa stecken geblieben."
"Das ist ja nicht die Möglichkeit. Und jetzt?" Der Größere von den beiden schaut sehr verärgert. Der Kleinere sagt irgendwas von "Komplett bescheuert."
"Wir wollten jetzt erst einmal etwas essen gehen und in Ruhe über alles nachdenken." Dieser Gedanke findet bei den Möbelpackern keinen Anklang.
Da spricht Marietta: "Könnten sie das Sofa eventuell in unsere Wohnung bringen?"
Der Größere der beiden streckt uns die Hand entgegen. Er reibt seinen Daumen gegen den Zeigefinger. Ich kenne diese Nervosität bereits von dem Makler vom Frankensteiner Platz.
Wieder spricht Marietta: "An was denken sie?"
"Ein Grüner", gibt der Mann zurück.
"Ich gehe eben in unsere Wohnung in der Schifferstraße - Geld holen." Marietta macht sich auf den Weg.
"In der Zwischenzeit tragen wir unser Sofa erst einmal wieder nach oben. Und dann sind sie dran." Die beiden Männer packen ihr Sofa wieder an und tragen es zurück in die Wohnung.
Die beiden kehren zurück. An der Engstelle drehen die beiden Mariettas Sofa hochkant. Jetzt kommen sie damit um die Ecke. "Welches Stockwerk?"
"Das dritte." Ich bin froh, dass sich etwas bewegt.
Der restliche Umzug gelingt uns dann ohne besondere Vorkommnisse.
"Ist dir noch übel, Marietta?"
"Es wird einfach nicht besser."
"Vielleicht hast du etwas Schlechtes gegessen. Was wollen wir tun?"
"Wir gehen in die Klinik. Irgendetwas stimmt mit mir nicht."
Notaufnahme #7
"Meiner Frau geht es gar nicht gut." Ich übergebe Schwester Hannah die Papiere.
"Was fehlt ihnen denn?" Die Diakonisse schaut Marietta an.
"Mir ist so übel. Seit heute Morgen."
"Übel?" Schwester Hannah schaut vielsagend und begleitet uns zu Frau Dr. Hasselblad in die Notaufnahme.
"Ach. Alte Bekannte. Ich lese im Formular, dass ihnen übel ist. Würden sie mal bitte den Bauch frei machen?" Die Ärztin tastet Mariettas Bauch ab. Dann hört sie mit ihrem Stethoskop. "Rege Darmtätigkeit. Alles in Ordnung. Wann hatten sie ihre letzte Regel?"
Meiner Frau ist schlecht, und Frau Dr. Hasselblad fragt nach Regeln? Das verstehe ich nicht. Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen.
Marietta kann mit der Frage mehr anfangen als ich. Sie antwortet. "Vor sechs Wochen."
"Können sie Wasser lassen?" Die Ärztin gibt Marietta einen Becher.
Jetzt schaut auch Marietta vielsagend. Sie hat den gleichen Blick wie Schwester Hannah.
Es dauert noch etwa 15 Minuten. Da offenbart uns Frau Dr. Hasselblad: "Ja. Herzlichen Glückwunsch. Sie sind schwanger."
"Oh", ist alles, was ich sage. Damit habe ich nicht gerechnet.
In guter Hoffnung
"Wenn sich unser Sohn an die Berechnung von Frau Dr. Hasselblad hält, dann ist das heute...