VOM WOLF ZUM HEUTIGEN JAGDGEFÄHRTEN
Isegrims Domestikation
Bisher ging man davon aus, dass Urvater aller Hunde der Wolf ist. Dessen Domestikation, die Zähmung vom Wildtier zum Haustier Hund, begann gegen Ende der Steinzeit - vor mindestens 15?000 bis 10?000 Jahren.
WANN UND WIE - DIE THEORIEN
Nach dem Wolfsforscher Erik Zimen sollen die Frauen der Steinzeitmenschen die Domestikation eingeleitet haben, indem sie junge Wölfe in der Kinderpflege einsetzten, beispielsweise als Bewacher, insbesondere aber zum Kotfressen und Sauberlecken ihrer Babys. Anders sieht es Konrad Lorenz: Er meint, dass es die Steinzeitjäger waren, die zuerst mit Wölfen bei der Jagd zum Nutzen aller gemeinsame Sache machten.
In jüngster Zeit aber sind Wolfsforscher insbesondere durch Genstudien teils zu anderen Erkenntnissen gelangt. Danach ist und bleibt Urvater all unserer Hunde zwar der Wolf (Canis lupus) - darüber sind sich alle Wolfsforscher einig. Ob aber der Mensch jemals den Wolf aktiv domestiziert oder der Wolf dies "selbst" getan hat, indem er sich zum Beispiel dem Menschen "anschloss", ist unklar. "Ebenso unklar sind die Zeit und der genaue Ablauf", schreibt der Wolfsforscher Erik Axelsson.
"Verbündete"
Die Entdeckung von sterblichen Überresten von Wölfen in den von Menschen bewohnten Gebieten Europas datiert etwa 40?000 Jahre zurück, meinen einige Wolfsforscher. In dieser Zeit war der Mensch noch nicht sesshaft, ernährte sich von der Jagd und folgte den Wildtieren auf deren Wanderungen. Unter anderem führten klimatische Veränderungen zum Aussterben großer Wildarten wie Mammut und Bison. Der Rückgang des Wildangebots veranlasste den Menschen, neue Waffen zu erfinden, seine Jagdtechniken anzupassen und zu verbessern.
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Urahn Wolf: Sein Erbe blieb vor allem in unseren Jagdhundrassen erhalten.
Er stand dabei im Wettbewerb mit den Wölfen, die sich von derselben Jagdbeute ernährten. Der Mensch musste so den Wolf zu seinem Verbündeten bei der Jagd machen, indem er zum ersten Mal versuchte, ein Tier zu zähmen, lange bevor er selbst sesshaft wurde, Vieh züchtete und Getreide anbaute. Der primitive Hund war also in erster Linie ein Jagdhund, mit Sicherheit aber auch ein Abfallbeseitiger.
Die Ahnen des Hundes passen sich an
Als sich Wölfe zu Haustieren im engeren Sinn entwickelten, gewöhnten sich die frühen Hunde an eine neue Ernährungsweise. Von jetzt an stand vermehrt Stärke auf dem Speiseplan. Damit passten sich die Hunde den Menschen an. Diese aßen - in Form von Getreideprodukten - ebenfalls viel Stärke, nachdem sie sesshaft geworden waren und mit der Landwirtschaft begonnen hatten.
Statt ständig Beutetiere zu jagen, konnten die Hunde nun von Essensresten leben, die Menschen in der Nähe ihrer Lager und Behausungen liegen ließen. Diese Bequemlichkeit könnte sogar ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Mensch und Wolf überhaupt annäherten. "Die Fähigkeit, mit einer stärkereicheren Kost zurechtzukommen, stellte einen bedeutenden Schritt in der frühen Domestikation des Hundes dar", schreiben Forscher um Erik Axelsson von der schwedischen Universität Uppsala.
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Das ausgeprägte Sozialverhalten des Wolfes ist auch für unsere Jagdhunde kennzeichnend. An die Stelle des Wolfsrudels tritt bei ihnen die Mensch-Hund-Meute.
Der Beginn ist unklar
Die Auswertung einer neueren Genstudie aus dem Jahre 2002 ergibt ein mutmaßliches Alter des Haushundes von rund 15?000 Jahren. Für dieses Alter sprechen ebenfalls die Datierungen bisheriger archäologischer Funde, die sich in ein Zeitfenster von rund 13?000 bis 17?000 Jahren einordnen lassen. Im Jahre 1914 legten zum Beispiel Arbeiter im heutigen Bonner Ortsteil Oberkassel ein Grab in Oberkassel frei, in dem ein Mann, eine Frau und ein Hund zusammen bestattet worden waren. Das Grab geht auf das Paläolithikum zurück, ist also rund 14?000 Jahre alt. Funde im Nahen Osten, die auf Hunde hinweisen, wurden auf ein Alter von 10?000 bis 23?000 Jahre datiert. Weit vorher, bereits vor 100?000 Jahren, sollen erste genetische Unterschiede zwischen Wolf und Hund entsprechenden Untersuchungen zufolge bestanden haben.
Wann nun begann also die Entwicklung des Wolfs zum Hund? Bereits vor 100?000 Jahren oder "erst" vor 10?000 Jahren? Nun - so genau weiß das bis heute niemand! Es gibt mehrere Theorien, die alle mehr oder weniger schlüssig klingen, und jede für sich beansprucht, mehr Beweise bieten zu können als die andere.
In historischer Zeit war der Wolf von Irland und Spanien über ganz Europa und Sibirien bis nach Japan verbreitet. Im Süden Eurasiens drang er bis nach Vorderindien vor, auch in Nord- und Mittelamerika war er vertreten. Die Domestikation kann also überall dort, wo der Mensch mit dem Wolf zusammentraf, zeitlich neben- und hintereinander stattgefunden haben. Ihr Beginn in Europa dürfte in die Zeit um 10?000 bis 8?000 vor unserer Zeitrechnung einzuordnen sein - für unsere heutigen Hunde hat diese Frage aber wohl keine Bedeutung.
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Höhlenmalereien belegen, dass Mensch und Wolf beziehungsweise erste Hunde schon in Gemeinschaft jagten.
Die ersten Hundetypen
Um 4?000 bis 2?000 vor unserer Zeit hatten sich in Europa jedenfalls bereits fünf grundsätzliche Hundetypen herausgebildet (s. Infobox).
Aus diesen Grundtypen entwickelten sich im Laufe der Jahrtausende nach und nach verschiedene Rassen. Manche davon starben wieder aus, mit den "Nachfahren" der verbliebenen leben wir heute.
Hundegrundtypen Europas
(vor 4?000 bis 6?000 Jahren)
- Spitzhundtyp
- Doggentyp
- Windhundtyp
- Jagdhundtyp
- Schäferhundtyp
VOM "WAFFENERSATZ" ZUM SPEZIALISTEN
Der Hund war anfänglich mehr Haustier im eigentlichen Sinne. Er diente zum Beispiel als Bewacher, war aber auch eine wichtige Nahrungsquelle! Später wurde er auf jagdlichem Gebiet mehr und mehr zu einem unentbehrlichen Gehilfen.
Die Entwicklung der jagdlichen Methoden war in allen geschichtlichen Epochen eng mit der Entwicklung des Jagdhundewesens verbunden und von dieser abhängig. Die unterschiedlichen Jagdtechniken richtete man stark nach der Verwendbarkeit der Hunde aus. Wenn auch sehr früh eine Vielzahl von Hundetypen bekannt war, die nach Beschreibungen und bildlichen Darstellungen gewisse Vergleiche mit heutigen Jagdhunderassen zulassen, sah ihre Abrichtung und Verwendung schon im Grundsatz völlig anders aus als in unserer Zeit. Denn die Schnelligkeit, Stärke und der Mut jener Hunde mussten die Mängel der primitiven Jagdwaffen früherer Zeiten ersetzen.
Frühe Differenzierung
So entwickelten sich auch bei den einzelnen Völkern sehr verschiedene Jagdmethoden. Die alten Ägypter führten zum Beispiel schon Hetz- und Treibjagden mit Hunden durch, wobei auch schon Netze und Jagdlappen Verwendung fanden. Die Hunde mussten also auf die unterschiedlichsten Jagdarten auch durch differenzierte Dressur spezialisiert werden.
War anfangs die Jagd mit Hunden über Tausende von Jahren Erwerbsform und Teil der Lebensgrundlage des Menschen, wurde sie bei uns insbesondere zu Zeiten Karls des Großen - Kaiserkrönung im Jahre 800 unserer Zeit - zum Selbstzweck: Aus der Jagd entstand nach und nach das Waidwerk. Dieser Prozess war über Jahrhunderte zweifelsohne auch von zum Teil grausamen, oft sadistischen Jagdmethoden geprägt, die insbesondere bei den Hofjagden Perfektion erlangten. Durch die Weiterentwicklung der Jagd erfuhr auch das Jagdhundewesen einen erheblichen Aufschwung. So ist zum Beispiel überliefert, dass Herzog Julius von Braunschweig im Jahre 1592 mit 600 Rüden zur Sauhatz an der Oberweser ausrückte.
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Darstellung eines eingestellten Jagens mit Speeren und Hunden.
Uraltes Thema - der Ausbildungsbeginn
Hier weiter das Hundewesen nach dem Jahre 800 bis zum 20. Jahrhundert darzustellen und auf die Entstehung der Rassen, mit denen wir heute jagen, einzugehen, würde den Rahmen dieser Anleitung zur Früherziehung sprengen.
Interessant ist aber - und das möchte ich hier herausstellen -, dass sich einige Hundeleute schon Mitte des 18. Jahrhunderts darüber Gedanken machten, in welchem Alter man die Hunde für die Aufgaben der Jagd ausbilden sollte. So fordert VON HEPPE (1751) in seinem kynologischen Werk über die Ausbildung des "Leithundes", des Vorläufers des Hannoverschen Schweißhundes, dass man den Welpen "stets freundlich...