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Die Tiefen-Psychologie und die Psycho-Therapie, wie sie gegenwärtig in vielen Versionen gelehrt und praktiziert werden, haben lange historische Wurzeln. Man könnte diese Geschichte mit den Medizin-Männern beginnen oder mit Hippokrates und Galen oder mit dem berühmten Arzt Paracelsus. Für diesen knappen Abriß ist der beste Ausgangspunkt der Wiener Doktor Anton Mesmer (1733-1815).
In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts war man schon zu aufgeklärt, um noch den Teufel ernst zu nehmen, der die Befallenen quäle, oder die spirituellen Austreiber, welche zu den Qualen noch neue hinzufügten. Aber man war - von einem späteren Standpunkt aus gesehen - noch nicht aufgeklärt genug, um zu beachten, daß die Verhexten echtes Leid erduldeten, auch wenn die Theologen es falsch interpretierten. Man behandelte nur die Verrückten, indem man sie einsperrte - und mit bitteren Medizinen. Diejenigen aber, die nicht reif fürs Irrenhaus waren, überließ man ihrem Schicksal. Da kam Mesmer. Er war auch ein Scharlatan . vor allem aber auf dem richtigen Weg. Es führt eine direkte Linie von Mesmer zu Freud (eine andere: von Mesmer zur Christian Science).
Dieser seltsame Vorfahr wurde am Bodensee geboren und praktizierte in Wien. 1766 veröffentlichte er ein Buch >De planetarum influxu<: die Sterne beeinflussen unser Leben mittels magnetischer Ströme. 1775 erschien sein >Schreiben an einen auswärtigen Arzt über den Magnetismus<: mit Hilfe von >tierischem Magnetismus<, der in uns sei, könnten wir Krankheiten heilen. Der Mann bekam Schwierigkeiten mit den Behörden, wurde als Quacksalber vertrieben und ging 1778 nach Paris. Sein Erfolg war enorm. Die magnetischen Séancen machten Furore. Da rüsteten sich auch hier die Gegner.
1784 setzte die Académie des Sciences ein Komitee ein, dem unter anderen der amerikanische Gesandte Benjamin Franklin und der Chemiker Lavoisier angehörten. Sie hatten zusammen mit der medizinischen Fakultät Mesmers Heilerfolge nachzuprüfen. Das Resultat lautete: starke Einbildungskraft ohne Magnetismus kann Konvulsionen hervorrufen, Magnetismus allein kann nichts hervorrufen; das Berühren der Patienten und die Stimulierung ihrer Phantasie mag gefährlich werden. Damit war der Heiler verurteilt. Er wurde zum Thema für lustige Theaterstücke. Aber seine Wirkung war nicht zu Ende, vielmehr im Beginn.
Der englische Chirurg James Braid (1795-1860) studierte den Mesmerismus. Obwohl er Chirurg war und an die Phrenologie glaubte, erkannte er, daß Mesmers große Entdeckung nicht in der Annahme eines magnetischen Fluidums lag, sondern in den subjektiven Elementen: den Erscheinungen, die er produzierte - z.B. diesem schlafartigen Zustand. Braid war der erste, der in seiner >Neurohypnology or the rational of nervous sleep< (1843) die Worte Hypnotismus, hypnotisieren, hypnotisch einführte. Einige Forscher nannten deshalb den Hypnotismus: >Braidismus<.
Im Jahre 1860 begann der französische Landarzt A.A. Liébault (1823-1904) den Mesmerismus zu studieren. Er ließ sich in Nancy nieder. Nach jahrelangen Forschungen veröffentlichte er ein Buch >Du sommeil et des états analogues, considérés surtout au point de vue de l'action de la morale sur le physique<. Von diesem Buch wurde ein einziges Exemplar verkauft. Liébault arbeitete mit Hypnose bei Behandlung hysterischer Blindheit, Paralyse, Tics. Es war nicht leicht, die armen Bauern, mit denen er es zu tun hatte, zu dieser Kur zu bewegen. Er pflegte zu sagen: wenn ich Sie mit Apothekermitteln behandeln soll, müssen Sie zahlen; mit Hypnose mache ich es unentgeltlich. Braid und Liébault sind die Väter der modernen Psycho-Therapie. In den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts war sie durchgesetzt. Der Schweizer Forel ließ 1889 sein Buch >Der Hypnotismus< erscheinen, in Rußland arbeitete Bechterew mit der neuen Methode. Der entscheidende Sieg wurde in Paris errungen.
Jean Marie Charcot wurde 1825 geboren. Er wurde ein Neurologe, der (wie die meisten Psychiater des Jahrhunderts) in den Kategorien der Gehirn-Pathologie dachte. >Wissenschaftlich< war für ihn (wie später für den jungen Freud): bezogen auf die Funktion des Gehirns und der Nerven. Charcot fragte: was geht im Gehirn und in den Nerven während des hypnotischen Schlafs vor? Seine große historische Leistung bestand darin, daß er die Hysterie, die er (gegen die Konvention) auch den Männern zuschrieb, bei der offiziellen Wissenschaft zur Anerkennung brachte; und daß er, einer der angesehensten Psychiater seiner Zeit, die Hypnose verwandte. In dem großen Pariser Frauen-Krankenhaus, der sogenannten >Salpêtrière<, wurden jene Forschungen angestellt, deren Ergebnisse er dann veröffentlichte in dem Buch >Leçons sur les maladies du système nerveux faites à la Salpêtrière<.
An dieser Forschungs-Stätte erschien im Jahre 1885 der 29jährige Wiener Arzt Sigmund Freud, um bei dem berühmten Kollegen zu studieren. Von 1886 an erschien dann seine Übersetzung Charcots: >Neue Vorlesungen über die Krankheiten des Nerven-Systems, insbesondere über Hysterie<. Im Todesjahr des Meisters, 1893, schrieb Freud einen Nachruf. Charcot sprach einmal über die Neurose einer jungen Frau und sagte nebenbei: Sexualität liegt immer zugrunde. Freud hörte diese Bemerkung.
Als er im Jahre 1885/86 an der >Salpêtrière< arbeitete, hatte er schon zwölf Veröffentlichungen vorzuweisen: u.a. >Über Spiralganglien und Rückenmark des Petromyzon< (1878), >Beitrag zur Kenntnis der Cocawirkung< (1885), >Über den Ursprung des Nervus acusticus< (1886). Diese Arbeiten zeigen die Felder seiner Studien. Geboren am 6.5.1856 in der kleinen mährischen Stadt Freiberg, 1860 nach Wien verpflanzt, wo er dann achtundsiebzig Jahre wirkte, absolvierte er 1873 das Wiener Sperl-Gymnasium, um Medizin zu studieren. Von 1876 bis 1882 arbeitete er im Physiologischen Institut des berühmten Professors Ernst Brücke, dann bei dem Gehirn-Pathologen Professor Meynert. 1885 wurde Freud Dozent der Neuropathologie an der Universität Wien. Zum ordentlichen Professor und zum Nobelpreisträger brachte er es nicht.
Auf dem Gebiet der Psychiatrie wurde rege gearbeitet. Zwischen 1818 und 1893 gab es fast fünfzig Fachzeitschriften in den Ländern Europas und in den Vereinigten Staaten. Es gab über 15 nationale und internationale Gesellschaften für Psychiatrie. In Deutschland erschienen zwischen 1830 und 1836 die historisch-kritischen Übersichten von Johannes Friedrich. 1847 hatte die Gesellschaft >Deutsche Naturforscher< eine Sektion für Anthropologie und Psychiatrie, die ursprünglich aus dreizehn Mitgliedern bestand. Seit 1867 gab es die >Berliner medizinische psychologische Gesellschaft< (Vorsitzender Griesinger), die nach 1885 >Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten< hieß. Das Interesse für diesen Zweig der Medizin wuchs unter den Medizinern von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.
Freud hätte vorgezogen, sich der Forschung zu widmen; seine materielle Situation erlaubte es ihm nicht. So ließ er sich 1886, nach seiner Rückkehr aus Paris, in Wien als Psychiater nieder. Im selben Jahr heiratete er. Damals begann auch seine Zusammenarbeit mit dem Wiener Arzt Josef Breuer, welche schließlich zur Entdeckung jener Heil-Methode und zu jenen wissenschaftlichen Ergebnissen führte, die Freud auf den Namen >Psycho-Analyse< taufte. Josef Breuer (1842 bis 1925) hatte es in den Jahren 1880 bis 1882 mit einer hysterischen Patientin zu tun gehabt, der er dadurch half, daß sie sich im Trance an den Beginn ihrer Leiden während der Pflege ihres kranken Vaters zu erinnern begann. Dieses Sicherinnern erleichterte sie. Das Resultat hatte Breuer bereits 1884 Freud mitgeteilt; der hatte Charcot davon erzählt, ohne Eindruck zu machen. 1886 begannen dann Breuer und Freud in der Richtung zusammenzuarbeiten, welche ihnen durch Breuers Erfolg gewiesen war. Sie nannten ihre Methode die >kathartische<. 1895 gaben sie in dem Buch >Studien über Hysterie< Rechenschaft von den Ergebnissen. Es war das erste Mal, daß die Methode der Heilung und die Methode der Forschung miteinander verknüpft wurden.
Im Jahre 1889 ging Freud wieder nach Frankreich, diesmal nach Nancy, um die hypnotische Methode gründlicher zu studieren - an dem Platz, wo sie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt worden war: bei Liébault und seinem Freund Hippolyte Marie Bernheim (1840-1919). Die sogenannte Schule von Nancy war mit der Schule der >Salpêtrière< in einem schweren wissenschaftlichen Streit. Charcot war der Ansicht: die Fähigkeit, in hypnotischen Schlaf zu fallen, sei bereits ein hysterisches Symptom. Bernheim hingegen verfocht die These, daß fast jeder bis zu einem gewissen Grad hypnotisierbar sei; daß dahinter das allgemeinere Phänomen der Suggestibilität stände....
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