Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es war ein böses Jahr für dieses Land. Das Korn auf den Feldern wuchs nicht. Die Menschen in den Städten hungerten. Gefährliche Krankheiten nisteten in den kraftlosen Körpern. Am Karfreitag traf ein Erdbeben, das von Kastilien bis hinunter nach Marokko Schrecken und Elend verbreitete, besonders hart die andalusische Erde. In Sevilla fielen Häuser, Festungswerke und Kathedralen zusammen. Auch Gottes Gebäude ist auf keinem festeren Fels erbaut als auf einem schrumpfenden Erdklumpen.
Der Herbst brachte neues Unheil. Ein grauer Himmel schüttete trübe Fluten über die spanische Erde, als wollte er sie ertränken. Die neue Saat faulte. Und die Königin, die dreißig Jahre lang mit fester Hand das Reich gelenkt hatte, legte sich in Medina del Campo zum Sterben. Die Beine waren formlos geworden. Der aufgetriebene Bauch war weißlich gespannt. Das Fieber hatte sie so ausgedörrt, daß der Durst nicht mehr zu löschen war. In jeder Kirche des Landes stiegen Bittgebete zum Himmel auf. Lange Prozessionen durchzogen die Städte, um vor Gott für die Herrin zu zeugen. Doch Isabella war bereit, zu gehen. »Weint nicht um mich«, sagte sie gelassen wie ein großer Besitzer, den keine Krise erschüttern kann. »Verschwendet eure Zeit nicht in unnützen Gebeten für meine Wiederherstellung.« Sie hatte so gut für die letzten Stunden vorgesorgt, daß ihr nicht einmal mehr an einem kurzen Aufschub lag.
Und doch überschatteten schwere Sorgen den Abschied. Wer wird morgen Erbe ihres Landes Kastilien sein? Wer wird einst, nach dem Tod des Gatten, das weite Land Spanien regieren? Die Erben waren ihnen vorausgestorben. Sechs Monate hatte Portugal die Festlichkeiten vorbereitet, welche die Verbindung des Thronfolgers mit ihrer ältesten Tochter, der jungen Isabella, feierten. Vier Wochen genoß eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft die Liebe zweier Menschen, die Freundschaft der zwei benachbarten Nationen, die Lust, sorgenlos an einer erlesenen Tafel zu sitzen. An den Ufern des Guadalquivir hatte man um die Kampfplätze Gitter gestellt, die in seidene Goldstoffe gekleidet waren; Thronhimmel und Teppiche, mit den Wappen der alten Häuser von Kastilien bestickt, boten Schutz gegen die Sonne. Isabella, die Jüngere, thronte in einem Kreis von siebzig adligen Fräuleins und hundert Edelknaben. Am zweiundzwanzigsten November fand die Vermählung statt. Am zweiundzwanzigsten Juni stürzte der junge Ehemann vom Pferd und starb . Sechs Jahre später. Der blonde, zarte Juan, ihr Sohn, ihr Erbe, führte die Erzherzogin Margarete heim, Tochter des deutschen Kaisers. Nach stürmischer Fahrt landete die Siebzehnjährige in Santander. Der Patriarch von Alexandrien legte die Hände der Verlobten ineinander. In Burgos vollzog der Erzbischof von Toledo die Trauung. Festmähler, Hofbälle, Ring- und Pfeilstechen feierten die Ehe des spanischen Thronfolgers mit der Häbsburgerin. Im April. Im September wurde der zwanzigjährige, seit seiner Geburt schwächliche Juan zu Salamanca von einem Fieber befallen. Die Ärzte waren für eine kurze Trennung von der temperamentvollen jungen Frau. Doch Königin Isabella hielt dafür, daß der Mensch nicht scheiden soll, was Gott zusammengefügt hat. Anfang Oktober war ihr >Engel< tot. Auf den Mauern und Toren der Stadt wurden schwarze Fahnen aufgepflanzt. Die Geschäfte blieben vierzig Tage geschlossen. Eine Hoftrauer führte Sackleinwand statt der weißen Serge ein, um dem ungewöhnlich schweren Verlust einen ungewöhnlichen Ausdruck zu geben. Juans nachgeborene Tochter kam tot zur Welt . Die junge Isabella, Witwe des portugiesischen Kronprinzen, hatte den König Manuel von Portugal geheiratet. Als Hochzeitsgeschenk forderte sie, echte Tochter ihrer Mutter, vom Zukünftigen die Vertreibung der spanisch-jüdischen Emigranten. Das junge Paar war zu Ostern in Guadelupe, zog feierlich in Toledo ein, beging das Fronleichnamsfest in Saragossa. Im Juni. Im August brachte Isabella, die Jüngere, im erzbischöflichen Palast einen Knaben zur Welt. Eine Stunde nach seiner Geburt war sie tot. Thronerbe, künftiger Herrscher der ganzen Iberischen Halbinsel, war Don Miguel, eine Stunde alt. Er wurde auf dem Arm seiner Amme, vom vornehmsten Adel begleitet, durch die Stadt getragen. Nur zwei Jahre lebte diese kleinste Hoffnung der Königin.
Kann die Sterbende die Geschicke des Landes in die Hände der Tochter Juana legen? Wie stürmisch ist gleich die Hochzeitsreise zum niederländischen Bräutigam gewesen! Als ob die leicht erregbare junge Frau mit ihrer Unruhe alle Winde aufgestört hätte. In den Häfen von Guipuzcoa und Biscaya hatte Isabella der Braut Juana hundertzehn Schiffe ausgerüstet. Das sechzehnjährige, reizlose und trübsinnige Geschöpf, immer eifersüchtig auf die Schwestern, immer störrisch gegen die mütterliche Lenkung, hatte kühlen Herzens das Vaterhaus verlassen. Sechs Wochen später, nach stürmischer Fahrt, nach schweren Verlusten, mit vielen Toten und Kranken an Bord, war die Hochzeitsflotte im Hafen von Middelburg eingelaufen. Juana zitterte vor Sehnsucht nach dem schönen Philipp. Wo blieb er? Hatte er ihr nicht noch vor zwei Monaten zärtlich geschrieben: »Ich wollte, ich könnte alles hinter mir lassen, um wie im Fluge Tag und Nacht zu Euch zu eilen?« Jetzt war sie, Tag und Nacht, mitten durch die wütende See, zu ihm geeilt. Wo blieb er? Er war bei seinem Vater, dem deutschen Kaiser, in Tirol. Er ließ sie warten. Juana aber konnte nicht warten.
Die Erinnerung an Juana ist für die sterbende Isabella nicht mehr die empfindliche Narbe der Vergangenheit, sondern die offene Wunde der Gegenwart. Zuerst waren blasse, kaum wahrnehmbare Gerüchte vom fernen Hof der Tochter zu ihr gedrungen. Dann hatte sie den Subprior von Santa Cruz hinübergeschickt und die volle, unerträgliche Wahrheit erfahren. Der schöne Philipp war nicht gebaut, still im Ehehafen zu liegen, zum Vergnügen einer überspannten Frau. Doch seine Extratouren wären kaum so schnell der Schwiegermutter zu Ohren gekommen, hätte nicht auch seine politische Liebschaft mit Frankreich, Spaniens Erbfeind, die Ehe schwer belastet. Der Stolz der Königin war tief verletzt. Der schöne Philipp behandelte die spanische Umgebung seiner Gemahlin so schlecht, daß ihre Diener, Isabellas Untertanen, am Hofe der Niederländer hungerten. Und Juana, bald Königin von Kastilien, ließ sich's gefallen, daß die Geheimräte ihres Gatten alle Beschwerden mit unverschämten Antworten abtaten. Was gehen die Spanier Juana an, wenn sie nur ihren schönen Philipp mit den herrlichen langen Locken anstarren darf. Diese schmachtende Törin wird also die Erbin sein. Eine Erbin, die sich weigerte, in das Land ihrer Mutter und ihres Vaters zu kommen, weil sie sich nicht einmal für Monate vom schönen Philipp trennen kann.
Sie waren dann beide doch in Spanien erschienen, Juana und ihr schöner Philipp. Bis Bayonne hatte sie ihnen Züge von Maultieren zur Weiterbeförderung des Gepäcks entgegengeschickt; denn die flandrischen Karren waren in den pyrenäischen Bergen unverwendbar. In Burgos, in Valladolid, in Medina del Campo, in Segovia, in Madrid waren den zukünftigen Herrschern große Empfänge bereitet worden. Diese Erinnerung tut wohl; denn die süße Geborgenheit im Zeremoniell ist eine Vorstufe der seligen Geborgenheit in Jesus Christus. Was für ein prächtiger Zug war den Kindern zur Einholung entgegengezogen! Voran des Königs Falkoniere in grünen Gewändern mit aschgrauen Ärmeln. Danach Mitglieder der königlichen Kapelle. Dann der Alkalde mit den Rechtsbeiständen und vielen Bürgern in Scharlachroben und Wämsern von karmoisinroter Seide. Eine halbe Meile vor Toledo erschien Ferdinand selbst mit einer Gefolgschaft von sechstausend Würdenträgern; zur Rechten des Königs ritt Frankreichs, zur Linken Venedigs Gesandter. Unter dem Thronhimmel, der mit den spanischen und niederländischen Wappen geziert war, zogen der Vater und seine Kinder in die festlich geschmückte Stadt ein. In der Vorhalle des Doms war aus Gold und Edelsteinen das Kreuz errichtet worden. Hier warteten, unter den Orgelklängen des Tedeums, Erzbischof Ximenes und seine Domherren, während Isabella im großen Saal des Schlosses auf königlichem Sessel thronte - um sie herum standen feierlich-steife Hofdamen. Plötzlich brach die Festmusik ab. Die Farben verblaßten. Der Prinz von Wales, Gemahl der jüngsten Tochter Catilina, war gestorben.
Nach den Feierlichkeiten von Toledo war der schöne Philipp in sein Vaterland zurückgefahren. Heftig hatte sich Juana der Trennung widersetzt: doch die Schwangere mußte bleiben. Kaum hatte sie dann geboren, als sie darauf bestand, dem geliebten Mann nachzueilen. Schon im Frühjahr spürte Isabella, wie es um sie stand; so versuchte sie, Juana im Lande zu halten, das sie nun bald regieren wird. Doch was ist Spanien für Juana? Wie das verliebte Mädchen auf die Abreise drängt! In Medina del Campo muß die Ungeduldige Monate auf die Ausrüstung der Flotte warten, die sie zurückbringen soll. Da schreibt ihr der schöne Philipp, er habe für sie freien Durchzug durch Frankreich erwirkt. In flatternder Hast stürzt sie ihm entgegen. Heimlich, im Dunkel der Nacht, nur mit einem Hemd bekleidet, verläßt sie ihr Schlafzimmer. Der Bischof von Burgos und der Gouverneur eilen herbei. Sie bitten die Fliehende, in ihre Wohnung zurückzukehren. Das verstörte Mädchen zeigt ihnen den Rücken und befiehlt den Wachen, die Tore zu öffnen. Man läßt sie nicht aus der Stadt. Juana ist gefangen. Sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.