Schweitzer Fachinformationen
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In der Abflughalle des Flughafens herrschte Hochbetrieb. Vor den Check-in-Schaltern für Gran Canaria und Teneriffa warteten so viele Passagiere, als müssten die sonnigen Inseln ein paar Tage später wegen Überfüllung geschlossen werden.
Nach Catania wollten zwar kaum hundert Leute, aber auch in dieser Schlange vor dem Abfertigungsschalter dauerte es geraume Zeit, bis Stefanie und Peter ihre Koffer wieder ein Stück weiter nach vorn schieben konnten. «Bei Ihnen dauert das Einchecken wohl länger als der Flug», sagte Peter zur Stewardess, als er endlich die beiden Gepäckstücke auf die Waage stellen konnte.
«Ich kann leider nichts dafür. Sie können sich gern bei der Geschäftsleitung beschweren.»
Dann schob sie Peter zwei Bordkarten über die Theke und gab ihm die Tickets zurück. «Gate zwölf. Ihr Flug wird aufgerufen. Gute Reise.»
«Du hättest ruhig etwas freundlicher zu ihr sein können», sagte Stefanie, als sie an der Sicherheitskontrolle ihr Handgepäck auf ein Laufband legten. «Die Frau erledigt doch nur ihren Job.»
«Ja. Und zwar so langsam wie möglich. Ich hasse diese ständige Warterei.»
Er steckte die Flugscheine in seine Brieftasche. Vor der Handgepäckkontrolle brauchten sie weniger lange zu warten.
«Wenn Sie bitte noch Ihre Taschen und Ihre Mäntel auf das Rollband legen würden», forderte sie ein Grenzschutzbeamter auf.
Peter funkelte ihn böse an. «Aber meine Hose darf ich doch wenigstens anbehalten?»
«Selbstverständlich», sagte der Beamte. Als Stefanies Jacke und Peters Mantel im Durchleuchtungsgerät verschwanden, untersuchte der Beamte Peter kurz mit einer Metallsonde. Eine junge Beamtin vollzog dieselbe Prozedur bei Stefanie.
«Meinetwegen hättest du wirklich ins Stubaital fahren können», zischte sie Peter zu, als die Passkontrolle hinter ihnen lag. «Ich habe dich nicht darum gebeten, mit mir nach Sizilien zu fliegen. Verdirb mir bitte die Reise nicht.»
«Weiß ich», sagte er, etwas versöhnlicher. «Aber ich kann dich nicht ins offene Messer laufen lassen. Wir haben noch nicht die Möglichkeit bedacht, dass du nichts als Schulden erben könntest.»
«Du und dein ewiges Misstrauen», stieß sie genervt hervor. «Ich habe zweimal mit Notar Bonello telefoniert. Ein sehr freundlicher Mann. Er hat meinetwegen sogar ganz langsam gesprochen, als er merkte, dass ich Schwierigkeiten mit seinem Dialekt habe.»
«Wir werden sehen. An deine Geburtsurkunde und die Heiratsurkunde deiner Eltern hast du hoffentlich gedacht?»
«Natürlich. Ich habe sie sogar von einem vereidigten Dolmetscher übersetzen lassen.»
Sie kamen an ein Kosmetikgeschäft. Stefanie hatte sich vorgenommen, dort noch einen Lippenstift und ein Parfüm zu kaufen, doch jetzt verzichtete sie darauf. Es hätte eine weitere Verzögerung verursacht, die Peter noch mehr verstimmt hätte.
«Im März nach Sizilien», sagte er verärgert, als sie im Warteraum Platz nahmen. «Und dann auch noch im Touristenbomber! Aber was tut ein Mann nicht alles für die Frau, die er liebt.»
Stefanie stöhnte auf. «Auf alle Fälle meckert er nicht an allem herum. Wenn das so weitergeht, kannst du dir ein anderes Hotel suchen. Oder denkst du etwa, ich will die ganzen Ferien über dauernd dein mürrisches Gesicht sehen?»
Er wirkte gekränkt. «War doch nicht böse gemeint. Es ist nur . Na ja, ich hätte halt einen Skiurlaub vorgezogen.»
Es dauerte nicht lange, bis die Reisenden ins Flugzeug gelassen wurden. Peter nörgelte zwar, als er seinen Mantel und Stefanies Steppjacke in das enge Gepäckfach über ihren Sitzen quetschte, doch als beide endlich saßen und ihre Sicherheitsgurte geschlossen hatten, griff er nach ihrer Hand. «Jetzt freue ich mich auch auf diese Reise. Mehr als vierzehn Tage nicht in die Bank müssen und stattdessen mit dir Italien entdecken . Ich hoffe nur, Sizilien ist nicht auch so ein Teutonengrill wie Riccione oder Rimini.»
«Nicht im Frühjahr», beruhigte sie ihn. Sie hatte inzwischen drei Reiseführer gelesen. «Es ist zwar die beste Reisezeit, aber zum Baden ist das Meer meistens noch zu kalt.»
«Das habe ich vermutet. Genau deshalb habe ich für uns in Taormina ein kleines, aber feines Hotel mit Swimmingpool gebucht. Ein richtig lauschiges Liebesnest.»
Stefanie sah ihn lächelnd an und drückte seine Hand zärtlich.
Sie hörte, dass die Triebwerke lauter wurden, und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Es war nicht ihr erster Flug, doch beim Start und bei der Landung hatte sie jedes Mal ein mulmiges Gefühl. Sie blickte durch das dicke Fenster auf die nasse Rollbahn. In das düstere Grau des Münchener Morgens.
Das Flugzeug rollte an, gewann an Geschwindigkeit, hob vom Boden ab und flog durch schmutzig graue Wolken. Wenige Minuten später stieß es durch die dichte Wolkendecke, und die Sonne schien gleißend vom hellblauen Himmel.
Endlich wieder Italien, dachte sie. Die Erinnerungen an den überstürzten Abschied von Rom stiegen wieder in ihr hoch. So schmerzlich es damals gewesen war, sich von Marcello und der Akademie zu trennen - jetzt hatte sie einen vernünftigen Beruf. Und einen Mann, der Zukunftspläne schmiedete.
Im Geiste sah sie Marcellos tiefbraune Augen vor sich. Ja, dachte sie, er hat sich nicht geirrt. Auch ich komme nach Italien zurück. Aber nicht zu ihm.
«Mach dir keine Sorgen wegen des Notars», sagte Peter. «Dem werde ich sehr genau auf den Zahn fühlen. Verlass dich darauf.»
Sie streichelte seine Hand. «Ich weiß schon, was ich an dir habe.» Geborgenheit, dachte sie, ist wichtiger als Leidenschaft. Auf heißen Liebesschwüren kann man kein gemeinsames Leben gründen.
Sonne. Blauer Himmel. Palmen, deren Zweige sich sanft im Wind bewegten und dabei leise knarrten . Schon auf dem Weg von der Ankunftshalle zum Parkplatz hatte sich Stefanie wie in einem Traum gefühlt. Zwei Stunden Flug, dachte sie, schon ist man in einer völlig anderen Welt.
Inzwischen saß sie neben Peter in einem kleinen Bus, der ein knappes Dutzend Neuankömmlinge zu deren Hotels brachte. «Typisch Massentourismus», hatte er geknurrt, als der Fahrer die Koffer im Bus verstaut hatte. Er hatte Peter auch seinen Aktenkoffer abnehmen wollen, doch den verteidigte er wie ein Drache seinen Schatz. «Darin befindet sich mein Laptop. Den gebe ich nie aus der Hand.»
«Deutsche immer nur arbeiten», sagte der Fahrer lachend, als er Peter seinen Aktenkoffer ließ. Peter fasste das offenbar als Kompliment auf, denn er nickte nur geschmeichelt.
Inzwischen fuhr der Bus durch enge Straßen, auf denen Autos und Motorroller stinkende Abgaswolken ausstießen. «Wie in München im Berufsverkehr», sagte Peter. «Man fühlt sich hier sofort wie zu Hause.»
«Erst mal abwarten, ja? Catania ist die zweitgrößte Stadt Siziliens. Kein Mensch verbringt dort seinen Urlaub.»
«Deshalb habe ich mich für Taormina entschieden. Sogar Goethe hielt es für den schönsten Ort Italiens. Ich hoffe nur, der Herr Geheimrat hat sich nicht geirrt.»
Stefanie streifte Peter mit einem erstaunten Blick. Seit wann interessierte er sich für tote Dichter? Doch dann erinnerte sie sich, den Hinweis auf Goethes Italienische Reise in einem Reiseführer gelesen zu haben. Peter hatte nicht nur darauf bestanden, sie zum Notar zu begleiten, sondern er hatte kurzerhand eine Urlaubsreise daraus gemacht. Und gründlich vorbereitet hatte er sich offenbar auch. Er musste dasselbe Buch gelesen haben wie sie. In solchen Augenblicken liebte sie ihn am meisten. Sosehr sie sich manchmal darüber ärgerte - seine Gründlichkeit hatte nicht nur negative Aspekte.
Als der Bus die Autobahn erreichte, fuhren sie noch eine Viertelstunde an den riesigen, hässlichen Mietskasernen der Großstadt vorbei, bevor sie dünn besiedeltes Land erreichten. Vorbei an Feldern und Olivenhainen, dazwischen kleine, uralte Häuser aus braunem Gestein. Stefanie genoss den Ausblick und hoffte nur, dass das Paar, das hinter ihnen saß - offenbar eine Lehrerehepaar -, endlich seinen nervenden Streit beenden würde. Die beiden diskutierten lautstark, welches Ausflugsziel sie heute noch anstreben wollten.
Endlich hielt der Kleinbus vor einem dreistöckigen Haus, das direkt am Meer lag. Am anderen Ufer der weit geschwungenen Bucht leuchteten schmale Sandstrände, hinter denen Häuser einen Hang hinaufzuklettern schienen. Hotel Norma las Stefanie auf einem Messingschild. Peter rappelte sich mit seinem Aktenkoffer von seinem Sitz hoch. «Da wären wir. Ich hoffe, wir bekommen ein Zimmer mit Blick auf die Bucht.»
«Mach dir keine Sorgen», sagte sie. «Notfalls schließe ich die Augen und stelle mir das Meer einfach vor.»
Sie drängten sich aus dem engen Bus. Im schmalen Garten vor dem Hotel blühten Agaven und Kakteen. An einer weißen Mauer leuchteten blaue Glyzinien. Inzwischen war auch das Paar ausgestiegen, das im Bus hinter ihnen gesessen hatte. Der Mann zog seine Jacke aus und gesellte sich zu ihnen, während der Fahrer das Gepäck aus dem Kofferraum hob.
«Möller-Konze aus Augsburg», stellte sich der Mann aus dem Bus vor. «Wir sind zum achten Mal in Sizilien. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben .»
Stefanie mochte aufdringliche Leute nicht. Sie war jedes Mal überrascht, wie gut Peter mit ihnen umgehen konnte. Er schüttelte die ausgestreckte Hand Möller-Konzes. «Scholz. Bei Bedarf werden wir gern auf Ihr Angebot zurückkommen.»
Der Hoteldiener trug das Gepäck ins Hotel. An der Rezeption studierte eine Angestellte Peters Reiseunterlagen, nickte und legte sie zur Seite, als Möller-Konze auf die Theke zusteuerte. «Wir haben Ihr Haus zum dritten Mal...
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