Schweitzer Fachinformationen
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1 Gott - Ein Hirngespinst?
1.1 Warum der Mensch glaubt
Wer einmal die Taufe eines Säuglings in Oberbayern erlebt hat, die herausgeputzten Eltern und Verwandten, mit Lederhosen, Gamshüten und Dirndl, der weiß: die Religionszugehörigkeit hat hier mit Brauchtum zu tun. Die Religion wird von Generation zu Generation einfach weitergegeben. Der Wahrheitsgehalt steht dabei weniger im Fokus - er interessiert einfach niemanden sonderlich.
So geschieht das ständig. Millionenfach. Warum wir heutigen Menschen glauben und was wir glauben, beruht, da ist man sich weitgehend einig, auf frühkindlicher Beeinflussung - auf Erziehung, Tradition und der Region, in der man aufgewachsen ist. Aber wo kommt die Religion, wo kommt der Glaube ursprünglich her?
Als Wurzeln der Gottesgläubigkeit - wie also alles einmal angefangen hat in archaischen Zeiten - verweist die Wissenschaft überwiegend auf die Angst der Menschen vor Gefahren, auch vor dem Tod, gepaart mit Unwissenheit. Darüber hinaus werden evolutionäre Einflüsse gesehen. Generell ist eine Erklärung zudem, dass Armut, (seelische) Not und Unterdrückung der Menschen, verbunden mit dem Wunsch nach einem besseren Leben, die Aufnahmebereitschaft für religiösen Glauben begünstigen.
Die großen Religionen sind, wir werden fast täglich daran erinnert, allesamt in archaischen, vorwissenschaftlichen Zeiten entstanden. Warum? Warum nicht heute? Die Antwort vermag eigentlich jeder Leser selbst zu geben. Religiös Überzeugte behaupten zwar gerne, die Tatsache, dass alle Völker in der Vergangenheit an höhere Wesen geglaubt hätten, sei ein Hinweis auf die Existenz eines göttlichen Wesens. Hier muss man schlicht feststellen: Unsere Urahnen hatten keine andere Möglichkeit, als sich die Welt und ihre vielen Phänomene - Blitz und Donner, die Himmelskörper, den Wechsel von Tag und Nacht und auch der Jahreszeiten, Erdbeben, Krankheiten und Tod - religiös zu deuten, mangelte es ihnen doch an natürlichen oder wissenschaftlichen Erklärungsmöglichkeiten.
Hinzu kommen Projektionen. Die Menschen projizierten ihr Innenleben - ihre Gedanken, Gefühle, Wünsche, Ängste - auf Objekte, andere Lebewesen, aber eben auch auf Götter und das Jenseits. So strafen die Götter in der Weise, wie es sich die Menschen selbst antun würden. Das Jenseits, das Paradies bei dem in der arabischen Wüste lebenden Mohammed ist geprägt von Bächen, Gärten, Blumen, Früchten, hübschen bereitwilligen Jungfrauen; selbst Wein und Schweinefleisch, auf Erden streng verboten, dürfen nun genossen werden. Es steht zu vermuten, dass diese Bilder mit den Lebensumständen, Wünschen und Hoffnungen der Gesellschaft, in denen der Prophet wirkte, zu tun haben.
1.1.1 Angst, Unwissenheit und die daraus erwachsenden Mythen
Furcht gebiert Götter.
Lukrez
Wovor fürchteten sich die Menschen in alten Zeiten? Sicherlich vor wilden Tieren - wir standen Jahrtausende lang nicht an der Spitze der Nahrungskette! Furcht auch vor Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Stürmen und Gewittern, Krankheiten, Dürre und Hungersnöten. Hinzu kamen, dies überlagernd, die Furcht vor dem Tod und die Ungewissheit, ob und wie es danach weitergeht, in einem Paradies oder gar in der Hölle. Dementsprechend finden sich bei allen Völkern vielfältige und ausgeprägte Todes- und Jenseitsmythen. Das Wissen um die eigene Sterblichkeit sowie das Sich-nicht-abfinden-Wollen mit dem Tod als Ende des (begrenzten) Lebens waren sicherlich eine wichtige Triebkraft zur Entstehung religiösen Glaubens.
Die Hoffnung auf das Paradies hat auch mich schon als Kind beschäftigt. Aber: Ist das Dasein dort eigentlich so erstrebenswert? Es wäre im himmlischen Paradies, wenn es denn so etwas überhaupt gäbe, wahrscheinlich ziemlich langweilig! Keiner weiß, warum und wozu er lebt. Und immer nur Halleluja singen, das hat schon den Alois bzw. den Engel Aloisius, den "Münchner im Himmel" in der Satire von Ludwig Thoma, nicht zufriedengestellt: Niemand hat eine Aufgabe, und allen engelsgleichen Wesen dämmert es, dass dieses ewige Leben sinnlos ist. Eine entsetzliche Vorstellung - nicht nur für Esther Vilar, die darauf verwies, dass den meisten Menschen doch schon an einem verregneten Sonntagnachmittag langweilig sei.2 Voll wäre es zudem in Hölle und Paradies: Bereits jetzt haben vielleicht 110 Milliarden Menschen gelebt. Und es kommen aufgrund der stark wachsenden Erdbevölkerung noch Hunderte Milliarden Menschen dazu. Keine leichte Aufgabe für Petrus, den Überblick zu behalten! Jesus lehrte gar, dass nach der Auferstehung die Menschen nicht mehr heiraten und nicht mehr sterben werden, sie würden den (geschlechtslosen) Engeln gleich sein (Lk 20,35-36, Mk 12,25-27). Also auch das Vergnügen fällt weg! Da ist der islamische Himmel nun doch amüsanter. Doch Spaß beiseite: Der Wunsch ins Paradies zu kommen hat ziemlich fatale Auswirkungen auf unser irdisches Leben. Scheitert doch ein "Paradies auf Erden" zum großen Teil auch an denen, die an ein Paradies im Himmel glauben und dem irdischen Leben wenig Bedeutung beimessen. Ihr fehlendes Engagement auf Erden verhindert oder erschwert zumindest die Möglichkeiten, die Erde friedlicher und schöner zu machen.
Zur Angst als Ursache für Gottesglauben und Religionen schrieb der Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell in seinem berühmten, 1927 verfassten Aufsatz "Warum ich kein Christ bin": "Die Religion stützt sich vor allem und hauptsächlich auf die Angst. Teils ist es die Angst vor dem Unbekannten und teils . der Wunsch zu fühlen, dass man eine Art großen Bruder hat, der einem in allen Schwierigkeiten und Kämpfen beisteht. Angst ist die Grundlage des Ganzen - Angst vor dem Geheimnisvollen, Angst vor Niederlagen, Angst vor dem Tod. Die Angst ist die Mutter der Grausamkeit, und es ist deshalb kein Wunder, dass Grausamkeit und Religion Hand in Hand gehen, weil beide der Angst entspringen." Fast alle Religionen haben Vorstellungen entwickelt, dass und wie es nach dem Tod weitergehen könnte, oder besser: "sollte". Der Glaube an das Jenseits ist keine Erfindung der abrahamitischen Religionen. Sie haben hier schlicht ältere Vorstellungen (Sumerer, Ägypter etc.) übernommen und teilweise modifiziert. Da gibt's im Grundsatz nichts allzu Originelles im Judentum, Christentum und Islam und in ihren "Heiligen Büchern".
Für den Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger kollidiert unsere Angst vor der eigenen Sterblichkeit mit unserem Selbsterhaltungstrieb. Ihm zufolge versuchen wir diese zu bewältigen, indem wir Sicherheit und Stabilität in einer Weltanschauung suchen, die wir als "Angstpuffer" benutzen.3 Ein fester ideologischer Rahmen ermögliche uns dann auch auf emotionaler Ebene, unsere Selbstwertgefühle zu stabilisieren, zum Beispiel durch einen religiösen Glauben, die gemeinsame Verpflichtung auf bestimmte Werte, Rituale und eine auf mehr oder weniger strengen Regeln basierende und mit anderen Gläubigen geteilte Form der Lebensführung. Die empirische Forschung zeige: Je schlechter es uns gelinge, Informationen über die eigene Sterblichkeit zu verdrängen, desto stärker identifizierten wir uns mit dem von uns gewählten ideologischen System.
Metzinger verwendet dafür den Begriff des "adaptiven Wahnsystems". "Wahn" sei zunächst, rein psychiatrisch gesehen, eine offensichtlich falsche Überzeugung, die mit einem starken subjektiven Gewissheitserleben einhergeht und die durch vernünftige Argumente oder empirische Belege nicht korrigiert werden kann. Solche Glaubenssysteme könnten zwar für einzelne Menschen und in kurzen Zeiträumen das subjektive Leiden wirksam vermindern, sie spendeten Trost, ermöglichten intensive Gemeinschaftserfahrungen und das Erleben von Geborgenheit in einer unsicheren Welt, sie seien sozusagen metaphysische Placebos, die in der existenziellen Palliativmedizin eingesetzt würden. Für die Menschheit als Ganzes sei diese Strategie aber objektiv nicht nachhaltig, und die lokale, kurzfristige Stabilisierung des Selbstwertgefühls erzeuge auf globaler Ebene immer wieder unfassbares Leid. Die Religion sei historisch gesehen aus Bestattungsriten, aus Grabbeigaben und dem Ahnenkult, sprich aus systematischen Formen der Sterblichkeitsverleugnung entstanden, aus Strategien, die dazu dienen sollen, das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit zu bewältigen.
Unwissenheit gilt als Schwester der Angst. Auch Stephen Hawking, der berühmte Astrophysiker, ist überzeugt, dass "Unkenntnis der Naturgesetze Menschen früherer Zeiten (veranlasste), Götter zu erfinden, die in jeden Aspekt des menschlichen Lebens hineinregierten . Da die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung in der Natur für sie nicht ersichtlich war, erschienen diese Götter als unergründlich und die Menschen ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert."4 Und natürlich mussten die Götter in der Fantasie der Menschen zunächst auch Himmel und Erde sowie Menschen, Tiere und Pflanzen schaffen. Da wurde eifrig spekuliert. Der Mensch ist neugierig.
Auf der Zeitleiste unserer menschlichen Geschichte ist die wissenschaftliche Forschung eine ganz neue Beschäftigung. Da stellt sich unwillkürlich die Frage, wie die griechischen Philosophen, die jüdischen Propheten und Bibelautoren, Jesus, die Evangelisten, Paulus, Augustinus oder Mohammed gedacht hätten, wenn sie über den heutigen vor allem naturwissenschaftlichen Kenntnisstand verfügt hätten. Wahrscheinlich würden sie sich wundern, dass wir ihre damaligen Ergüsse immer noch ernst nehmen und nachplappern, immer noch die alten Lieder singen.
Man kann es sich...
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